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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.

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Es war nahe an Sonnenuntergang, und nicht lange, so sah ich auch eine Ti¬
gerin kommen. Sie ging langsam grade auf den Platz zu, wo die Kuh zuerst
gelegen hatte; als sie aber ihren Irrthum gewahrte, änderte sie ihre Manier
ganz und gar -- sie hielt, horchte, drehte sich, umkreiste seitwärts meinen Ban",, in
der vorsichtigsten Weise fortschreitend, und versuchte dann, ans den Zehen stehend,
mit aufgerichtetem Nacken und Kopfe, dnrch das Laub zu spähen; wie sie so da¬
stand, das Haupthaar mit großem, langem Backenbart unter den Ohren, z" Berge
stehend, sah sie ans, wie wenn der Vollmond zwei Spitzohren trüge. Allmälig
naher gekommen, stand sie endlich nur noch dreißig Schritt von mir und wollte
eben mit aufrechtem Haupte die Zehe noch einen Schritt vorwärts heben, als
sie im Moment mit einem regulären Flapp todt auf die Seite kam -- meine
Kugel hatte ihr das Genick gebrochen; eine zweite Kugel meines Sowars ging
ihr noch dnrch Bauch und Rücken. Sie hat die schönste, obgleich nicht sehr
große Haut, die ich je gesehen, nicht strohfarbig, wie sonst die Tiger, sondern
röthlich dunkelgelb mit vielen kohlschwarzen Streifen und Punkten, und schnee¬
weiß unter dem Leibe. Die Haut mißt zehn Fuß; ich habe die größte Schwie¬
rigkeit gehabt, sie zu präpariren; drei Tage lang tauchte ich sie in Alaun und Salz,
streckte sie dann aus und bedeckte sie mit gestoßener Kreide oder auch mit Saffran;
das Trocknen mißlingt in dieser Jahreszeit sehr leicht.

Bald darauf horte ich wiederum von einem Tiger, der zwei Bullochseu getödtet
habe, und zog mit 6 Sowars und 12 Treibern nach ihm aus. Kaum war ich
am Orte, wo er sich aufhielt, angekommen, so sprang er dicht zwischen zwei Sowars
durch; sie feuerten von ihren Bäumen, er überschlug sich, aber galoppirte weiter;
auch ich schickte ihm noch einen weiten Schuß nach, worauf er sein zweimaliges
Gebrüll ausstieß und verschwand. Vergebens verfolgten wir seine Bluispur, bis
durch Zufall einer von meinen drei Dienern, die an einem Hügel beisammen
saßen, das Gebrüll des Tigers täuschend nachahmte, um die Treiber zu er-
erschrecken, und sofort zum eigenen Schrecken von dem wirklichen Tiger Antwort
hielt. Dicht bei ihnen ans dem Gebüsch springend, verschwand derselbe in einer
Nulkas (Schlucht) -- ich sprang sofort, ihm den Weg abzuschneiden und sah dabei
einen prächtigen schwarzgezeichncten (black tÄLLÜ) Tiger ruhig des Wegs schreitend.
Ich schoß und traf ihn durch die Schulter, da setzte er mit zweimaligem furcht¬
baren Gebrüll anf mich ein, daß ich kaum das "8-rupe <M pone" rufen und wir
alle uns aus die Bäume retten konnten. Bald darauf sahen wir deu Tiger auf
der freien Ebene; da es aber zu gefährlich gewesen sein würde, ihm jetzt nach¬
zugehen, so verschoben wir es bis aus den nächsten Tag und kehrten einstweilen
ins Cantonnement zurück. Am andern Tage fanden wir den Tiger fast an der¬
selben Stelle im Gebüsch, trieben ihn in eine Nulkas und bestiegen Bäume am User,
um ihn zu erspähen. Mein Svwar sah ihn zuerst und feuerte; der Tiger machte
einen 20 Fuß hohen Satz aus Ufer, da streckte ich ihn mit einer zweiten Kugel


Es war nahe an Sonnenuntergang, und nicht lange, so sah ich auch eine Ti¬
gerin kommen. Sie ging langsam grade auf den Platz zu, wo die Kuh zuerst
gelegen hatte; als sie aber ihren Irrthum gewahrte, änderte sie ihre Manier
ganz und gar — sie hielt, horchte, drehte sich, umkreiste seitwärts meinen Ban»,, in
der vorsichtigsten Weise fortschreitend, und versuchte dann, ans den Zehen stehend,
mit aufgerichtetem Nacken und Kopfe, dnrch das Laub zu spähen; wie sie so da¬
stand, das Haupthaar mit großem, langem Backenbart unter den Ohren, z» Berge
stehend, sah sie ans, wie wenn der Vollmond zwei Spitzohren trüge. Allmälig
naher gekommen, stand sie endlich nur noch dreißig Schritt von mir und wollte
eben mit aufrechtem Haupte die Zehe noch einen Schritt vorwärts heben, als
sie im Moment mit einem regulären Flapp todt auf die Seite kam — meine
Kugel hatte ihr das Genick gebrochen; eine zweite Kugel meines Sowars ging
ihr noch dnrch Bauch und Rücken. Sie hat die schönste, obgleich nicht sehr
große Haut, die ich je gesehen, nicht strohfarbig, wie sonst die Tiger, sondern
röthlich dunkelgelb mit vielen kohlschwarzen Streifen und Punkten, und schnee¬
weiß unter dem Leibe. Die Haut mißt zehn Fuß; ich habe die größte Schwie¬
rigkeit gehabt, sie zu präpariren; drei Tage lang tauchte ich sie in Alaun und Salz,
streckte sie dann aus und bedeckte sie mit gestoßener Kreide oder auch mit Saffran;
das Trocknen mißlingt in dieser Jahreszeit sehr leicht.

Bald darauf horte ich wiederum von einem Tiger, der zwei Bullochseu getödtet
habe, und zog mit 6 Sowars und 12 Treibern nach ihm aus. Kaum war ich
am Orte, wo er sich aufhielt, angekommen, so sprang er dicht zwischen zwei Sowars
durch; sie feuerten von ihren Bäumen, er überschlug sich, aber galoppirte weiter;
auch ich schickte ihm noch einen weiten Schuß nach, worauf er sein zweimaliges
Gebrüll ausstieß und verschwand. Vergebens verfolgten wir seine Bluispur, bis
durch Zufall einer von meinen drei Dienern, die an einem Hügel beisammen
saßen, das Gebrüll des Tigers täuschend nachahmte, um die Treiber zu er-
erschrecken, und sofort zum eigenen Schrecken von dem wirklichen Tiger Antwort
hielt. Dicht bei ihnen ans dem Gebüsch springend, verschwand derselbe in einer
Nulkas (Schlucht) — ich sprang sofort, ihm den Weg abzuschneiden und sah dabei
einen prächtigen schwarzgezeichncten (black tÄLLÜ) Tiger ruhig des Wegs schreitend.
Ich schoß und traf ihn durch die Schulter, da setzte er mit zweimaligem furcht¬
baren Gebrüll anf mich ein, daß ich kaum das „8-rupe <M pone" rufen und wir
alle uns aus die Bäume retten konnten. Bald darauf sahen wir deu Tiger auf
der freien Ebene; da es aber zu gefährlich gewesen sein würde, ihm jetzt nach¬
zugehen, so verschoben wir es bis aus den nächsten Tag und kehrten einstweilen
ins Cantonnement zurück. Am andern Tage fanden wir den Tiger fast an der¬
selben Stelle im Gebüsch, trieben ihn in eine Nulkas und bestiegen Bäume am User,
um ihn zu erspähen. Mein Svwar sah ihn zuerst und feuerte; der Tiger machte
einen 20 Fuß hohen Satz aus Ufer, da streckte ich ihn mit einer zweiten Kugel


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96706/295>, abgerufen am 10.06.2024.