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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band.

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Verschwendung. Aber, seltsam zu sagen, diese Schonung des jungen Nach¬
wuchses hat ihrer Rindviehzucht keineswegs aufgeholfen. In keinem Lande,
sah ich durchschnittlich so kleine Kühe, als eben hier.

Wie schon bemerkt ist Nustschuck einer der bedeutendsten Bindepunkte zwi¬
schen beiden Stromufern, und man darf behaupten, daß in keiner anderen
bulgarischen Stadt so viele Anknüpfungsfäden der Communication und des
commerciellen Verkehrs mit der Walachei wie eben hier sich finden. Nicht nur
liegt das jenseitige Giurgewo in dichtester Nähe, sondern auch Bukarest kann
man in der Zeitspanne einer kurzen Tagereise erreichen. Eben waren aus der
letzteren Hospodarenhauptstadt Nachrichten von dem Herannahen der russischen
Truppen eingelaufen, und mehre Konsuln hatten sich hinüber begeben, um
"Information" für ihre nächste Berichtabstattung zu holen. Die meisten dieser
Consuln sind hier wie in anderen türkischen Städten eigentliche diplomatische
Agenten. Sie sind im Durchschnitt gut bezahlt und widmen sich ausschließlich
ihren Amtsgeschäften. Auch der östreichische Lloyd (die Donaudampfschifffahrt-,
gesellschaft) hat hier ein größeres Comptoir und außerdem mehre Niederlag¬
häuser, die aus Gußeisen gebaut und von großer Länge waren; wenn ich
nicht irre, maß ein jedes neunzig Fuß und hatte, bei über fünfzehn Fuß Höhe,
vierundzwanzig Fuß Breite. Dessenungeachtet beliefen sich die Kosten eines
jeden nur auf achttausend Gulden, und sie hatten den Vortheil, völlige Ga¬
rantie gegen Feuersgefahr zu bieten.

Ich machte während meines Aufenthalts in Nustschuck, der etwa zehn
^age dauerte, verschiedene Ausflüge in die nächste Umgegend. Entzückend ist
das breite Mündungsthal des Lomflusses. Dieses kleine Gewässer gewinnt
kurz vor seinem Einfall in die Donau eine ausreichende Tiefe, um zweimastige
Kanonenböte tragen zu können. Von dieser Gattung von Fahrzeugen lagen
drei segelfertig in der Mündung; außerdem waren drei in der Ausrüstung
begriffen. Auch ein Dampfer fand sich vor. Es waren die Anfänge jener
Flotille, die nachher bedeutend verstärkt wurde und den Russen im letzten Win-
de.r so mannigfachen Schaden verursachte.

In den- letzten Tagen empfing ich die Einladung eines türkischen Obersten
zum Abendessen. Der Bey war mit einer Ungarin verheirathet, und, wiewol
geborner Türke, hatte dieser Umstand seinen Einfluß auf das Arrangement
seiner Häuslichkeit ausgeübt. Man speiste an einem großen runden Tische,
und mit silbernen Messern °und Gabeln, deren untadelhafter Glanz allerdings
verrieth, daß sie nicht oft zum Gebrauch hervorgeholt wurden. Recht ange¬
nehm berührte es mich zu hören, daß der mitessende, etwa zwölfjährige Sohn
des türkischen Obersten in einer französischen Pension zu Bukarest seither erzo¬
gen worden war, von wo der Vater ihn eben des Herannahens der Russen
wegen zurückberufen hatte. Der Bey ließ es sich viel kosten, um dem Jungen


Verschwendung. Aber, seltsam zu sagen, diese Schonung des jungen Nach¬
wuchses hat ihrer Rindviehzucht keineswegs aufgeholfen. In keinem Lande,
sah ich durchschnittlich so kleine Kühe, als eben hier.

Wie schon bemerkt ist Nustschuck einer der bedeutendsten Bindepunkte zwi¬
schen beiden Stromufern, und man darf behaupten, daß in keiner anderen
bulgarischen Stadt so viele Anknüpfungsfäden der Communication und des
commerciellen Verkehrs mit der Walachei wie eben hier sich finden. Nicht nur
liegt das jenseitige Giurgewo in dichtester Nähe, sondern auch Bukarest kann
man in der Zeitspanne einer kurzen Tagereise erreichen. Eben waren aus der
letzteren Hospodarenhauptstadt Nachrichten von dem Herannahen der russischen
Truppen eingelaufen, und mehre Konsuln hatten sich hinüber begeben, um
„Information" für ihre nächste Berichtabstattung zu holen. Die meisten dieser
Consuln sind hier wie in anderen türkischen Städten eigentliche diplomatische
Agenten. Sie sind im Durchschnitt gut bezahlt und widmen sich ausschließlich
ihren Amtsgeschäften. Auch der östreichische Lloyd (die Donaudampfschifffahrt-,
gesellschaft) hat hier ein größeres Comptoir und außerdem mehre Niederlag¬
häuser, die aus Gußeisen gebaut und von großer Länge waren; wenn ich
nicht irre, maß ein jedes neunzig Fuß und hatte, bei über fünfzehn Fuß Höhe,
vierundzwanzig Fuß Breite. Dessenungeachtet beliefen sich die Kosten eines
jeden nur auf achttausend Gulden, und sie hatten den Vortheil, völlige Ga¬
rantie gegen Feuersgefahr zu bieten.

Ich machte während meines Aufenthalts in Nustschuck, der etwa zehn
^age dauerte, verschiedene Ausflüge in die nächste Umgegend. Entzückend ist
das breite Mündungsthal des Lomflusses. Dieses kleine Gewässer gewinnt
kurz vor seinem Einfall in die Donau eine ausreichende Tiefe, um zweimastige
Kanonenböte tragen zu können. Von dieser Gattung von Fahrzeugen lagen
drei segelfertig in der Mündung; außerdem waren drei in der Ausrüstung
begriffen. Auch ein Dampfer fand sich vor. Es waren die Anfänge jener
Flotille, die nachher bedeutend verstärkt wurde und den Russen im letzten Win-
de.r so mannigfachen Schaden verursachte.

In den- letzten Tagen empfing ich die Einladung eines türkischen Obersten
zum Abendessen. Der Bey war mit einer Ungarin verheirathet, und, wiewol
geborner Türke, hatte dieser Umstand seinen Einfluß auf das Arrangement
seiner Häuslichkeit ausgeübt. Man speiste an einem großen runden Tische,
und mit silbernen Messern °und Gabeln, deren untadelhafter Glanz allerdings
verrieth, daß sie nicht oft zum Gebrauch hervorgeholt wurden. Recht ange¬
nehm berührte es mich zu hören, daß der mitessende, etwa zwölfjährige Sohn
des türkischen Obersten in einer französischen Pension zu Bukarest seither erzo¬
gen worden war, von wo der Vater ihn eben des Herannahens der Russen
wegen zurückberufen hatte. Der Bey ließ es sich viel kosten, um dem Jungen


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[0269] Verschwendung. Aber, seltsam zu sagen, diese Schonung des jungen Nach¬ wuchses hat ihrer Rindviehzucht keineswegs aufgeholfen. In keinem Lande, sah ich durchschnittlich so kleine Kühe, als eben hier. Wie schon bemerkt ist Nustschuck einer der bedeutendsten Bindepunkte zwi¬ schen beiden Stromufern, und man darf behaupten, daß in keiner anderen bulgarischen Stadt so viele Anknüpfungsfäden der Communication und des commerciellen Verkehrs mit der Walachei wie eben hier sich finden. Nicht nur liegt das jenseitige Giurgewo in dichtester Nähe, sondern auch Bukarest kann man in der Zeitspanne einer kurzen Tagereise erreichen. Eben waren aus der letzteren Hospodarenhauptstadt Nachrichten von dem Herannahen der russischen Truppen eingelaufen, und mehre Konsuln hatten sich hinüber begeben, um „Information" für ihre nächste Berichtabstattung zu holen. Die meisten dieser Consuln sind hier wie in anderen türkischen Städten eigentliche diplomatische Agenten. Sie sind im Durchschnitt gut bezahlt und widmen sich ausschließlich ihren Amtsgeschäften. Auch der östreichische Lloyd (die Donaudampfschifffahrt-, gesellschaft) hat hier ein größeres Comptoir und außerdem mehre Niederlag¬ häuser, die aus Gußeisen gebaut und von großer Länge waren; wenn ich nicht irre, maß ein jedes neunzig Fuß und hatte, bei über fünfzehn Fuß Höhe, vierundzwanzig Fuß Breite. Dessenungeachtet beliefen sich die Kosten eines jeden nur auf achttausend Gulden, und sie hatten den Vortheil, völlige Ga¬ rantie gegen Feuersgefahr zu bieten. Ich machte während meines Aufenthalts in Nustschuck, der etwa zehn ^age dauerte, verschiedene Ausflüge in die nächste Umgegend. Entzückend ist das breite Mündungsthal des Lomflusses. Dieses kleine Gewässer gewinnt kurz vor seinem Einfall in die Donau eine ausreichende Tiefe, um zweimastige Kanonenböte tragen zu können. Von dieser Gattung von Fahrzeugen lagen drei segelfertig in der Mündung; außerdem waren drei in der Ausrüstung begriffen. Auch ein Dampfer fand sich vor. Es waren die Anfänge jener Flotille, die nachher bedeutend verstärkt wurde und den Russen im letzten Win- de.r so mannigfachen Schaden verursachte. In den- letzten Tagen empfing ich die Einladung eines türkischen Obersten zum Abendessen. Der Bey war mit einer Ungarin verheirathet, und, wiewol geborner Türke, hatte dieser Umstand seinen Einfluß auf das Arrangement seiner Häuslichkeit ausgeübt. Man speiste an einem großen runden Tische, und mit silbernen Messern °und Gabeln, deren untadelhafter Glanz allerdings verrieth, daß sie nicht oft zum Gebrauch hervorgeholt wurden. Recht ange¬ nehm berührte es mich zu hören, daß der mitessende, etwa zwölfjährige Sohn des türkischen Obersten in einer französischen Pension zu Bukarest seither erzo¬ gen worden war, von wo der Vater ihn eben des Herannahens der Russen wegen zurückberufen hatte. Der Bey ließ es sich viel kosten, um dem Jungen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_281149/269>, abgerufen am 19.05.2024.