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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band.

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zum Abschluß, den sie herbeiführen, allgemeine Rechnungsablage zu machen.
Zwischen heute und dem russischen Donauübergange liegen nunmehr beinahe
drei Monate, die von beiden Seiten sehr verschieden angewendet worden sind.
Der Feind benutzte sie. um seine vordem über die große und kleine Walachei
ausgedehnten Streitmassen an der untersten Donau zu concentriren, die Do-
brudscha in Besitz zu nehmen, sich darin festzusetzen, namentlich auf der neuen
Operationsbasis (dem Trajanswall) sich zu etabliren und neue Verstärkungen aus
dem Innern Rußlands an sich zu ziehen; endlich gegen Silistria vorzugehen,
bei Kalarasch eine weitere Brücke über die Donau zu schlagen, einen Brücken¬
kops davor zu legen und die Belagerung in förmlicher Weise zu eröffnen.

Es sind dies Maßregeln, denen man einen strengen innern Zusammen¬
hang, die innewohnende Consequenz, nicht absprechen kann. Aber großartig
sind sie nicht, am mindesten genial. Es liegt auf der Hand, daß ein Na¬
poleon an Fürst Paskewitsch Stelle anders gehandelt haben würde; aber auch
ein nur eben mittelmäßiger General an der Spitze einer zuverlässigen Armee
würde kaum auf denselben Umwegen und so langsamen Schrittes dem Ziele
entgegengegangen sein. Doch hatte der russische Feldherr, der selbstredend
nur über russische Mittel gebietet, seine triftigen Gründe, nichts zu übereilen,
wofür-die Erfahrungen vor Silistria ein lautredender Beleg sind.

Omer Pascha, das muß man nicht vergessen, war nach dem feindlichen
Donauübergange an und für sich in weit ungünstigerer Lage, wie seine Gegner.
Es ist die unvermeidliche Wirkung eines jeden unerwarteten ungünstigen Er¬
eignisses im Kriege, daß es außer dem materiellen Eindruck auch einen und
oft viel tiefer greifenden und nachtheiligern moralischen hervorbringt. Die
Nachricht, daß die Donau, das während des Feldzugs für unüberwindlich
erachtete Hinderniß vor der türkischen Fronte vom Feinde, und zwar mit leichter
Mühe und ohne allen erheblichen Verlust überschritten worden sei, war ein
Donnerschlag für das osmanische Heer und es war gewiß schon aus diesem
Grunde weise, wenn Omer Pascha unter der Einwirkung der üblen Kunde nicht
schlagen wollte, sondern sich entschloß, in Schumla eine günstigere Stunde
für die Entscheidung zu erwarten. Außerdem, und dies war ein weit zwin¬
genderes Motiv, war im Augenblick des vollzogenen Uebergangs und der Be¬
sitznahme d.er Dobrudscha keine ausreichende Truppcnmacht unter den, Händen
des Serdars, mit der er es hätte wagen können, dem russischen Vormarsch
entgegenzutreten. Die Concentrirung seiner Armee in Schumla war daher
das zunächst Nothwendigste, was sich ihm aufdrängte. Er ordnete sie sofort
und ohne allen Zeitverlust an. Aber ihre Ausführung war keineswegs leicht
und konnte im besondern nicht eilfertig bewerkstelligt werden.

Omer Pascha konnte zunächst nicht die Donau rückwärts von Nassowa
von Truppen entblößen; Silistria hatte vorerst nur 10,300 Mann Besatzung


zum Abschluß, den sie herbeiführen, allgemeine Rechnungsablage zu machen.
Zwischen heute und dem russischen Donauübergange liegen nunmehr beinahe
drei Monate, die von beiden Seiten sehr verschieden angewendet worden sind.
Der Feind benutzte sie. um seine vordem über die große und kleine Walachei
ausgedehnten Streitmassen an der untersten Donau zu concentriren, die Do-
brudscha in Besitz zu nehmen, sich darin festzusetzen, namentlich auf der neuen
Operationsbasis (dem Trajanswall) sich zu etabliren und neue Verstärkungen aus
dem Innern Rußlands an sich zu ziehen; endlich gegen Silistria vorzugehen,
bei Kalarasch eine weitere Brücke über die Donau zu schlagen, einen Brücken¬
kops davor zu legen und die Belagerung in förmlicher Weise zu eröffnen.

Es sind dies Maßregeln, denen man einen strengen innern Zusammen¬
hang, die innewohnende Consequenz, nicht absprechen kann. Aber großartig
sind sie nicht, am mindesten genial. Es liegt auf der Hand, daß ein Na¬
poleon an Fürst Paskewitsch Stelle anders gehandelt haben würde; aber auch
ein nur eben mittelmäßiger General an der Spitze einer zuverlässigen Armee
würde kaum auf denselben Umwegen und so langsamen Schrittes dem Ziele
entgegengegangen sein. Doch hatte der russische Feldherr, der selbstredend
nur über russische Mittel gebietet, seine triftigen Gründe, nichts zu übereilen,
wofür-die Erfahrungen vor Silistria ein lautredender Beleg sind.

Omer Pascha, das muß man nicht vergessen, war nach dem feindlichen
Donauübergange an und für sich in weit ungünstigerer Lage, wie seine Gegner.
Es ist die unvermeidliche Wirkung eines jeden unerwarteten ungünstigen Er¬
eignisses im Kriege, daß es außer dem materiellen Eindruck auch einen und
oft viel tiefer greifenden und nachtheiligern moralischen hervorbringt. Die
Nachricht, daß die Donau, das während des Feldzugs für unüberwindlich
erachtete Hinderniß vor der türkischen Fronte vom Feinde, und zwar mit leichter
Mühe und ohne allen erheblichen Verlust überschritten worden sei, war ein
Donnerschlag für das osmanische Heer und es war gewiß schon aus diesem
Grunde weise, wenn Omer Pascha unter der Einwirkung der üblen Kunde nicht
schlagen wollte, sondern sich entschloß, in Schumla eine günstigere Stunde
für die Entscheidung zu erwarten. Außerdem, und dies war ein weit zwin¬
genderes Motiv, war im Augenblick des vollzogenen Uebergangs und der Be¬
sitznahme d.er Dobrudscha keine ausreichende Truppcnmacht unter den, Händen
des Serdars, mit der er es hätte wagen können, dem russischen Vormarsch
entgegenzutreten. Die Concentrirung seiner Armee in Schumla war daher
das zunächst Nothwendigste, was sich ihm aufdrängte. Er ordnete sie sofort
und ohne allen Zeitverlust an. Aber ihre Ausführung war keineswegs leicht
und konnte im besondern nicht eilfertig bewerkstelligt werden.

Omer Pascha konnte zunächst nicht die Donau rückwärts von Nassowa
von Truppen entblößen; Silistria hatte vorerst nur 10,300 Mann Besatzung


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_281149/34>, abgerufen am 19.05.2024.