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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band.

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die Hälfte der ganzen Zeitung ausfüllen -- ist mit geringerem Geschick, aber
mit gleichem Eifer in die Fußstapfen des Dichters getreten. Freilich ist die
Zeitung dann in der Regel so unparteiisch, auch die schlimmen Dinge, die
man von ihren Mitarbeitern sagen kann, in ihre Spalten aufzunehmen, wenn
diese nur gleichfalls in elegantem Stil geschrieben sind; und sie hat dieses
Recht der Unparteilichkeit auch gegen Heine in einem reichen Maße ausgeübt:
ja in einem Maße, das in dem Verhältniß einer Zeitung, zu ihren Mit¬
arbeitern fast über den guten Geschmack hinausgeht. Aber wir zweifeln, ob
durch eine solche nachträgliche Unparteilichkeit die Sache wieder gut gemacht
wird. Eine Zeitung hat zwar zunächst die Aufgabe, die Thatsachen so aus¬
führlich und so correct als möglich mitzutheilen, aber daneben doch wol auch
entschieden die zweite nicht minder wichtige, ihr Publicum zu festen politischen
Principien anzuleiten. Wir wollen nicht so engherzig sein, von einer weit-,
verbreiteten Zeitung die Haltung eines politischen Parteiblatts zu verlangen,
aber wenigstens muß sie alles vermeiden, was zu ihrer leitenden Tendenz in
einem gar zu argen Contrast steht. Nun steckt die Zeitung stets die Fahne
der deutschen Nationalität auf, wenn auch in andrem Sinne als wir, wozu sie
vollkommen das Recht hat, und wogegen wir nicht das geringste einzuwenden
haben. Aber wie man auch die deutsche Nationalität auffassen mag, das
jungdeutsche Feuilleton, waS sie durch alle ihre Spalten hinzieht, stimmt dazu
auf keine Weise. -- Heines Korrespondenzen zeichnen sich in der That durch
stilistische Eleganz und durch überraschende Einfälle aus. So schreibt sich z. B.
die Bezeichnung Napoleon des Friedens, die eine Zeitlang aus Ludwig Philipp
angewandt wurde, aus diesen Korrespondenzen her; aber von politischer Ein¬
sicht, von politischer Gesinnung und Ueberzeugung ist bei ihm durchaus keine
Rede. Er setzt seiner augenblicklichen Laune und Stimmung nicht den geringsten
Widerstand entgegen. Heine selbst ist stets der Mittelpunkt seiner. Gedanken;
und daher lebte er lange Zeit in dem krankhaften Wahn, alle Welt mache sich
über seine politische Consequenz, über seine Ehrlichkeit u. s. in. Gedanken, und
es käme dem Publicum vor allen Dingen daraus an, nicht ob es zwischen
England und Frankreich zum Krieg kommen werde, sondern vo Heine von
Ludwig Philipp erkauft sei oder nicht. Er hat daher seine Correspondenzen
durch eine Reihe von Nachträgen erweitert, worin er die UnHaltbarkeit dieses
Verdachts nachzuweisen sucht: nach unsrer Ansicht sein überflüssig, denn wenn
Ludwig Philipp bei der Pension, die er dem deutschen Dichter ertheilte, wirklich
die Absicht gehabt hat, ihn zum Reden oder Schweigen zu bringen, so ist er
ein leichtsinniger Verschwender gewesen. Ueberhaupt macht sich Heine von
seinem Einfluß ganz falsche Vorstellungen. Jedermann liest seine Späße mit
Behagen, freut sich an seinen Witzen, auch wenn sie grob sind, und für die¬
jenigen, die es trifft, mag es unbequem genug sein; grade wie wenn man


die Hälfte der ganzen Zeitung ausfüllen — ist mit geringerem Geschick, aber
mit gleichem Eifer in die Fußstapfen des Dichters getreten. Freilich ist die
Zeitung dann in der Regel so unparteiisch, auch die schlimmen Dinge, die
man von ihren Mitarbeitern sagen kann, in ihre Spalten aufzunehmen, wenn
diese nur gleichfalls in elegantem Stil geschrieben sind; und sie hat dieses
Recht der Unparteilichkeit auch gegen Heine in einem reichen Maße ausgeübt:
ja in einem Maße, das in dem Verhältniß einer Zeitung, zu ihren Mit¬
arbeitern fast über den guten Geschmack hinausgeht. Aber wir zweifeln, ob
durch eine solche nachträgliche Unparteilichkeit die Sache wieder gut gemacht
wird. Eine Zeitung hat zwar zunächst die Aufgabe, die Thatsachen so aus¬
führlich und so correct als möglich mitzutheilen, aber daneben doch wol auch
entschieden die zweite nicht minder wichtige, ihr Publicum zu festen politischen
Principien anzuleiten. Wir wollen nicht so engherzig sein, von einer weit-,
verbreiteten Zeitung die Haltung eines politischen Parteiblatts zu verlangen,
aber wenigstens muß sie alles vermeiden, was zu ihrer leitenden Tendenz in
einem gar zu argen Contrast steht. Nun steckt die Zeitung stets die Fahne
der deutschen Nationalität auf, wenn auch in andrem Sinne als wir, wozu sie
vollkommen das Recht hat, und wogegen wir nicht das geringste einzuwenden
haben. Aber wie man auch die deutsche Nationalität auffassen mag, das
jungdeutsche Feuilleton, waS sie durch alle ihre Spalten hinzieht, stimmt dazu
auf keine Weise. — Heines Korrespondenzen zeichnen sich in der That durch
stilistische Eleganz und durch überraschende Einfälle aus. So schreibt sich z. B.
die Bezeichnung Napoleon des Friedens, die eine Zeitlang aus Ludwig Philipp
angewandt wurde, aus diesen Korrespondenzen her; aber von politischer Ein¬
sicht, von politischer Gesinnung und Ueberzeugung ist bei ihm durchaus keine
Rede. Er setzt seiner augenblicklichen Laune und Stimmung nicht den geringsten
Widerstand entgegen. Heine selbst ist stets der Mittelpunkt seiner. Gedanken;
und daher lebte er lange Zeit in dem krankhaften Wahn, alle Welt mache sich
über seine politische Consequenz, über seine Ehrlichkeit u. s. in. Gedanken, und
es käme dem Publicum vor allen Dingen daraus an, nicht ob es zwischen
England und Frankreich zum Krieg kommen werde, sondern vo Heine von
Ludwig Philipp erkauft sei oder nicht. Er hat daher seine Correspondenzen
durch eine Reihe von Nachträgen erweitert, worin er die UnHaltbarkeit dieses
Verdachts nachzuweisen sucht: nach unsrer Ansicht sein überflüssig, denn wenn
Ludwig Philipp bei der Pension, die er dem deutschen Dichter ertheilte, wirklich
die Absicht gehabt hat, ihn zum Reden oder Schweigen zu bringen, so ist er
ein leichtsinniger Verschwender gewesen. Ueberhaupt macht sich Heine von
seinem Einfluß ganz falsche Vorstellungen. Jedermann liest seine Späße mit
Behagen, freut sich an seinen Witzen, auch wenn sie grob sind, und für die¬
jenigen, die es trifft, mag es unbequem genug sein; grade wie wenn man


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_96706/175>, abgerufen am 28.05.2024.