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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band.

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Küchentisch in Beschlag nahm, wurde der andre von mir zum Präparirtisch be¬
stimmt. Die Schlucht siel gegen Süd ab und theilte sich in mehre andre
Thäler, wahrend sie, gegen Nord aufwärts steigend, einige Stunden von un¬
srem Lager durch schneebedeckte Felsmassen geschlossen wurde.

Der Jäger und ich richteten uns ein grobes Tuch, in welchem ein Theil
der mitgebrachten Vorräthe eingeschlagen waren, zum Zelte zu, welches zwar
nur etwa den Kopf und einen Theil des Leibes bedeckte, und vorn und hinten
geöffnet war, indessen doch in etwas gegen den fallenden Thau schützte. Wir
hatten von Santjago Nägel mitgenommen, welche in einige Bäume geschlagen
wurden und zum Aufhängen der Instrumente, des Barometers, Thermometers
und Hygrometers, der Waffen und andern Utensilien dienten, und so war
unsre einfache Einrichtung bald vollendet.

Aehnlich wie in der Stadt wurde auch hier die Zeit eingetheilt, indem ein
Tag zum Sammeln, Jagen und Beobachten, der andre zum Präpariren und
Ordnen des Erworbenen bestimmt wurde. Bisweilen zusammen, Meist aber
vereinzelt .oder von einem der Knechte begleitet, unternahmen wir unsre Streif¬
züge, von welchen wir manchmal bei Zeiten, oft aber erst spät in der Nacht
heimkehrten, denn wir hatten die Umgegend bald so kennen gelernt, daß an
kein Verirren mehr zu denken war.

Große Gelehrte, sowie auch andre Reisende haben die Cordillera geschildert
und die mächtigen Eindrücke, welche sie auf den Besuchenden hervorbringt, und
ich glaube nicht, daß je einer derselben zuviel gesagt hat von der Großartigkeit
jener Massen. Der Charakter des wild Pittoresken ist zwar stets der vorherr¬
schende, aber in so unendlich vielen Abstufungen und häusig in so rascher Ab¬
wechslung, daß eben, wie mir dünkt, hierin einer der größten Reize jenes mäch¬
tigen Gebirges liegt. Das Gebirge steigt fortwährend terassenförmig in die
Höhe. Man steht auf einer solchen Terasse und vor uns steigt eine mit
Firnschnee allenthalben bedeckte Felswand an, die man unbedingt für den höch¬
sten Punkt, der Umgebung halten muß. Endlich ist es gelungen, nicht ohne
Gefahr einen Aufweg zu finden, man klettert an steilen Felsen, man geht über
tiefe, hartgefrorene Schneemassen, welche glücklicherweise eine Schlucht ausfüllen,
und der Fels, der'anfänglich immer höher zu werden scheint, je höher man
klimmt, ist endlich erstiegen. Man ist auf einer Ebene, wo sich kaum Schnee
befindet, ja wo vielleicht selbst hie und da eine einzelne Sarifraga am Gesteine
wuchert. Aber in einiger Entfernung steigt eine neue Felswand empor, mäch¬
tiger als die vorige und spottend jedem Versuche, sie zu ersteigen. Ist aber
bei einer oder der andern dies vielleicht doch gelungen, so wiederholt sich oben
das Schauspiel und man sieht, daß in einer unzähligen Menge solcher Ricsen-
stufen das Gebirge anwärts steigt. Häufig ist auf solchen Ebenen der lachendste
Sonnenschein und eine fast drückende Hitze, aber vom Rande des Plateaus


Grcnzboteii. IV. -I8si. 23

Küchentisch in Beschlag nahm, wurde der andre von mir zum Präparirtisch be¬
stimmt. Die Schlucht siel gegen Süd ab und theilte sich in mehre andre
Thäler, wahrend sie, gegen Nord aufwärts steigend, einige Stunden von un¬
srem Lager durch schneebedeckte Felsmassen geschlossen wurde.

Der Jäger und ich richteten uns ein grobes Tuch, in welchem ein Theil
der mitgebrachten Vorräthe eingeschlagen waren, zum Zelte zu, welches zwar
nur etwa den Kopf und einen Theil des Leibes bedeckte, und vorn und hinten
geöffnet war, indessen doch in etwas gegen den fallenden Thau schützte. Wir
hatten von Santjago Nägel mitgenommen, welche in einige Bäume geschlagen
wurden und zum Aufhängen der Instrumente, des Barometers, Thermometers
und Hygrometers, der Waffen und andern Utensilien dienten, und so war
unsre einfache Einrichtung bald vollendet.

Aehnlich wie in der Stadt wurde auch hier die Zeit eingetheilt, indem ein
Tag zum Sammeln, Jagen und Beobachten, der andre zum Präpariren und
Ordnen des Erworbenen bestimmt wurde. Bisweilen zusammen, Meist aber
vereinzelt .oder von einem der Knechte begleitet, unternahmen wir unsre Streif¬
züge, von welchen wir manchmal bei Zeiten, oft aber erst spät in der Nacht
heimkehrten, denn wir hatten die Umgegend bald so kennen gelernt, daß an
kein Verirren mehr zu denken war.

Große Gelehrte, sowie auch andre Reisende haben die Cordillera geschildert
und die mächtigen Eindrücke, welche sie auf den Besuchenden hervorbringt, und
ich glaube nicht, daß je einer derselben zuviel gesagt hat von der Großartigkeit
jener Massen. Der Charakter des wild Pittoresken ist zwar stets der vorherr¬
schende, aber in so unendlich vielen Abstufungen und häusig in so rascher Ab¬
wechslung, daß eben, wie mir dünkt, hierin einer der größten Reize jenes mäch¬
tigen Gebirges liegt. Das Gebirge steigt fortwährend terassenförmig in die
Höhe. Man steht auf einer solchen Terasse und vor uns steigt eine mit
Firnschnee allenthalben bedeckte Felswand an, die man unbedingt für den höch¬
sten Punkt, der Umgebung halten muß. Endlich ist es gelungen, nicht ohne
Gefahr einen Aufweg zu finden, man klettert an steilen Felsen, man geht über
tiefe, hartgefrorene Schneemassen, welche glücklicherweise eine Schlucht ausfüllen,
und der Fels, der'anfänglich immer höher zu werden scheint, je höher man
klimmt, ist endlich erstiegen. Man ist auf einer Ebene, wo sich kaum Schnee
befindet, ja wo vielleicht selbst hie und da eine einzelne Sarifraga am Gesteine
wuchert. Aber in einiger Entfernung steigt eine neue Felswand empor, mäch¬
tiger als die vorige und spottend jedem Versuche, sie zu ersteigen. Ist aber
bei einer oder der andern dies vielleicht doch gelungen, so wiederholt sich oben
das Schauspiel und man sieht, daß in einer unzähligen Menge solcher Ricsen-
stufen das Gebirge anwärts steigt. Häufig ist auf solchen Ebenen der lachendste
Sonnenschein und eine fast drückende Hitze, aber vom Rande des Plateaus


Grcnzboteii. IV. -I8si. 23
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_96706/185>, abgerufen am 17.06.2024.