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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band.

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gegen Kronstäbe errichten. Wenn die Westmächte auf die Nothwendigkeit dieser
Neugestaltung eingehen, so ist die Demüthigung Rußlands gewiß, und sie ist
auf keine andere Weise zu erzielen.

Revision des Londoner Protokolls über die dänische Erbfolge! Das ist
das Feldgeschrei, unter welchem ganz Deutschland sich auf die Seite der Wcst-
mächte stellen wird. Sie ist für Deutschland nicht nur eine Frage der poli¬
tischen Nothwendigkeit, sondern eine Pflicht gegen die unglücklichen stammver-
> wandten Provinzen, die sür Deutschland soviel gelitten haben und denen so
schlecht gelohnt worden ist. Wer sich davon überzeugen will, wie es unsern
deutschen Brüdern unter dem dänischen Regiment ergeht, der studire die Schrift:

Die Danisirung des Herzogthums Schleswig und die Verwüstung
von Kirche und Schule. Von Pastor Hansen. Leipzig, Nemmclmann. --

Mit ergreifender Wahrheit wird in derselben dargestellt, was wir gut zu
machen haben und was uns noch für Verluste in Aussicht stehen, wenn wir
länger säumen.

Aus jener Verstimmung der Presse läßt sich erklären, daß man auf ein
Ereigniß, welches nach unsrer Ansicht sehr unerheblich'ist, eine ganz unge¬
bührliche Wichtigkeit legt. Wir meinen die Ausweisung Svulvs aus Frank¬
reich, die auch unser Pariser Korrespondent für ein sehr ernstes Ereigniß hält.
Wir sind über die Details des Falls nicht genau genug unterrichtet, um zu
entscheiden, was auf beiden Seiten gefehlt sein mag; aber soviel muß für
jeden unbefangenen Beobachter klar sein; daß die regierende Demokratie
Amerikas dergleichen Ereignisse mit Gewalt provocirt. Einen offenen Be¬
günstiger des Raubzuges nach Cuba als Bevollmächtigten nach Spanien zu
schicken, war von Seiten der amerikanischen Regierung gelinde gesagt eine
Taktlosigkeit, sür die sie hätte büßen müssen, wenn die Beleidigung nicht einem
so sehr geschwächten Staat widerfahren wäre. Daß aber dieser halbtolle De¬
mokrat durch seine officielle Stellung in Madrid den Freibrief haben soll,
mit den Revolutionärs aller europäischen Länder Verbindungen anzuknüpfen
und Unruhen hervorzurufen, die nur Rußland zugute kommen können, das
ist eine Naivetät, die allenfalls in den "Eisenfresser" von Neuyork gehört,
wie ihn uns Dickens geschildert hat, aber nicht in das europäische Völker¬
recht. Wenn die Regierung von Washington in der That niedrig genug
denkt, die gegenwärtige Verwirrung zu einer Verbindung mit Rußland zu
benutzen, so werden diese Sklavenzüchter wol bald empfinden, daß ihr Staats¬
wesen auch noch lange nicht sest genug ist, um ohne Gefahr darin rühren
zu können.

Wir wenden uns zu einem erfreulichem Umstand. Der gegenwärtige
Krieg, so schreckliche Dinge er auch hervorrufen wird, spricht doch sür den


gegen Kronstäbe errichten. Wenn die Westmächte auf die Nothwendigkeit dieser
Neugestaltung eingehen, so ist die Demüthigung Rußlands gewiß, und sie ist
auf keine andere Weise zu erzielen.

Revision des Londoner Protokolls über die dänische Erbfolge! Das ist
das Feldgeschrei, unter welchem ganz Deutschland sich auf die Seite der Wcst-
mächte stellen wird. Sie ist für Deutschland nicht nur eine Frage der poli¬
tischen Nothwendigkeit, sondern eine Pflicht gegen die unglücklichen stammver-
> wandten Provinzen, die sür Deutschland soviel gelitten haben und denen so
schlecht gelohnt worden ist. Wer sich davon überzeugen will, wie es unsern
deutschen Brüdern unter dem dänischen Regiment ergeht, der studire die Schrift:

Die Danisirung des Herzogthums Schleswig und die Verwüstung
von Kirche und Schule. Von Pastor Hansen. Leipzig, Nemmclmann. —

Mit ergreifender Wahrheit wird in derselben dargestellt, was wir gut zu
machen haben und was uns noch für Verluste in Aussicht stehen, wenn wir
länger säumen.

Aus jener Verstimmung der Presse läßt sich erklären, daß man auf ein
Ereigniß, welches nach unsrer Ansicht sehr unerheblich'ist, eine ganz unge¬
bührliche Wichtigkeit legt. Wir meinen die Ausweisung Svulvs aus Frank¬
reich, die auch unser Pariser Korrespondent für ein sehr ernstes Ereigniß hält.
Wir sind über die Details des Falls nicht genau genug unterrichtet, um zu
entscheiden, was auf beiden Seiten gefehlt sein mag; aber soviel muß für
jeden unbefangenen Beobachter klar sein; daß die regierende Demokratie
Amerikas dergleichen Ereignisse mit Gewalt provocirt. Einen offenen Be¬
günstiger des Raubzuges nach Cuba als Bevollmächtigten nach Spanien zu
schicken, war von Seiten der amerikanischen Regierung gelinde gesagt eine
Taktlosigkeit, sür die sie hätte büßen müssen, wenn die Beleidigung nicht einem
so sehr geschwächten Staat widerfahren wäre. Daß aber dieser halbtolle De¬
mokrat durch seine officielle Stellung in Madrid den Freibrief haben soll,
mit den Revolutionärs aller europäischen Länder Verbindungen anzuknüpfen
und Unruhen hervorzurufen, die nur Rußland zugute kommen können, das
ist eine Naivetät, die allenfalls in den „Eisenfresser" von Neuyork gehört,
wie ihn uns Dickens geschildert hat, aber nicht in das europäische Völker¬
recht. Wenn die Regierung von Washington in der That niedrig genug
denkt, die gegenwärtige Verwirrung zu einer Verbindung mit Rußland zu
benutzen, so werden diese Sklavenzüchter wol bald empfinden, daß ihr Staats¬
wesen auch noch lange nicht sest genug ist, um ohne Gefahr darin rühren
zu können.

Wir wenden uns zu einem erfreulichem Umstand. Der gegenwärtige
Krieg, so schreckliche Dinge er auch hervorrufen wird, spricht doch sür den


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[0286] gegen Kronstäbe errichten. Wenn die Westmächte auf die Nothwendigkeit dieser Neugestaltung eingehen, so ist die Demüthigung Rußlands gewiß, und sie ist auf keine andere Weise zu erzielen. Revision des Londoner Protokolls über die dänische Erbfolge! Das ist das Feldgeschrei, unter welchem ganz Deutschland sich auf die Seite der Wcst- mächte stellen wird. Sie ist für Deutschland nicht nur eine Frage der poli¬ tischen Nothwendigkeit, sondern eine Pflicht gegen die unglücklichen stammver- > wandten Provinzen, die sür Deutschland soviel gelitten haben und denen so schlecht gelohnt worden ist. Wer sich davon überzeugen will, wie es unsern deutschen Brüdern unter dem dänischen Regiment ergeht, der studire die Schrift: Die Danisirung des Herzogthums Schleswig und die Verwüstung von Kirche und Schule. Von Pastor Hansen. Leipzig, Nemmclmann. — Mit ergreifender Wahrheit wird in derselben dargestellt, was wir gut zu machen haben und was uns noch für Verluste in Aussicht stehen, wenn wir länger säumen. Aus jener Verstimmung der Presse läßt sich erklären, daß man auf ein Ereigniß, welches nach unsrer Ansicht sehr unerheblich'ist, eine ganz unge¬ bührliche Wichtigkeit legt. Wir meinen die Ausweisung Svulvs aus Frank¬ reich, die auch unser Pariser Korrespondent für ein sehr ernstes Ereigniß hält. Wir sind über die Details des Falls nicht genau genug unterrichtet, um zu entscheiden, was auf beiden Seiten gefehlt sein mag; aber soviel muß für jeden unbefangenen Beobachter klar sein; daß die regierende Demokratie Amerikas dergleichen Ereignisse mit Gewalt provocirt. Einen offenen Be¬ günstiger des Raubzuges nach Cuba als Bevollmächtigten nach Spanien zu schicken, war von Seiten der amerikanischen Regierung gelinde gesagt eine Taktlosigkeit, sür die sie hätte büßen müssen, wenn die Beleidigung nicht einem so sehr geschwächten Staat widerfahren wäre. Daß aber dieser halbtolle De¬ mokrat durch seine officielle Stellung in Madrid den Freibrief haben soll, mit den Revolutionärs aller europäischen Länder Verbindungen anzuknüpfen und Unruhen hervorzurufen, die nur Rußland zugute kommen können, das ist eine Naivetät, die allenfalls in den „Eisenfresser" von Neuyork gehört, wie ihn uns Dickens geschildert hat, aber nicht in das europäische Völker¬ recht. Wenn die Regierung von Washington in der That niedrig genug denkt, die gegenwärtige Verwirrung zu einer Verbindung mit Rußland zu benutzen, so werden diese Sklavenzüchter wol bald empfinden, daß ihr Staats¬ wesen auch noch lange nicht sest genug ist, um ohne Gefahr darin rühren zu können. Wir wenden uns zu einem erfreulichem Umstand. Der gegenwärtige Krieg, so schreckliche Dinge er auch hervorrufen wird, spricht doch sür den

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_96706/286>, abgerufen am 28.05.2024.