Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>
Fromme Schriften.
In der Stille. Trösteinsamkeit in Lied und Spruch. Von Carl Sudhosf.
Breslau, F. Hirt. S. Band. --
Geistliche Charaktere. Jllustrirt durch Originalzeichnungen bekannter Künstler.
Band -I und 2, enthält: A. H. Francke, Elisabeth Fry und Sarah Martl".
Von Rosalie Koch. Breslau, F. Hirt. --
Stillleben und Weltleben. Ein Buch für die weibliche Jugend. Von Ro¬
salie Koch. Mit Illustrationen von H. Bürkncr. Breslau, F. Hirt. --

Ob es ein günstiges Zeichen für die neuerwachte Frömmigkeit des deut¬
schen Volks ist, daß man sie wie eine Modesache behandelt, daß man in den
christlichen Werken das Nützliche mit dem Angenehmen, das belletristische In¬
teresse mit der Erbauung verbindet, wollen wir dahingestellt sein lassen. In
jedem Fall ist das Factum zu constatiren. Unter den belletristischen Erscheinun¬
gen der neuesten Zeit mach enteilte soviel Glück als diejenigen, die durch Fröm¬
migkeit gewürzt sind; und so läßt sich denn auch den vorliegenden Schriften
ein großer Erfolg versprechen, da sie innerhalb dieser belletristisch-religiösen
Literatur eine sehr ehrenvolle Stelle einnehmen.

Die "Trösteinsamkeit" enthält eine Sammlung religiöser Lieder, von den
verschiedensten Verfassern, Protestanten und Katholiken, darunter zum Theil die
bedeutendsten Namen unsrer Literatur. Die Biographien von Hermann Francke
und Elisabeth Fry werden auch diejenigen interessiren, die nicht grade der pie¬
tistischen Richtung angehören; denn diese beiden Personen haben, abgesehen von
ihrem Pietismus, in der That ein christliches Leben im edelsten Sinne des
Worts geführt, und ihr Andenken kann in einer Zeit, die sich allzusehr in den
Materialismus verstrickt, darauf hinweisen, daß Aufopferungsfähigkeit und
Bruderliebe in den bessern Gemüthern sich doch noch immer geltendmachen.
Die Erzählung ist im allgemeinen gut und verständig, wenn sie auch nicht ganz
den süßlichen Beischmack verleugnet, ohne den der Pietismus einmal nicht ge¬
dacht werden kann.

Unter den Holzschnitten sind einzelne ganz vortrefflich, namentlich das
Porträt der Elisabeth Fry im Alter; aber auch unter den freien Conipositionen
sind einzelne mit Gemüthlichkeit und künstlerischem Geschmack ausgeführt.

Leider ist der beste Schriftsteller dieser Richtung, Jeremias Gotthelf, soeben
gestorben. Er war vielleicht der einzige, in dem das Christenthum und die
Poesie zu einem gleichmäßig kräftigen Ausdruck kamen, der einzige, der die
Tendenz der Erbauung mit den höheren künstlerischen Zwecken auf das glück¬
lichste vereinigt hat.



Fromme Schriften.
In der Stille. Trösteinsamkeit in Lied und Spruch. Von Carl Sudhosf.
Breslau, F. Hirt. S. Band. —
Geistliche Charaktere. Jllustrirt durch Originalzeichnungen bekannter Künstler.
Band -I und 2, enthält: A. H. Francke, Elisabeth Fry und Sarah Martl».
Von Rosalie Koch. Breslau, F. Hirt. —
Stillleben und Weltleben. Ein Buch für die weibliche Jugend. Von Ro¬
salie Koch. Mit Illustrationen von H. Bürkncr. Breslau, F. Hirt. —

Ob es ein günstiges Zeichen für die neuerwachte Frömmigkeit des deut¬
schen Volks ist, daß man sie wie eine Modesache behandelt, daß man in den
christlichen Werken das Nützliche mit dem Angenehmen, das belletristische In¬
teresse mit der Erbauung verbindet, wollen wir dahingestellt sein lassen. In
jedem Fall ist das Factum zu constatiren. Unter den belletristischen Erscheinun¬
gen der neuesten Zeit mach enteilte soviel Glück als diejenigen, die durch Fröm¬
migkeit gewürzt sind; und so läßt sich denn auch den vorliegenden Schriften
ein großer Erfolg versprechen, da sie innerhalb dieser belletristisch-religiösen
Literatur eine sehr ehrenvolle Stelle einnehmen.

Die „Trösteinsamkeit" enthält eine Sammlung religiöser Lieder, von den
verschiedensten Verfassern, Protestanten und Katholiken, darunter zum Theil die
bedeutendsten Namen unsrer Literatur. Die Biographien von Hermann Francke
und Elisabeth Fry werden auch diejenigen interessiren, die nicht grade der pie¬
tistischen Richtung angehören; denn diese beiden Personen haben, abgesehen von
ihrem Pietismus, in der That ein christliches Leben im edelsten Sinne des
Worts geführt, und ihr Andenken kann in einer Zeit, die sich allzusehr in den
Materialismus verstrickt, darauf hinweisen, daß Aufopferungsfähigkeit und
Bruderliebe in den bessern Gemüthern sich doch noch immer geltendmachen.
Die Erzählung ist im allgemeinen gut und verständig, wenn sie auch nicht ganz
den süßlichen Beischmack verleugnet, ohne den der Pietismus einmal nicht ge¬
dacht werden kann.

Unter den Holzschnitten sind einzelne ganz vortrefflich, namentlich das
Porträt der Elisabeth Fry im Alter; aber auch unter den freien Conipositionen
sind einzelne mit Gemüthlichkeit und künstlerischem Geschmack ausgeführt.

Leider ist der beste Schriftsteller dieser Richtung, Jeremias Gotthelf, soeben
gestorben. Er war vielleicht der einzige, in dem das Christenthum und die
Poesie zu einem gleichmäßig kräftigen Ausdruck kamen, der einzige, der die
Tendenz der Erbauung mit den höheren künstlerischen Zwecken auf das glück¬
lichste vereinigt hat.



<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0324" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/98638"/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Fromme Schriften.</head><lb/>
          <list>
            <item> In der Stille.  Trösteinsamkeit in Lied und Spruch.  Von Carl Sudhosf.<lb/>
Breslau, F. Hirt. S. Band. &#x2014;</item>
            <item> Geistliche Charaktere. Jllustrirt durch Originalzeichnungen bekannter Künstler.<lb/>
Band -I und 2, enthält: A. H. Francke, Elisabeth Fry und Sarah Martl».<lb/>
Von Rosalie Koch.  Breslau, F. Hirt. &#x2014;</item>
            <item> Stillleben und Weltleben.  Ein Buch für die weibliche Jugend.  Von Ro¬<lb/>
salie Koch.  Mit Illustrationen von H. Bürkncr.  Breslau, F. Hirt. &#x2014;</item>
          </list><lb/>
          <p xml:id="ID_1043"> Ob es ein günstiges Zeichen für die neuerwachte Frömmigkeit des deut¬<lb/>
schen Volks ist, daß man sie wie eine Modesache behandelt, daß man in den<lb/>
christlichen Werken das Nützliche mit dem Angenehmen, das belletristische In¬<lb/>
teresse mit der Erbauung verbindet, wollen wir dahingestellt sein lassen. In<lb/>
jedem Fall ist das Factum zu constatiren. Unter den belletristischen Erscheinun¬<lb/>
gen der neuesten Zeit mach enteilte soviel Glück als diejenigen, die durch Fröm¬<lb/>
migkeit gewürzt sind; und so läßt sich denn auch den vorliegenden Schriften<lb/>
ein großer Erfolg versprechen, da sie innerhalb dieser belletristisch-religiösen<lb/>
Literatur eine sehr ehrenvolle Stelle einnehmen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1044"> Die &#x201E;Trösteinsamkeit" enthält eine Sammlung religiöser Lieder, von den<lb/>
verschiedensten Verfassern, Protestanten und Katholiken, darunter zum Theil die<lb/>
bedeutendsten Namen unsrer Literatur. Die Biographien von Hermann Francke<lb/>
und Elisabeth Fry werden auch diejenigen interessiren, die nicht grade der pie¬<lb/>
tistischen Richtung angehören; denn diese beiden Personen haben, abgesehen von<lb/>
ihrem Pietismus, in der That ein christliches Leben im edelsten Sinne des<lb/>
Worts geführt, und ihr Andenken kann in einer Zeit, die sich allzusehr in den<lb/>
Materialismus verstrickt, darauf hinweisen, daß Aufopferungsfähigkeit und<lb/>
Bruderliebe in den bessern Gemüthern sich doch noch immer geltendmachen.<lb/>
Die Erzählung ist im allgemeinen gut und verständig, wenn sie auch nicht ganz<lb/>
den süßlichen Beischmack verleugnet, ohne den der Pietismus einmal nicht ge¬<lb/>
dacht werden kann.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1045"> Unter den Holzschnitten sind einzelne ganz vortrefflich, namentlich das<lb/>
Porträt der Elisabeth Fry im Alter; aber auch unter den freien Conipositionen<lb/>
sind einzelne mit Gemüthlichkeit und künstlerischem Geschmack ausgeführt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1046"> Leider ist der beste Schriftsteller dieser Richtung, Jeremias Gotthelf, soeben<lb/>
gestorben. Er war vielleicht der einzige, in dem das Christenthum und die<lb/>
Poesie zu einem gleichmäßig kräftigen Ausdruck kamen, der einzige, der die<lb/>
Tendenz der Erbauung mit den höheren künstlerischen Zwecken auf das glück¬<lb/>
lichste vereinigt hat.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0324] Fromme Schriften. In der Stille. Trösteinsamkeit in Lied und Spruch. Von Carl Sudhosf. Breslau, F. Hirt. S. Band. — Geistliche Charaktere. Jllustrirt durch Originalzeichnungen bekannter Künstler. Band -I und 2, enthält: A. H. Francke, Elisabeth Fry und Sarah Martl». Von Rosalie Koch. Breslau, F. Hirt. — Stillleben und Weltleben. Ein Buch für die weibliche Jugend. Von Ro¬ salie Koch. Mit Illustrationen von H. Bürkncr. Breslau, F. Hirt. — Ob es ein günstiges Zeichen für die neuerwachte Frömmigkeit des deut¬ schen Volks ist, daß man sie wie eine Modesache behandelt, daß man in den christlichen Werken das Nützliche mit dem Angenehmen, das belletristische In¬ teresse mit der Erbauung verbindet, wollen wir dahingestellt sein lassen. In jedem Fall ist das Factum zu constatiren. Unter den belletristischen Erscheinun¬ gen der neuesten Zeit mach enteilte soviel Glück als diejenigen, die durch Fröm¬ migkeit gewürzt sind; und so läßt sich denn auch den vorliegenden Schriften ein großer Erfolg versprechen, da sie innerhalb dieser belletristisch-religiösen Literatur eine sehr ehrenvolle Stelle einnehmen. Die „Trösteinsamkeit" enthält eine Sammlung religiöser Lieder, von den verschiedensten Verfassern, Protestanten und Katholiken, darunter zum Theil die bedeutendsten Namen unsrer Literatur. Die Biographien von Hermann Francke und Elisabeth Fry werden auch diejenigen interessiren, die nicht grade der pie¬ tistischen Richtung angehören; denn diese beiden Personen haben, abgesehen von ihrem Pietismus, in der That ein christliches Leben im edelsten Sinne des Worts geführt, und ihr Andenken kann in einer Zeit, die sich allzusehr in den Materialismus verstrickt, darauf hinweisen, daß Aufopferungsfähigkeit und Bruderliebe in den bessern Gemüthern sich doch noch immer geltendmachen. Die Erzählung ist im allgemeinen gut und verständig, wenn sie auch nicht ganz den süßlichen Beischmack verleugnet, ohne den der Pietismus einmal nicht ge¬ dacht werden kann. Unter den Holzschnitten sind einzelne ganz vortrefflich, namentlich das Porträt der Elisabeth Fry im Alter; aber auch unter den freien Conipositionen sind einzelne mit Gemüthlichkeit und künstlerischem Geschmack ausgeführt. Leider ist der beste Schriftsteller dieser Richtung, Jeremias Gotthelf, soeben gestorben. Er war vielleicht der einzige, in dem das Christenthum und die Poesie zu einem gleichmäßig kräftigen Ausdruck kamen, der einzige, der die Tendenz der Erbauung mit den höheren künstlerischen Zwecken auf das glück¬ lichste vereinigt hat.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_96706
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_96706/324
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_96706/324>, abgerufen am 28.05.2024.