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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band.

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Häuptlinge vom Stamme der Abassen an Bord gekommen, sich vielfach entschul¬
digt und die Mittheilung gemacht hätten, daß sie soeben Nedut-Kate genommen
und in Brand gesteckt, den französischen Steamer aber irrthümlicherweise für einen
russischen genommen hätten.

Wenn sich diese Nachricht bestätigen sollte, so wäre Rußland fortan auf die
Straße über den Kaukasus nach Tiflis für seine Verbindung mit den asiatischen
Provinzen zwischen dem kaspischen Meer und dem Pontus beschränkt, denn die
östliche Straße, welche jenem Meere entlang führt und, das Gebirge rechts um¬
geht, ist, des weiten Umweges wegen, kaum in Anschlag zu bringen.

Gut unterrichtete Leute behaupten, abgesehen von diesen Verhältnissen, die
Flotten hätten in der Voraussicht eines nahen Ausbruchs der Feindseligkeiten
den Bosporus verlassen und würden die Benachrichtigung von der Eröffnung des
Krieges durch einen Dampfer nachgesendet bekommen. Man hoffe auf diese
Weise eiuen oder zwei Tage zu sparen, indem eine Flotte immer langsamer segelt,
wie ein einzelnes Schiff. Wie dem indeß nun auch sei, die erste" Donnerschläge
des Weltgewitters werden nicht mehr lange auf sich warten lassen!
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Die Nachricht von dem doppelten Donauübergange der russischen Armee
bei Jsaktschi und zwischen Matschin und Galatsch erhielt hier zuerst die englische
Legation; ich weiß nicht, ob durch ein bei Knstendsche ans Station gelassenes
Dampfschiff oder mittelst eines Tartarcouriers. Am Montag Abend gelangte die
betreffende Depesche in Lord Stratsords Hände, und Dienstag Morgens war
der Inhalt bereits in ganz Pera publique. Es bedarf nicht der Versicherung,
daß diese Kunde hier einen tiefen Eindruck hervorgebracht hat. Aber die erreg¬
ten Gefühle streifen nicht im mindesten an Verlegenheit oder gar an Furcht.
Man nimmt die Nachricht mit der Ueberzeugung hin, daß der Krieg in seiner
Dauer durch den russischen Uebergang enger begrenzt und seine Entscheidung
nähergerückt werden wird. Selbst wenn uns einige Unfälle treffen sollten, wie
sie unvermeidlich sind, wenn ein starker und kriegsgeübter Gegner mit Uebermacht
auf einen einzelnen Punkt einer weitausgedehnteu Vertheidigungslinie fällt, steht
gleichwol eine Thatsache im voraus für uns fest: diese, daß Rußland die Ar¬
mee nicht wieder zurückzunehmen vermögen wird, die es in so verhängnißvollen
Augenblick den Weltstrom passiren läßt. Von der ganzen Streitmasse des Ope¬
rationsheeres Paskcwitschs wird schwerlich etwas den russischen Boden je wieder
betreten: keine Kanone, kein Roß, kein Mann! Und dieses große Resultat dürfte
erreicht sein, ehe sechs Monate vergehen.

In der Nacht vom Montag zum Dienstag fertigte der unermüdliche Lord
Redcliffe bereits den Steamer Caradoc mit Depeschen für Malta ab. Es ist ge-
K'iß, daß darin an Lord Raglan der Befehl gegeben worden ist, die Heran-


Häuptlinge vom Stamme der Abassen an Bord gekommen, sich vielfach entschul¬
digt und die Mittheilung gemacht hätten, daß sie soeben Nedut-Kate genommen
und in Brand gesteckt, den französischen Steamer aber irrthümlicherweise für einen
russischen genommen hätten.

Wenn sich diese Nachricht bestätigen sollte, so wäre Rußland fortan auf die
Straße über den Kaukasus nach Tiflis für seine Verbindung mit den asiatischen
Provinzen zwischen dem kaspischen Meer und dem Pontus beschränkt, denn die
östliche Straße, welche jenem Meere entlang führt und, das Gebirge rechts um¬
geht, ist, des weiten Umweges wegen, kaum in Anschlag zu bringen.

Gut unterrichtete Leute behaupten, abgesehen von diesen Verhältnissen, die
Flotten hätten in der Voraussicht eines nahen Ausbruchs der Feindseligkeiten
den Bosporus verlassen und würden die Benachrichtigung von der Eröffnung des
Krieges durch einen Dampfer nachgesendet bekommen. Man hoffe auf diese
Weise eiuen oder zwei Tage zu sparen, indem eine Flotte immer langsamer segelt,
wie ein einzelnes Schiff. Wie dem indeß nun auch sei, die erste» Donnerschläge
des Weltgewitters werden nicht mehr lange auf sich warten lassen!
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Die Nachricht von dem doppelten Donauübergange der russischen Armee
bei Jsaktschi und zwischen Matschin und Galatsch erhielt hier zuerst die englische
Legation; ich weiß nicht, ob durch ein bei Knstendsche ans Station gelassenes
Dampfschiff oder mittelst eines Tartarcouriers. Am Montag Abend gelangte die
betreffende Depesche in Lord Stratsords Hände, und Dienstag Morgens war
der Inhalt bereits in ganz Pera publique. Es bedarf nicht der Versicherung,
daß diese Kunde hier einen tiefen Eindruck hervorgebracht hat. Aber die erreg¬
ten Gefühle streifen nicht im mindesten an Verlegenheit oder gar an Furcht.
Man nimmt die Nachricht mit der Ueberzeugung hin, daß der Krieg in seiner
Dauer durch den russischen Uebergang enger begrenzt und seine Entscheidung
nähergerückt werden wird. Selbst wenn uns einige Unfälle treffen sollten, wie
sie unvermeidlich sind, wenn ein starker und kriegsgeübter Gegner mit Uebermacht
auf einen einzelnen Punkt einer weitausgedehnteu Vertheidigungslinie fällt, steht
gleichwol eine Thatsache im voraus für uns fest: diese, daß Rußland die Ar¬
mee nicht wieder zurückzunehmen vermögen wird, die es in so verhängnißvollen
Augenblick den Weltstrom passiren läßt. Von der ganzen Streitmasse des Ope¬
rationsheeres Paskcwitschs wird schwerlich etwas den russischen Boden je wieder
betreten: keine Kanone, kein Roß, kein Mann! Und dieses große Resultat dürfte
erreicht sein, ehe sechs Monate vergehen.

In der Nacht vom Montag zum Dienstag fertigte der unermüdliche Lord
Redcliffe bereits den Steamer Caradoc mit Depeschen für Malta ab. Es ist ge-
K'iß, daß darin an Lord Raglan der Befehl gegeben worden ist, die Heran-


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[0117] Häuptlinge vom Stamme der Abassen an Bord gekommen, sich vielfach entschul¬ digt und die Mittheilung gemacht hätten, daß sie soeben Nedut-Kate genommen und in Brand gesteckt, den französischen Steamer aber irrthümlicherweise für einen russischen genommen hätten. Wenn sich diese Nachricht bestätigen sollte, so wäre Rußland fortan auf die Straße über den Kaukasus nach Tiflis für seine Verbindung mit den asiatischen Provinzen zwischen dem kaspischen Meer und dem Pontus beschränkt, denn die östliche Straße, welche jenem Meere entlang führt und, das Gebirge rechts um¬ geht, ist, des weiten Umweges wegen, kaum in Anschlag zu bringen. Gut unterrichtete Leute behaupten, abgesehen von diesen Verhältnissen, die Flotten hätten in der Voraussicht eines nahen Ausbruchs der Feindseligkeiten den Bosporus verlassen und würden die Benachrichtigung von der Eröffnung des Krieges durch einen Dampfer nachgesendet bekommen. Man hoffe auf diese Weise eiuen oder zwei Tage zu sparen, indem eine Flotte immer langsamer segelt, wie ein einzelnes Schiff. Wie dem indeß nun auch sei, die erste» Donnerschläge des Weltgewitters werden nicht mehr lange auf sich warten lassen! ' !i>z^ Die Nachricht von dem doppelten Donauübergange der russischen Armee bei Jsaktschi und zwischen Matschin und Galatsch erhielt hier zuerst die englische Legation; ich weiß nicht, ob durch ein bei Knstendsche ans Station gelassenes Dampfschiff oder mittelst eines Tartarcouriers. Am Montag Abend gelangte die betreffende Depesche in Lord Stratsords Hände, und Dienstag Morgens war der Inhalt bereits in ganz Pera publique. Es bedarf nicht der Versicherung, daß diese Kunde hier einen tiefen Eindruck hervorgebracht hat. Aber die erreg¬ ten Gefühle streifen nicht im mindesten an Verlegenheit oder gar an Furcht. Man nimmt die Nachricht mit der Ueberzeugung hin, daß der Krieg in seiner Dauer durch den russischen Uebergang enger begrenzt und seine Entscheidung nähergerückt werden wird. Selbst wenn uns einige Unfälle treffen sollten, wie sie unvermeidlich sind, wenn ein starker und kriegsgeübter Gegner mit Uebermacht auf einen einzelnen Punkt einer weitausgedehnteu Vertheidigungslinie fällt, steht gleichwol eine Thatsache im voraus für uns fest: diese, daß Rußland die Ar¬ mee nicht wieder zurückzunehmen vermögen wird, die es in so verhängnißvollen Augenblick den Weltstrom passiren läßt. Von der ganzen Streitmasse des Ope¬ rationsheeres Paskcwitschs wird schwerlich etwas den russischen Boden je wieder betreten: keine Kanone, kein Roß, kein Mann! Und dieses große Resultat dürfte erreicht sein, ehe sechs Monate vergehen. In der Nacht vom Montag zum Dienstag fertigte der unermüdliche Lord Redcliffe bereits den Steamer Caradoc mit Depeschen für Malta ab. Es ist ge- K'iß, daß darin an Lord Raglan der Befehl gegeben worden ist, die Heran-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779/116>, abgerufen am 19.05.2024.