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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band.

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Seiten. -- Nur muß auf keiner Seite das Gewicht zu schwer werden. Durch den
Lear bin ich aber im Vortheil.

Ich will zu Schwan gehen, ob ich nichts Erträgliches von Lustspielen finde.
Eine sehr gute Zuschauerin haben wir an der Frau von Kalb bekommen.*) Sie
wohnt hier, ihr Mann besucht sie wöchentlich dreimal. Sie ist eine geborne von
Marschall. Ich sichre daß (was sonst hierher nicht gehörte) namentlich deßhalb an,
weil sie aus Enthusiasmus für das Schauspiel von Landau Hierherzog. Sie urtheilt
mit viel Geschmack. In Abwesenheit der Frau von Dalberg, wird sie mir oft Auf¬
munterung sein, mein Möglichstes für ein Stück zu thun.

Zeh danke dem Himmel, daß die Witterung Jhro Excellenz erinnert, Herres-
heim nun bald zu verlaßen. Die öde Loge ist ein ängstigender Anblick für uns
alle. Der H. Minister, von seiner Unpäßlichkeit bewogen, ist heut in die Stadt zurück¬
gekommen. Diesen Winter, davon ich in jedem Betreff so Vieles hoffe, denke ich
sehr fleißig zuzubringen -- und dann auch nicht ganz ohne Nutzen für unsere
Bühne.

Mannheim, den -19. September 178t.

(Fortsetzung folgt.)




Wochenbericht.
Rußlands Kraftelemente und Einflnßmittel

von or. Frhr
Friedr. Wilh. v. Reden. Frankfurt a. M., Völcker. -- Der Verfasser gibt dieses
Werk als das Resultat langjähriger Studien, die ursprünglich einen rein wissen¬
schaftlichen Zweck hatten, die aber im gegenwärtigen Angenblick allerdings auch
eine unmittelbare Beziehung zu der Tagespolitik haben. Von jedem Parteipunkte
sich fernhaltend sucht der Verfasser seinen Gegenstand ganz objectiv zu fassen und,
kommt zu folgenden Resultaten: 1) Rußlands Gelegenheit und Gestaltung durch die
Folgen der klimatischen Einflüsse und ungeheuren Bodenansdehnung sind der Cultur¬
entwicklung seiner Bewohner gradezu hinderlich. Rußlands Bevölkerung wird des¬
halb niemals oder doch nur sehr langsamen Schrittes der europäischen Civilisation
zugänglich werden; sie bleibt, was sie war, ein dem übrigen Europa fremdes Volk.
Mißlaune, überschätzt und vielleicht gefürchtet; aber niemals Vertrauen und noch
weniger Zuneigung erweckend. Nußland bleibt, durch seine jetzige Lage, ein Fremd-
. ling in Europa; es muß daher, ungeachtet, oder vielmehr wegen seines riesigen
Gebiets, weitere Grenzen gewinnen, um den großen Nachtheil zu verbessern, welchen
reichlich 300,000 ^M. unnützen Landes, den nützlichen 73,000 ^M. bringen.
2) Rußlands Nachbarschaft bestand früher aus mächtigen Staaten; aber es hat
Polen vernichtet, Schweden verkleinert, die Türkei zersetzt, Persien zerrissen. Jetzt
sind nnr noch: der großer Entwicklung fähige Einheitstaat Oestreich, und der
Militärstaat Preußen, gefährliche Nachbarn; übermächtig sogar, wenn sie einig sind.
Rußland darf diese beiden Nachbarn daher nur solange ungestört lassen, als sich zur



*) Auch Schiller kündigt sie in dem oben erwähnten Briefe Dalberg an.

Seiten. — Nur muß auf keiner Seite das Gewicht zu schwer werden. Durch den
Lear bin ich aber im Vortheil.

Ich will zu Schwan gehen, ob ich nichts Erträgliches von Lustspielen finde.
Eine sehr gute Zuschauerin haben wir an der Frau von Kalb bekommen.*) Sie
wohnt hier, ihr Mann besucht sie wöchentlich dreimal. Sie ist eine geborne von
Marschall. Ich sichre daß (was sonst hierher nicht gehörte) namentlich deßhalb an,
weil sie aus Enthusiasmus für das Schauspiel von Landau Hierherzog. Sie urtheilt
mit viel Geschmack. In Abwesenheit der Frau von Dalberg, wird sie mir oft Auf¬
munterung sein, mein Möglichstes für ein Stück zu thun.

Zeh danke dem Himmel, daß die Witterung Jhro Excellenz erinnert, Herres-
heim nun bald zu verlaßen. Die öde Loge ist ein ängstigender Anblick für uns
alle. Der H. Minister, von seiner Unpäßlichkeit bewogen, ist heut in die Stadt zurück¬
gekommen. Diesen Winter, davon ich in jedem Betreff so Vieles hoffe, denke ich
sehr fleißig zuzubringen — und dann auch nicht ganz ohne Nutzen für unsere
Bühne.

Mannheim, den -19. September 178t.

(Fortsetzung folgt.)




Wochenbericht.
Rußlands Kraftelemente und Einflnßmittel

von or. Frhr
Friedr. Wilh. v. Reden. Frankfurt a. M., Völcker. — Der Verfasser gibt dieses
Werk als das Resultat langjähriger Studien, die ursprünglich einen rein wissen¬
schaftlichen Zweck hatten, die aber im gegenwärtigen Angenblick allerdings auch
eine unmittelbare Beziehung zu der Tagespolitik haben. Von jedem Parteipunkte
sich fernhaltend sucht der Verfasser seinen Gegenstand ganz objectiv zu fassen und,
kommt zu folgenden Resultaten: 1) Rußlands Gelegenheit und Gestaltung durch die
Folgen der klimatischen Einflüsse und ungeheuren Bodenansdehnung sind der Cultur¬
entwicklung seiner Bewohner gradezu hinderlich. Rußlands Bevölkerung wird des¬
halb niemals oder doch nur sehr langsamen Schrittes der europäischen Civilisation
zugänglich werden; sie bleibt, was sie war, ein dem übrigen Europa fremdes Volk.
Mißlaune, überschätzt und vielleicht gefürchtet; aber niemals Vertrauen und noch
weniger Zuneigung erweckend. Nußland bleibt, durch seine jetzige Lage, ein Fremd-
. ling in Europa; es muß daher, ungeachtet, oder vielmehr wegen seines riesigen
Gebiets, weitere Grenzen gewinnen, um den großen Nachtheil zu verbessern, welchen
reichlich 300,000 ^M. unnützen Landes, den nützlichen 73,000 ^M. bringen.
2) Rußlands Nachbarschaft bestand früher aus mächtigen Staaten; aber es hat
Polen vernichtet, Schweden verkleinert, die Türkei zersetzt, Persien zerrissen. Jetzt
sind nnr noch: der großer Entwicklung fähige Einheitstaat Oestreich, und der
Militärstaat Preußen, gefährliche Nachbarn; übermächtig sogar, wenn sie einig sind.
Rußland darf diese beiden Nachbarn daher nur solange ungestört lassen, als sich zur



*) Auch Schiller kündigt sie in dem oben erwähnten Briefe Dalberg an.
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[0446] Seiten. — Nur muß auf keiner Seite das Gewicht zu schwer werden. Durch den Lear bin ich aber im Vortheil. Ich will zu Schwan gehen, ob ich nichts Erträgliches von Lustspielen finde. Eine sehr gute Zuschauerin haben wir an der Frau von Kalb bekommen.*) Sie wohnt hier, ihr Mann besucht sie wöchentlich dreimal. Sie ist eine geborne von Marschall. Ich sichre daß (was sonst hierher nicht gehörte) namentlich deßhalb an, weil sie aus Enthusiasmus für das Schauspiel von Landau Hierherzog. Sie urtheilt mit viel Geschmack. In Abwesenheit der Frau von Dalberg, wird sie mir oft Auf¬ munterung sein, mein Möglichstes für ein Stück zu thun. Zeh danke dem Himmel, daß die Witterung Jhro Excellenz erinnert, Herres- heim nun bald zu verlaßen. Die öde Loge ist ein ängstigender Anblick für uns alle. Der H. Minister, von seiner Unpäßlichkeit bewogen, ist heut in die Stadt zurück¬ gekommen. Diesen Winter, davon ich in jedem Betreff so Vieles hoffe, denke ich sehr fleißig zuzubringen — und dann auch nicht ganz ohne Nutzen für unsere Bühne. Mannheim, den -19. September 178t. (Fortsetzung folgt.) Wochenbericht. Rußlands Kraftelemente und Einflnßmittel von or. Frhr Friedr. Wilh. v. Reden. Frankfurt a. M., Völcker. — Der Verfasser gibt dieses Werk als das Resultat langjähriger Studien, die ursprünglich einen rein wissen¬ schaftlichen Zweck hatten, die aber im gegenwärtigen Angenblick allerdings auch eine unmittelbare Beziehung zu der Tagespolitik haben. Von jedem Parteipunkte sich fernhaltend sucht der Verfasser seinen Gegenstand ganz objectiv zu fassen und, kommt zu folgenden Resultaten: 1) Rußlands Gelegenheit und Gestaltung durch die Folgen der klimatischen Einflüsse und ungeheuren Bodenansdehnung sind der Cultur¬ entwicklung seiner Bewohner gradezu hinderlich. Rußlands Bevölkerung wird des¬ halb niemals oder doch nur sehr langsamen Schrittes der europäischen Civilisation zugänglich werden; sie bleibt, was sie war, ein dem übrigen Europa fremdes Volk. Mißlaune, überschätzt und vielleicht gefürchtet; aber niemals Vertrauen und noch weniger Zuneigung erweckend. Nußland bleibt, durch seine jetzige Lage, ein Fremd- . ling in Europa; es muß daher, ungeachtet, oder vielmehr wegen seines riesigen Gebiets, weitere Grenzen gewinnen, um den großen Nachtheil zu verbessern, welchen reichlich 300,000 ^M. unnützen Landes, den nützlichen 73,000 ^M. bringen. 2) Rußlands Nachbarschaft bestand früher aus mächtigen Staaten; aber es hat Polen vernichtet, Schweden verkleinert, die Türkei zersetzt, Persien zerrissen. Jetzt sind nnr noch: der großer Entwicklung fähige Einheitstaat Oestreich, und der Militärstaat Preußen, gefährliche Nachbarn; übermächtig sogar, wenn sie einig sind. Rußland darf diese beiden Nachbarn daher nur solange ungestört lassen, als sich zur *) Auch Schiller kündigt sie in dem oben erwähnten Briefe Dalberg an.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779/445>, abgerufen am 28.05.2024.