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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

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die östliche und ein Theil der nördlichen Wand jenes Prachtremters oberhalb
fünf freie Blendfenster (in deren einem Jagellos steinerne Kanonenkugel steckt).
Diese Blenden nun werden mit werthvoller Malerei ausgefüllt, damit sie har¬
monischer übereinstimmen mit der so reichen und glanzvollen Glasmalerei der
gegenüberstehenden breiten Fenster, und zwar waren anfänglich hierzu folgende
sechs Frcscobilder bestimmt: 1) Die Stiftung des Ordens vor den Mauern
Allons, als einer Meergegend mit Schiffen im Hasen und Zelten aus Schiffs¬
segeln am Strande; an Figuren Herzog Friedrich vonSchwaben, Kaiser
Friedrichs I. Sohn, Führer des deutschen Kreuzheeres, der Patriarch von Je¬
rusalem, deutsche Fürsten, Tempel- und Johanniterritter, ferner Brüder des
deutschen Hospitals zU Jerusalem, Bürger aus Bremen und Lübeck. 2) Der
böhmische König Ottokar, dem Landmeister von Preußen den Ort zum
Aufbau von Königsberg anweisend; Berggegend im Walde Twangste, Pregel-
strom, Kreuzfahrer aus Böhmen, Rudolph von Habsburg mit Oestreichern,
Bischof von Olmütz, Markgraf Otto von Brandenburg, alte Stammpreußen
und bekehrte fremdländische Häuptlinge. 3) Der letzte Kampf des Hochmeisters
Ulrich von Jungingen Mit seiner letzten Streitschar in der Schlacht von
Tannenberg, Hochmeister Heinrich von Plauen in dem polnischen Lager
von Marienburg vor Jagello stehend. 5) Heinrich von Plauens Ab¬
setzung im Ordenscapitel zur Marienburg durch den Ordensmarschall Michael
KüchMeister von Sternberg, daneben Heinrichs Bruder, Comthur von Danzig.
6) Des Hochmeister Ludwig von Ehrlichhausen Flucht aus der Marien¬
burg, von dem böhmischen Hauptmann Ulrich Czirwonka dazu genöthigt. Und
als Ergänzung eines jener Vorschläge sollte dienen der Festeinzug des letzten
Hochmeisters, Albrecht Markgraf von Brandenburg, als Herzog von
Preußen in Königsberg, nach dem Frieden zu Krakau, im Festgeleite des Bi¬
schof Georg von Potenz. Dies der ursprüngliche Plan, welcher jedoch später
umgeändert ward; denn große historische Darstellungen der Art schienen bei
der geringen Dimension der Fensterblenden weniger zu dieser beabsichtigten
Frescomalerei geeignet, als die lebensgroßen Bildnisse der ausgezeichnetsten
Hochmeister oder anderer hohen Ordenswürdenträger, zu zweien in jeder Fenster¬
blende. Von einer Aehnlichkeit dieser Männer des deutschen Ordens als einer
Aufgabe des Porträts kann dabei nicht die Rede sein, da wir nur von einigen
derselben schlechte Holzschnitte aus späterer Zeit haben. Daher soll in jeder
einzeln dastehenden Person nur der geschichtliche Charakter derselben dargestellt
werden, und es war demnach die Aufgabe des genialen Malers, die darzu¬
stellende Figur nicht in ruhiger Stellung, sondern womöglich in einer einzelnen
entscheidenden Handlung so auffallend hervortreten zu lassen, daß der Charakter
stark, wenn auch bis zur Grenze der Caricatur, ausgeprägt dasteht. Die auf
diese Weise darzustellenden Personen und wie sie zu bildlicher Darstellung an


die östliche und ein Theil der nördlichen Wand jenes Prachtremters oberhalb
fünf freie Blendfenster (in deren einem Jagellos steinerne Kanonenkugel steckt).
Diese Blenden nun werden mit werthvoller Malerei ausgefüllt, damit sie har¬
monischer übereinstimmen mit der so reichen und glanzvollen Glasmalerei der
gegenüberstehenden breiten Fenster, und zwar waren anfänglich hierzu folgende
sechs Frcscobilder bestimmt: 1) Die Stiftung des Ordens vor den Mauern
Allons, als einer Meergegend mit Schiffen im Hasen und Zelten aus Schiffs¬
segeln am Strande; an Figuren Herzog Friedrich vonSchwaben, Kaiser
Friedrichs I. Sohn, Führer des deutschen Kreuzheeres, der Patriarch von Je¬
rusalem, deutsche Fürsten, Tempel- und Johanniterritter, ferner Brüder des
deutschen Hospitals zU Jerusalem, Bürger aus Bremen und Lübeck. 2) Der
böhmische König Ottokar, dem Landmeister von Preußen den Ort zum
Aufbau von Königsberg anweisend; Berggegend im Walde Twangste, Pregel-
strom, Kreuzfahrer aus Böhmen, Rudolph von Habsburg mit Oestreichern,
Bischof von Olmütz, Markgraf Otto von Brandenburg, alte Stammpreußen
und bekehrte fremdländische Häuptlinge. 3) Der letzte Kampf des Hochmeisters
Ulrich von Jungingen Mit seiner letzten Streitschar in der Schlacht von
Tannenberg, Hochmeister Heinrich von Plauen in dem polnischen Lager
von Marienburg vor Jagello stehend. 5) Heinrich von Plauens Ab¬
setzung im Ordenscapitel zur Marienburg durch den Ordensmarschall Michael
KüchMeister von Sternberg, daneben Heinrichs Bruder, Comthur von Danzig.
6) Des Hochmeister Ludwig von Ehrlichhausen Flucht aus der Marien¬
burg, von dem böhmischen Hauptmann Ulrich Czirwonka dazu genöthigt. Und
als Ergänzung eines jener Vorschläge sollte dienen der Festeinzug des letzten
Hochmeisters, Albrecht Markgraf von Brandenburg, als Herzog von
Preußen in Königsberg, nach dem Frieden zu Krakau, im Festgeleite des Bi¬
schof Georg von Potenz. Dies der ursprüngliche Plan, welcher jedoch später
umgeändert ward; denn große historische Darstellungen der Art schienen bei
der geringen Dimension der Fensterblenden weniger zu dieser beabsichtigten
Frescomalerei geeignet, als die lebensgroßen Bildnisse der ausgezeichnetsten
Hochmeister oder anderer hohen Ordenswürdenträger, zu zweien in jeder Fenster¬
blende. Von einer Aehnlichkeit dieser Männer des deutschen Ordens als einer
Aufgabe des Porträts kann dabei nicht die Rede sein, da wir nur von einigen
derselben schlechte Holzschnitte aus späterer Zeit haben. Daher soll in jeder
einzeln dastehenden Person nur der geschichtliche Charakter derselben dargestellt
werden, und es war demnach die Aufgabe des genialen Malers, die darzu¬
stellende Figur nicht in ruhiger Stellung, sondern womöglich in einer einzelnen
entscheidenden Handlung so auffallend hervortreten zu lassen, daß der Charakter
stark, wenn auch bis zur Grenze der Caricatur, ausgeprägt dasteht. Die auf
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/158>, abgerufen am 12.05.2024.