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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

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tha heißt und sie hielt sich mit den Händen daran fest und ruhte ans um Athem
zu schöpfen; und als sich die Müdigkeit ihrer Schulteru ein wenig gelegt hatte,
schwamm sie weiter und so oft sie müde war trieb sie, getragen von den Kürbissen,
auf der Strömung des Sees hin und wenn sie sich erholt hatte schwamm sie weiter;
aber sie konnte wegen der Dunkelheit der Nacht nicht sehen, welche Richtung sie
einschlug; jedoch ihr Führer war die sauste Melodie von Tutanekais Horn; das war
das Signal, nach welchem sie grade auf Waikimikia losschwamm, denn unmittelbar
über dieser warmen Quelle stand das Dorf Tutanekais und schwimmend erreichte
sie endlich die Insel Mokoia.

An der Stelle, wo sie die Insel erreichte, befindet sich eine warme Quelle, nur
durch einen schmalen Felsenstreif von dem See getrennt; sie heißt wie ich eben ge¬
sagt habe Waikimikia. Hinc Moa stieg hinein um sich zu wärmen, denn sie zitterte
am ganzen Leibe, theils vor Kälte, da sie des Nachts über den breiten See von
Rotorua geschwommen war und vielleicht auch aus Scham bei dem Gedanken Tu-
tanekai zu begegnen. Während das Mädchen sich so in der warmen Quelle wärmte,
fing es Tutanekai an zu dursten und er sagte zu seinem Diener: "Hole mir Wasser"
und der Diener ging fort um Wasser zu holen, aber Hinc Moa verlangte von ihm
zu trinken und zerbrach dann seine Kalabasse und dies wiederholte sich zwei oder
dreimal.

Da warf Tutanekai Kleider über, nahm seine Keule, ging fort und erreichte das
Bad, wo er ausrief: "Wo ist der Kerl.^der mir meine Kalabassen zerbrochen hat?" und
Hinc Moa erkannte die Stimme, daß es die des Geliebten ihres Herzens war; und sie
verbarg sich unter den überhängenden Felsen der warmen Quelle; aber es war kein
rechtes Verstecken, sondern vielmehr ein verschämtes Zurückziehen vor Tutauekai, damit
er sie nicht gleich, sondern erst nach vieler Mühe und sorgfältigem Suchen finden möchte.
Und er tastete an den Ufern der warmen Quelle hin und suchte überall, während sie
sich neckisch unter dem Felsen versteckt hielt und manchmal darunter hervorlugte und
sich wunderte, wann er sie wol finden würde. Endlich erfaßte er eine Hand und
rief aus: "Holla, wer ist das?" und Hinc Moa antwortete: "ich bins, Tutane¬
kai." Und er sagte: "aber wer bist du? wer ist ich?" Da sprach sie lauter und
erwiederte: "ich bins, Hinc Moa." Und er sagte: "Ho ho ho! Kann das wirklich
wahr sein; so komm mit mir nach meinem Hause." Und sie gab zur Antwort,
"ja;" und sie erhob sich im Wasser so schön, wie der wilde, weiße Habicht und
trat ans den Saum des Bades so anmuthig, wie der scheue, weiße Kranich; und
er warf Kleider über sie und sie gingen miteinander nach seinem Hause und ruhten
dort; und von da an waren sie nach den alten Gesetzen der Maoris Mann und
Weib.




Herausgegeben von Gustav Freytag und Julian Schmidt.
Als verantwort!. Redacteur legitimirt: F. W. Grunow. -- Verlag von L. Z5- Hcvbig
in Leipzig.
Druck vo" C. E. Elbert in Leipzia-

tha heißt und sie hielt sich mit den Händen daran fest und ruhte ans um Athem
zu schöpfen; und als sich die Müdigkeit ihrer Schulteru ein wenig gelegt hatte,
schwamm sie weiter und so oft sie müde war trieb sie, getragen von den Kürbissen,
auf der Strömung des Sees hin und wenn sie sich erholt hatte schwamm sie weiter;
aber sie konnte wegen der Dunkelheit der Nacht nicht sehen, welche Richtung sie
einschlug; jedoch ihr Führer war die sauste Melodie von Tutanekais Horn; das war
das Signal, nach welchem sie grade auf Waikimikia losschwamm, denn unmittelbar
über dieser warmen Quelle stand das Dorf Tutanekais und schwimmend erreichte
sie endlich die Insel Mokoia.

An der Stelle, wo sie die Insel erreichte, befindet sich eine warme Quelle, nur
durch einen schmalen Felsenstreif von dem See getrennt; sie heißt wie ich eben ge¬
sagt habe Waikimikia. Hinc Moa stieg hinein um sich zu wärmen, denn sie zitterte
am ganzen Leibe, theils vor Kälte, da sie des Nachts über den breiten See von
Rotorua geschwommen war und vielleicht auch aus Scham bei dem Gedanken Tu-
tanekai zu begegnen. Während das Mädchen sich so in der warmen Quelle wärmte,
fing es Tutanekai an zu dursten und er sagte zu seinem Diener: „Hole mir Wasser"
und der Diener ging fort um Wasser zu holen, aber Hinc Moa verlangte von ihm
zu trinken und zerbrach dann seine Kalabasse und dies wiederholte sich zwei oder
dreimal.

Da warf Tutanekai Kleider über, nahm seine Keule, ging fort und erreichte das
Bad, wo er ausrief: „Wo ist der Kerl.^der mir meine Kalabassen zerbrochen hat?" und
Hinc Moa erkannte die Stimme, daß es die des Geliebten ihres Herzens war; und sie
verbarg sich unter den überhängenden Felsen der warmen Quelle; aber es war kein
rechtes Verstecken, sondern vielmehr ein verschämtes Zurückziehen vor Tutauekai, damit
er sie nicht gleich, sondern erst nach vieler Mühe und sorgfältigem Suchen finden möchte.
Und er tastete an den Ufern der warmen Quelle hin und suchte überall, während sie
sich neckisch unter dem Felsen versteckt hielt und manchmal darunter hervorlugte und
sich wunderte, wann er sie wol finden würde. Endlich erfaßte er eine Hand und
rief aus: „Holla, wer ist das?" und Hinc Moa antwortete: „ich bins, Tutane¬
kai." Und er sagte: „aber wer bist du? wer ist ich?" Da sprach sie lauter und
erwiederte: „ich bins, Hinc Moa." Und er sagte: „Ho ho ho! Kann das wirklich
wahr sein; so komm mit mir nach meinem Hause." Und sie gab zur Antwort,
„ja;" und sie erhob sich im Wasser so schön, wie der wilde, weiße Habicht und
trat ans den Saum des Bades so anmuthig, wie der scheue, weiße Kranich; und
er warf Kleider über sie und sie gingen miteinander nach seinem Hause und ruhten
dort; und von da an waren sie nach den alten Gesetzen der Maoris Mann und
Weib.




Herausgegeben von Gustav Freytag und Julian Schmidt.
Als verantwort!. Redacteur legitimirt: F. W. Grunow. — Verlag von L. Z5- Hcvbig
in Leipzig.
Druck vo» C. E. Elbert in Leipzia-
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[0168] tha heißt und sie hielt sich mit den Händen daran fest und ruhte ans um Athem zu schöpfen; und als sich die Müdigkeit ihrer Schulteru ein wenig gelegt hatte, schwamm sie weiter und so oft sie müde war trieb sie, getragen von den Kürbissen, auf der Strömung des Sees hin und wenn sie sich erholt hatte schwamm sie weiter; aber sie konnte wegen der Dunkelheit der Nacht nicht sehen, welche Richtung sie einschlug; jedoch ihr Führer war die sauste Melodie von Tutanekais Horn; das war das Signal, nach welchem sie grade auf Waikimikia losschwamm, denn unmittelbar über dieser warmen Quelle stand das Dorf Tutanekais und schwimmend erreichte sie endlich die Insel Mokoia. An der Stelle, wo sie die Insel erreichte, befindet sich eine warme Quelle, nur durch einen schmalen Felsenstreif von dem See getrennt; sie heißt wie ich eben ge¬ sagt habe Waikimikia. Hinc Moa stieg hinein um sich zu wärmen, denn sie zitterte am ganzen Leibe, theils vor Kälte, da sie des Nachts über den breiten See von Rotorua geschwommen war und vielleicht auch aus Scham bei dem Gedanken Tu- tanekai zu begegnen. Während das Mädchen sich so in der warmen Quelle wärmte, fing es Tutanekai an zu dursten und er sagte zu seinem Diener: „Hole mir Wasser" und der Diener ging fort um Wasser zu holen, aber Hinc Moa verlangte von ihm zu trinken und zerbrach dann seine Kalabasse und dies wiederholte sich zwei oder dreimal. Da warf Tutanekai Kleider über, nahm seine Keule, ging fort und erreichte das Bad, wo er ausrief: „Wo ist der Kerl.^der mir meine Kalabassen zerbrochen hat?" und Hinc Moa erkannte die Stimme, daß es die des Geliebten ihres Herzens war; und sie verbarg sich unter den überhängenden Felsen der warmen Quelle; aber es war kein rechtes Verstecken, sondern vielmehr ein verschämtes Zurückziehen vor Tutauekai, damit er sie nicht gleich, sondern erst nach vieler Mühe und sorgfältigem Suchen finden möchte. Und er tastete an den Ufern der warmen Quelle hin und suchte überall, während sie sich neckisch unter dem Felsen versteckt hielt und manchmal darunter hervorlugte und sich wunderte, wann er sie wol finden würde. Endlich erfaßte er eine Hand und rief aus: „Holla, wer ist das?" und Hinc Moa antwortete: „ich bins, Tutane¬ kai." Und er sagte: „aber wer bist du? wer ist ich?" Da sprach sie lauter und erwiederte: „ich bins, Hinc Moa." Und er sagte: „Ho ho ho! Kann das wirklich wahr sein; so komm mit mir nach meinem Hause." Und sie gab zur Antwort, „ja;" und sie erhob sich im Wasser so schön, wie der wilde, weiße Habicht und trat ans den Saum des Bades so anmuthig, wie der scheue, weiße Kranich; und er warf Kleider über sie und sie gingen miteinander nach seinem Hause und ruhten dort; und von da an waren sie nach den alten Gesetzen der Maoris Mann und Weib. Herausgegeben von Gustav Freytag und Julian Schmidt. Als verantwort!. Redacteur legitimirt: F. W. Grunow. — Verlag von L. Z5- Hcvbig in Leipzig. Druck vo» C. E. Elbert in Leipzia-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/168>, abgerufen am 12.05.2024.