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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

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Leinwand, Kleider, Seidenstoffe, Uhren, Silberzeug und Gold verhandelt. Auch
das Wechselgeschäst mal)i.n einen großen Aufschwung, denn die verschiedensten
Papier- und Geldsorten circulirten bunt durcheinander. Man berechnete, daß
das Haus Marpurg und Schulze innerhalb drei Monaten hierbei allein
60,000 Thaler gewonnen hatte. Wie der Cours der Papier- und Münzsorten
damals beschaffen war, geht daraus z> B. hervor, daß ein Jude /is0 Thaler
preußische Kassenanweisungen für acht Friedrichsdor kaufte und im Gasthof
zum goldenen Adler am Donhofsplatze wurden 100 Pfund niedersächsische
Münz- und Courantsorten für 100 Friedrichsdor veräußert.

Zu Anfang des Monats November traf der Divistvnsgeueral Clarke in
Berlin ein und trat seinen Posten als Generalgouvemeur der Hauptstadt, der
Alt-, Mittel-, Neu- und Uckermark, sowie Pommerns an. Eine seiner ersten
Bekanntmachungen war die Eintheilung der von der französischen Armee bis¬
her eroberten preußischen Provinzen in das Departement von Berlin, von
Küstrin, von Stettin und von Magdeburg, dann wurden alle bisherigen
öffentlichen Beamten in ihren Stellen unter dem Vorbehalt bestätigt, durch eid¬
liches Gelöbniß") das Versprechen abzulegen, auch serner ihre Pflicht erfüllen,
den Befehlen des Siegers Folge leisten und keine Verbindung oder Briefwechsel
mit dessen Feinden unterhalten zu wollen. Endlich rief er auch eine Bürger¬
garde von 1200 Mann ins Leben, indem von den zwanzig Stadtvierteln hierzu
jedes derselben 60 der wohlhabendsten Bürger stellen sollte. Der Zweck dieses
Corps war, künftig im Verein mit der Garnison die Stadt zu bewachen, dann
aber auch die Polizei bei Aufrechthaltung der Ruhe, Ordnung und Sicherheit
zu unterstützen. Dieses Institut blieb aber, obgleich es sich sehr nützlich hätte
zeigen können, weit hinter dem praktischen Zwecke, den es erfüllen sollte, zu¬
rück. Auf der einen Seite waren dem einen Theil die Beschwerden des Dienstes
viel zu unangenehm, und auf der anderen Seite versteckte sich hinter den
glänzenden Uniformen und den Federbüschen die Eitelkeit des jüngeren Theils
dieses Corps, so daß ein damaliger Schriftsteller sich hierüber in folgenden
Worten äußerte: "Diese Herren bemühen sich mit Anstrengung aller Kräfte
jenen brüsten Ton unsrer ehemaligen Gendarmenoffiziere zu treffen und jeder
der Gelegenheit hat, diesen Menschen in Gesellschaften zu begegnen, gibt ihnen
das Zeugniß, daß sie es schon ziemlich weit darin gebracht haben. Uebrigens,"
so fährt der Berichterstatter fort, "liefert die Organisation dieser Garde den Be¬
weis, daß man in Berlin den strengen Ernst mehr liebt, als sanfte Gelindig-
keit, daß man lieberhandelt, wenn'man muß, als wenn man darum ersucht
wird. Als der König vor dem Ausmarsche der Garnison wünschte, daß
die Bürger selbst und nicht durch Lohnwächter, den Dienst versehen möchten,



Dies geschah in Berlin am 9. November.

Leinwand, Kleider, Seidenstoffe, Uhren, Silberzeug und Gold verhandelt. Auch
das Wechselgeschäst mal)i.n einen großen Aufschwung, denn die verschiedensten
Papier- und Geldsorten circulirten bunt durcheinander. Man berechnete, daß
das Haus Marpurg und Schulze innerhalb drei Monaten hierbei allein
60,000 Thaler gewonnen hatte. Wie der Cours der Papier- und Münzsorten
damals beschaffen war, geht daraus z> B. hervor, daß ein Jude /is0 Thaler
preußische Kassenanweisungen für acht Friedrichsdor kaufte und im Gasthof
zum goldenen Adler am Donhofsplatze wurden 100 Pfund niedersächsische
Münz- und Courantsorten für 100 Friedrichsdor veräußert.

Zu Anfang des Monats November traf der Divistvnsgeueral Clarke in
Berlin ein und trat seinen Posten als Generalgouvemeur der Hauptstadt, der
Alt-, Mittel-, Neu- und Uckermark, sowie Pommerns an. Eine seiner ersten
Bekanntmachungen war die Eintheilung der von der französischen Armee bis¬
her eroberten preußischen Provinzen in das Departement von Berlin, von
Küstrin, von Stettin und von Magdeburg, dann wurden alle bisherigen
öffentlichen Beamten in ihren Stellen unter dem Vorbehalt bestätigt, durch eid¬
liches Gelöbniß") das Versprechen abzulegen, auch serner ihre Pflicht erfüllen,
den Befehlen des Siegers Folge leisten und keine Verbindung oder Briefwechsel
mit dessen Feinden unterhalten zu wollen. Endlich rief er auch eine Bürger¬
garde von 1200 Mann ins Leben, indem von den zwanzig Stadtvierteln hierzu
jedes derselben 60 der wohlhabendsten Bürger stellen sollte. Der Zweck dieses
Corps war, künftig im Verein mit der Garnison die Stadt zu bewachen, dann
aber auch die Polizei bei Aufrechthaltung der Ruhe, Ordnung und Sicherheit
zu unterstützen. Dieses Institut blieb aber, obgleich es sich sehr nützlich hätte
zeigen können, weit hinter dem praktischen Zwecke, den es erfüllen sollte, zu¬
rück. Auf der einen Seite waren dem einen Theil die Beschwerden des Dienstes
viel zu unangenehm, und auf der anderen Seite versteckte sich hinter den
glänzenden Uniformen und den Federbüschen die Eitelkeit des jüngeren Theils
dieses Corps, so daß ein damaliger Schriftsteller sich hierüber in folgenden
Worten äußerte: „Diese Herren bemühen sich mit Anstrengung aller Kräfte
jenen brüsten Ton unsrer ehemaligen Gendarmenoffiziere zu treffen und jeder
der Gelegenheit hat, diesen Menschen in Gesellschaften zu begegnen, gibt ihnen
das Zeugniß, daß sie es schon ziemlich weit darin gebracht haben. Uebrigens,"
so fährt der Berichterstatter fort, „liefert die Organisation dieser Garde den Be¬
weis, daß man in Berlin den strengen Ernst mehr liebt, als sanfte Gelindig-
keit, daß man lieberhandelt, wenn'man muß, als wenn man darum ersucht
wird. Als der König vor dem Ausmarsche der Garnison wünschte, daß
die Bürger selbst und nicht durch Lohnwächter, den Dienst versehen möchten,



Dies geschah in Berlin am 9. November.
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[0272] Leinwand, Kleider, Seidenstoffe, Uhren, Silberzeug und Gold verhandelt. Auch das Wechselgeschäst mal)i.n einen großen Aufschwung, denn die verschiedensten Papier- und Geldsorten circulirten bunt durcheinander. Man berechnete, daß das Haus Marpurg und Schulze innerhalb drei Monaten hierbei allein 60,000 Thaler gewonnen hatte. Wie der Cours der Papier- und Münzsorten damals beschaffen war, geht daraus z> B. hervor, daß ein Jude /is0 Thaler preußische Kassenanweisungen für acht Friedrichsdor kaufte und im Gasthof zum goldenen Adler am Donhofsplatze wurden 100 Pfund niedersächsische Münz- und Courantsorten für 100 Friedrichsdor veräußert. Zu Anfang des Monats November traf der Divistvnsgeueral Clarke in Berlin ein und trat seinen Posten als Generalgouvemeur der Hauptstadt, der Alt-, Mittel-, Neu- und Uckermark, sowie Pommerns an. Eine seiner ersten Bekanntmachungen war die Eintheilung der von der französischen Armee bis¬ her eroberten preußischen Provinzen in das Departement von Berlin, von Küstrin, von Stettin und von Magdeburg, dann wurden alle bisherigen öffentlichen Beamten in ihren Stellen unter dem Vorbehalt bestätigt, durch eid¬ liches Gelöbniß") das Versprechen abzulegen, auch serner ihre Pflicht erfüllen, den Befehlen des Siegers Folge leisten und keine Verbindung oder Briefwechsel mit dessen Feinden unterhalten zu wollen. Endlich rief er auch eine Bürger¬ garde von 1200 Mann ins Leben, indem von den zwanzig Stadtvierteln hierzu jedes derselben 60 der wohlhabendsten Bürger stellen sollte. Der Zweck dieses Corps war, künftig im Verein mit der Garnison die Stadt zu bewachen, dann aber auch die Polizei bei Aufrechthaltung der Ruhe, Ordnung und Sicherheit zu unterstützen. Dieses Institut blieb aber, obgleich es sich sehr nützlich hätte zeigen können, weit hinter dem praktischen Zwecke, den es erfüllen sollte, zu¬ rück. Auf der einen Seite waren dem einen Theil die Beschwerden des Dienstes viel zu unangenehm, und auf der anderen Seite versteckte sich hinter den glänzenden Uniformen und den Federbüschen die Eitelkeit des jüngeren Theils dieses Corps, so daß ein damaliger Schriftsteller sich hierüber in folgenden Worten äußerte: „Diese Herren bemühen sich mit Anstrengung aller Kräfte jenen brüsten Ton unsrer ehemaligen Gendarmenoffiziere zu treffen und jeder der Gelegenheit hat, diesen Menschen in Gesellschaften zu begegnen, gibt ihnen das Zeugniß, daß sie es schon ziemlich weit darin gebracht haben. Uebrigens," so fährt der Berichterstatter fort, „liefert die Organisation dieser Garde den Be¬ weis, daß man in Berlin den strengen Ernst mehr liebt, als sanfte Gelindig- keit, daß man lieberhandelt, wenn'man muß, als wenn man darum ersucht wird. Als der König vor dem Ausmarsche der Garnison wünschte, daß die Bürger selbst und nicht durch Lohnwächter, den Dienst versehen möchten, Dies geschah in Berlin am 9. November.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/272>, abgerufen am 13.05.2024.