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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

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schmalen, sondern auf der breiten Seite, und daß sie statt des bloßen Herdes
Schornsteine haben.

Eine andere Eigenthümlichkeit des Landes jenseits der Schlei ist der Holz¬
schuh, der nicht mit dem im Süden üblichen Holzpantoffel zu verwechseln ist,
bei dem nur die Sohle aus Holz besteht. Es ist vielmehr eine Fußbekleidung
ganz aus Holz, vorn über den Zehen in der Weise chinesischer Schuhe dschon-
kenschnabelartig empvrgebogen und unten mit zwei Absätzen, einem unter der
Ferse und einem unter dem Ballen, versehen. Ein Rest des sonst in Angeln
sast durchgehends verschwundenen Dänenthums, gibt er dem Gange der Be¬
völkerung, die sich seiner bei den Geschäften des täglichen Lebens fast aus¬
schließlich bedient, etwas überaus Unbeholfenes. Da er indeß bei dem feiten
Boden und dem feuchten Klima des Landes praktisch und auf alle Fälle wohl¬
feiler als Lederschuhzeug ist, so haben sich selbst die Wohlhabender" bisher noch
nicht von ihm zu trennen vermocht. ,

Nach dem, was ich bis jetzt sah, bin ich geneigt, die Angelner sür einen
hochgewachsenen, häufig aber schmalbrüstigen, nicht eben schönen Menschenschlag
zu halten. Die Gesichter sind oft ausdrucksvoll, namentlich bei den Männern,
haben bisweilen etwas Lauerndes und zeigen noch öfterer einen Zug von
Schwermuth. Im Gespräche mißtrauisch, kommen sie mir doch redseliger vor
als die Holsteiner. Auch dürften -- doch läßt sich darüber so rasch kein siche¬
res Urtheil fällen -- mehr geistige Regsamkeit, mehr Leselust und vielleicht auch
bessere Anlagen unter ihnen sein/als unter jenen. Daß sie aber ein größeres
Interesse an politischen Dingen bekunden und durch die That, wo es irgend
angeht, bewähren, ist eine ausgemachte Wahrheit, erklärt sich indeß sehr natür¬
lich aus dem Umstände, daß sie die letzten deutschredenden Schleswiger gegen
Norden und als solche von den auf Danisirung des Herzogthums berechneten
Maßregeln der Regierung am schwersten betroffen sind. Während man den
Süden nur mit einem aus untauglichen'oder tyrannischen Renegaten oder
Fanatikern zusammengesetzten Beamtenheere peinigt, kommt , hier der Sprach¬
zwang in Kirche und Schule, ausgeübt von Geistlichen, hinzu, welche jene
Beamten in. ihren üblen Eigenschaften beinahe durchgehends übertreffen und
dadurch in dem Beobachter eine Stimmung hervorrufen, bei der auch meine
Laune zu Ende gehen will. Statt alles weitern Raisonnements erzähle ich
Ihnen aus den von mir besuchten Kirchspielen ein paar bezeichnende Bei¬
spiele des Verfahrens und der Manieren dieser Herren vom schwarzen Rocke --
ein Verfahren und Manieren, die um so mehr aufbringen müssen, als die
Seelsorger, welche durch sie verdrängt wurden, ohne Ausnahme den Ruf
achtungswerther und würdiger Männer hinterlassen haben, und als das Volk
Angelus bis jetzt den Ruhm eines besonders religiösen besaß.

Der Pastor Thieß in Toll ist ein Renegat vom reinsten Wasser. Früher


schmalen, sondern auf der breiten Seite, und daß sie statt des bloßen Herdes
Schornsteine haben.

Eine andere Eigenthümlichkeit des Landes jenseits der Schlei ist der Holz¬
schuh, der nicht mit dem im Süden üblichen Holzpantoffel zu verwechseln ist,
bei dem nur die Sohle aus Holz besteht. Es ist vielmehr eine Fußbekleidung
ganz aus Holz, vorn über den Zehen in der Weise chinesischer Schuhe dschon-
kenschnabelartig empvrgebogen und unten mit zwei Absätzen, einem unter der
Ferse und einem unter dem Ballen, versehen. Ein Rest des sonst in Angeln
sast durchgehends verschwundenen Dänenthums, gibt er dem Gange der Be¬
völkerung, die sich seiner bei den Geschäften des täglichen Lebens fast aus¬
schließlich bedient, etwas überaus Unbeholfenes. Da er indeß bei dem feiten
Boden und dem feuchten Klima des Landes praktisch und auf alle Fälle wohl¬
feiler als Lederschuhzeug ist, so haben sich selbst die Wohlhabender» bisher noch
nicht von ihm zu trennen vermocht. ,

Nach dem, was ich bis jetzt sah, bin ich geneigt, die Angelner sür einen
hochgewachsenen, häufig aber schmalbrüstigen, nicht eben schönen Menschenschlag
zu halten. Die Gesichter sind oft ausdrucksvoll, namentlich bei den Männern,
haben bisweilen etwas Lauerndes und zeigen noch öfterer einen Zug von
Schwermuth. Im Gespräche mißtrauisch, kommen sie mir doch redseliger vor
als die Holsteiner. Auch dürften — doch läßt sich darüber so rasch kein siche¬
res Urtheil fällen — mehr geistige Regsamkeit, mehr Leselust und vielleicht auch
bessere Anlagen unter ihnen sein/als unter jenen. Daß sie aber ein größeres
Interesse an politischen Dingen bekunden und durch die That, wo es irgend
angeht, bewähren, ist eine ausgemachte Wahrheit, erklärt sich indeß sehr natür¬
lich aus dem Umstände, daß sie die letzten deutschredenden Schleswiger gegen
Norden und als solche von den auf Danisirung des Herzogthums berechneten
Maßregeln der Regierung am schwersten betroffen sind. Während man den
Süden nur mit einem aus untauglichen'oder tyrannischen Renegaten oder
Fanatikern zusammengesetzten Beamtenheere peinigt, kommt , hier der Sprach¬
zwang in Kirche und Schule, ausgeübt von Geistlichen, hinzu, welche jene
Beamten in. ihren üblen Eigenschaften beinahe durchgehends übertreffen und
dadurch in dem Beobachter eine Stimmung hervorrufen, bei der auch meine
Laune zu Ende gehen will. Statt alles weitern Raisonnements erzähle ich
Ihnen aus den von mir besuchten Kirchspielen ein paar bezeichnende Bei¬
spiele des Verfahrens und der Manieren dieser Herren vom schwarzen Rocke —
ein Verfahren und Manieren, die um so mehr aufbringen müssen, als die
Seelsorger, welche durch sie verdrängt wurden, ohne Ausnahme den Ruf
achtungswerther und würdiger Männer hinterlassen haben, und als das Volk
Angelus bis jetzt den Ruhm eines besonders religiösen besaß.

Der Pastor Thieß in Toll ist ein Renegat vom reinsten Wasser. Früher


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/389>, abgerufen am 23.05.2024.