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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

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hatte ihr Mann dem Proceß eine sehr bösartige Wendung gegeben, er hatte
die tollsten Anschuldigungen gegen sie vorgebracht und dabei doch die Rolle
des liebenden und vergehenden Gatten gespielt. Nach dem richterlichen Aus¬
spruch wurde nun das Verhältniß ziemlich wieder ins Geleise gebracht.
G. Sand behielt die Erziehung ihrer Tochter, -die Oberaufsicht über die Erziehung
des Sohnes blieb ihrem Mann, doch so, daß sie sich gütlich darüber ver¬
ständigten.

Nachdem diese Angelegenheiten geordnet waren, begab sie sich auf die
Einladung Liszts und seiner Freundin, der Gräfin Agonie, nach der Schweiz,
wo sie auch zuerst mit Lamartine und Berryer bekannt wurde. Sie war jetzt
ausschließliche Herrin in Nohant und empfing daselbst Liszt, Frau von Agonie
und andere als Gäste. In dieser Zeit starb ihre Mutter, bald darauf auch ihre
Schwiegermutter. Ihr Mann, durch das Erbe derselben günstiger gestellt,
verstand sich 1838 zu einem neuen Vertrag, in welchem die pecuniären Be¬
ziehungen definitiv geregelt wurden. Seit dieser Zeit sind keine Zwistigkeiten
zwischen ihnen mehr vorgekommen. Herr Düdevant hat sie bei der Hochzeit
ihrer Tochter in Nohant besucht.

Es folgen jetzt wieder eine Reihe politischer Betrachtungen von ziemlich
unerquicklichen Inhalt und unklar in die Erzählung verwebt; dagegen bildet
das Verhältniß zu Chopin am Schluß des Buchs noch eine anmuthige
Episode.

Um die Gesundheit ihres Sohnes herzustellen, beschloß G. Sand 1838,
ein wärmeres Klima zu suchen. Chopin, den sie täglich sah und "dessen Genie
und Charakter sie zärtlich liebte", sprach den Wunsch aus, sich ihr anzuschlie¬
ßen und so reisten sie in der That zusammen nach Majorka ab, wo sie seine
Krankenpflegerin wurde. Auch nach ihrer Rückkehr blieben sie zusammen, so-
wol in Paris, wie in Nohant und sie war die Vertraute aller seiner musika¬
lischen Inspirationen. Acht Jahre lang dauerte das innige Verhältniß, bis
sie sich einmal in einen Streit zwischen ihm und ihrem Sohn einmischte, wor¬
auf er traurig ausrief, sie liebe ihn nicht mehr. Dies bittre Wort entschied
den Bruch, sie hat ihn nicht mehr wiedergesehen.

Was darauf folgt, ist nur sehr flüchtig hingeworfen. Die Apotheose ihrer
politischen Freunde, Lamennais, Emile de Girardin, Pierre Lerour und Jean
Reynaud trägt doch mehr den Charakter einer Declamation und erregt uns
das Gefühl, daß es besser gewesen wäre, sie hätte sich nie in diese politischen
Träumereien eingelassen.

Noch ein Wood zum Schluß, um einem möglichen Mißverständniß vor¬
zubeugen. Wir glauben, daß ihre Erzählung im Wesentlichen genau und ehr¬
lich ist, daß sie in den meisten Conflicten, die sie uns berichtet, Recht gehabt hat
und daß die Verleumdungen, mit denen man sie verfolgte, in ihr wohl den


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hatte ihr Mann dem Proceß eine sehr bösartige Wendung gegeben, er hatte
die tollsten Anschuldigungen gegen sie vorgebracht und dabei doch die Rolle
des liebenden und vergehenden Gatten gespielt. Nach dem richterlichen Aus¬
spruch wurde nun das Verhältniß ziemlich wieder ins Geleise gebracht.
G. Sand behielt die Erziehung ihrer Tochter, -die Oberaufsicht über die Erziehung
des Sohnes blieb ihrem Mann, doch so, daß sie sich gütlich darüber ver¬
ständigten.

Nachdem diese Angelegenheiten geordnet waren, begab sie sich auf die
Einladung Liszts und seiner Freundin, der Gräfin Agonie, nach der Schweiz,
wo sie auch zuerst mit Lamartine und Berryer bekannt wurde. Sie war jetzt
ausschließliche Herrin in Nohant und empfing daselbst Liszt, Frau von Agonie
und andere als Gäste. In dieser Zeit starb ihre Mutter, bald darauf auch ihre
Schwiegermutter. Ihr Mann, durch das Erbe derselben günstiger gestellt,
verstand sich 1838 zu einem neuen Vertrag, in welchem die pecuniären Be¬
ziehungen definitiv geregelt wurden. Seit dieser Zeit sind keine Zwistigkeiten
zwischen ihnen mehr vorgekommen. Herr Düdevant hat sie bei der Hochzeit
ihrer Tochter in Nohant besucht.

Es folgen jetzt wieder eine Reihe politischer Betrachtungen von ziemlich
unerquicklichen Inhalt und unklar in die Erzählung verwebt; dagegen bildet
das Verhältniß zu Chopin am Schluß des Buchs noch eine anmuthige
Episode.

Um die Gesundheit ihres Sohnes herzustellen, beschloß G. Sand 1838,
ein wärmeres Klima zu suchen. Chopin, den sie täglich sah und „dessen Genie
und Charakter sie zärtlich liebte", sprach den Wunsch aus, sich ihr anzuschlie¬
ßen und so reisten sie in der That zusammen nach Majorka ab, wo sie seine
Krankenpflegerin wurde. Auch nach ihrer Rückkehr blieben sie zusammen, so-
wol in Paris, wie in Nohant und sie war die Vertraute aller seiner musika¬
lischen Inspirationen. Acht Jahre lang dauerte das innige Verhältniß, bis
sie sich einmal in einen Streit zwischen ihm und ihrem Sohn einmischte, wor¬
auf er traurig ausrief, sie liebe ihn nicht mehr. Dies bittre Wort entschied
den Bruch, sie hat ihn nicht mehr wiedergesehen.

Was darauf folgt, ist nur sehr flüchtig hingeworfen. Die Apotheose ihrer
politischen Freunde, Lamennais, Emile de Girardin, Pierre Lerour und Jean
Reynaud trägt doch mehr den Charakter einer Declamation und erregt uns
das Gefühl, daß es besser gewesen wäre, sie hätte sich nie in diese politischen
Träumereien eingelassen.

Noch ein Wood zum Schluß, um einem möglichen Mißverständniß vor¬
zubeugen. Wir glauben, daß ihre Erzählung im Wesentlichen genau und ehr¬
lich ist, daß sie in den meisten Conflicten, die sie uns berichtet, Recht gehabt hat
und daß die Verleumdungen, mit denen man sie verfolgte, in ihr wohl den


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[0497] hatte ihr Mann dem Proceß eine sehr bösartige Wendung gegeben, er hatte die tollsten Anschuldigungen gegen sie vorgebracht und dabei doch die Rolle des liebenden und vergehenden Gatten gespielt. Nach dem richterlichen Aus¬ spruch wurde nun das Verhältniß ziemlich wieder ins Geleise gebracht. G. Sand behielt die Erziehung ihrer Tochter, -die Oberaufsicht über die Erziehung des Sohnes blieb ihrem Mann, doch so, daß sie sich gütlich darüber ver¬ ständigten. Nachdem diese Angelegenheiten geordnet waren, begab sie sich auf die Einladung Liszts und seiner Freundin, der Gräfin Agonie, nach der Schweiz, wo sie auch zuerst mit Lamartine und Berryer bekannt wurde. Sie war jetzt ausschließliche Herrin in Nohant und empfing daselbst Liszt, Frau von Agonie und andere als Gäste. In dieser Zeit starb ihre Mutter, bald darauf auch ihre Schwiegermutter. Ihr Mann, durch das Erbe derselben günstiger gestellt, verstand sich 1838 zu einem neuen Vertrag, in welchem die pecuniären Be¬ ziehungen definitiv geregelt wurden. Seit dieser Zeit sind keine Zwistigkeiten zwischen ihnen mehr vorgekommen. Herr Düdevant hat sie bei der Hochzeit ihrer Tochter in Nohant besucht. Es folgen jetzt wieder eine Reihe politischer Betrachtungen von ziemlich unerquicklichen Inhalt und unklar in die Erzählung verwebt; dagegen bildet das Verhältniß zu Chopin am Schluß des Buchs noch eine anmuthige Episode. Um die Gesundheit ihres Sohnes herzustellen, beschloß G. Sand 1838, ein wärmeres Klima zu suchen. Chopin, den sie täglich sah und „dessen Genie und Charakter sie zärtlich liebte", sprach den Wunsch aus, sich ihr anzuschlie¬ ßen und so reisten sie in der That zusammen nach Majorka ab, wo sie seine Krankenpflegerin wurde. Auch nach ihrer Rückkehr blieben sie zusammen, so- wol in Paris, wie in Nohant und sie war die Vertraute aller seiner musika¬ lischen Inspirationen. Acht Jahre lang dauerte das innige Verhältniß, bis sie sich einmal in einen Streit zwischen ihm und ihrem Sohn einmischte, wor¬ auf er traurig ausrief, sie liebe ihn nicht mehr. Dies bittre Wort entschied den Bruch, sie hat ihn nicht mehr wiedergesehen. Was darauf folgt, ist nur sehr flüchtig hingeworfen. Die Apotheose ihrer politischen Freunde, Lamennais, Emile de Girardin, Pierre Lerour und Jean Reynaud trägt doch mehr den Charakter einer Declamation und erregt uns das Gefühl, daß es besser gewesen wäre, sie hätte sich nie in diese politischen Träumereien eingelassen. Noch ein Wood zum Schluß, um einem möglichen Mißverständniß vor¬ zubeugen. Wir glauben, daß ihre Erzählung im Wesentlichen genau und ehr¬ lich ist, daß sie in den meisten Conflicten, die sie uns berichtet, Recht gehabt hat und daß die Verleumdungen, mit denen man sie verfolgte, in ihr wohl den Grenzboten. IV. -I8so. 62

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/497>, abgerufen am 09.05.2024.