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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band.

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aber sehr sorgfältigen sprachlichen und sachlichen Erläuterungen bei den höheren
Lehranstalten einen wohlverdienten Ruhm erworben. Die Verbesserungen der
zweiten Auflage sind wieder sehr zweckmäßig. Der Verfasser hat bei den Ni¬
belungen die Lachmannschen Emendationen in den Text mit aufgenommen und
den-armen Heinrich ganz nach der Hauptfeder Recension mitgetheilt. Neu
hinzugekommen sind die vier letzten Abenteuer aus Reinhart Fuchs. Je wün-
schenswerther es ist, daß unsre Jugend mit den großen Leistungen der Ver¬
gangenheit bekannt gemacht wird, nicht in dilettantischer Weise, sondern durch
gründliches Studium, um so größere Verbreitung verdient ein Werk, welches
von den strengsten pädagogischen Principien ausgeht. "Zu einem gründlichen
grammatischen Studium der mittelhochdeutschen Sprache," sagt der Verfasser in
der Vorrede, "ist die Schule nicht der rechte Ort, und ein oberflächliches würde
nur die auf die Lectüre zu verwendende Zeit beschränken, ohne irgendetwas
zu wirken, als Verwirrung. Daher ist der einzige Weg: man lese .und lerne
lesen die Grammatik, welche zu einem verstehenden Lesen nothwendig ist." --

Die Sammlung von Pröhle enthält viele interessante neue Volks¬
lieder, die theils der mündlichen Tradition, theils den fliegenden Blättern,
die ohne Angabe der Zeit erscheinen, entnommen sind. "In den neuern und
neuesten fliegenden Blättern", sagt der Verfasser in der Vorrede, "sind die alten
Lieder noch zu finden, aber sparsam, und es charakterisiert die tiefe Gesunken-
heit der neuern fliegenden Blätter, namentlich im Vergleich mit dem Werth
der noch im Volksmunde sich erhaltenden Lieder, daß von den Balladen
dieser Sammlung keine in den fliegenden Blättern mir zu Gesichte kam, alle
dagegen sich noch im Volksmunde fanden. Ich habe die neuern fliegenden
Blätter neben vielen ältern aus ganz Deutschland redlich benutzt und mir auch einen
Einblick in dieses ganze Getriebe und Belehrung über diesen verkommenen
Literaturzweig zu verschaffen gesucht.....Wo die Darstellung von Mord¬
thaten aufkommt, wird das echte Volkslied ganz verdrängt; nie findet man die
gereimte Beschreibung einer Mordgeschichte mit einem echten Volksliede zu¬
sammengedruckt/" -- Ueber die" Composition dieser Mordgeschichten und der
dazu gehörigen scheußlichen Bilder gibt der Verfasser einige sehr ergötzliche
und belehrende Anekdoten. --

Der Ehrentempel ist eine Schulsammlung in der gewöhnlichen Weise.
Die Gedichte sind nach den Verfassern geordnet und jedes Mal eine kurze Bio¬
graphie hinzugefügt. Dasselbe Verfahren ist bei den prosaischen Ercerpten beob¬
achtet. Es sind auch einige ältere Schriften ausgenommen, .aber nur in ge¬
ringem Umfang. In der Methode der Auswahl haben wir keine Abweichung
von den herkömmlichen Gewohnheiten gesunden. Unter diesen scheint namentlich
die große Sammlung von Ignaz Hub stark benutzt zu sein. In der Prvsa-
lammlung ist die Auswahl unstreitig viel schwerer; wir können nicht sagen,


aber sehr sorgfältigen sprachlichen und sachlichen Erläuterungen bei den höheren
Lehranstalten einen wohlverdienten Ruhm erworben. Die Verbesserungen der
zweiten Auflage sind wieder sehr zweckmäßig. Der Verfasser hat bei den Ni¬
belungen die Lachmannschen Emendationen in den Text mit aufgenommen und
den-armen Heinrich ganz nach der Hauptfeder Recension mitgetheilt. Neu
hinzugekommen sind die vier letzten Abenteuer aus Reinhart Fuchs. Je wün-
schenswerther es ist, daß unsre Jugend mit den großen Leistungen der Ver¬
gangenheit bekannt gemacht wird, nicht in dilettantischer Weise, sondern durch
gründliches Studium, um so größere Verbreitung verdient ein Werk, welches
von den strengsten pädagogischen Principien ausgeht. „Zu einem gründlichen
grammatischen Studium der mittelhochdeutschen Sprache," sagt der Verfasser in
der Vorrede, „ist die Schule nicht der rechte Ort, und ein oberflächliches würde
nur die auf die Lectüre zu verwendende Zeit beschränken, ohne irgendetwas
zu wirken, als Verwirrung. Daher ist der einzige Weg: man lese .und lerne
lesen die Grammatik, welche zu einem verstehenden Lesen nothwendig ist." —

Die Sammlung von Pröhle enthält viele interessante neue Volks¬
lieder, die theils der mündlichen Tradition, theils den fliegenden Blättern,
die ohne Angabe der Zeit erscheinen, entnommen sind. „In den neuern und
neuesten fliegenden Blättern", sagt der Verfasser in der Vorrede, „sind die alten
Lieder noch zu finden, aber sparsam, und es charakterisiert die tiefe Gesunken-
heit der neuern fliegenden Blätter, namentlich im Vergleich mit dem Werth
der noch im Volksmunde sich erhaltenden Lieder, daß von den Balladen
dieser Sammlung keine in den fliegenden Blättern mir zu Gesichte kam, alle
dagegen sich noch im Volksmunde fanden. Ich habe die neuern fliegenden
Blätter neben vielen ältern aus ganz Deutschland redlich benutzt und mir auch einen
Einblick in dieses ganze Getriebe und Belehrung über diesen verkommenen
Literaturzweig zu verschaffen gesucht.....Wo die Darstellung von Mord¬
thaten aufkommt, wird das echte Volkslied ganz verdrängt; nie findet man die
gereimte Beschreibung einer Mordgeschichte mit einem echten Volksliede zu¬
sammengedruckt/" — Ueber die" Composition dieser Mordgeschichten und der
dazu gehörigen scheußlichen Bilder gibt der Verfasser einige sehr ergötzliche
und belehrende Anekdoten. —

Der Ehrentempel ist eine Schulsammlung in der gewöhnlichen Weise.
Die Gedichte sind nach den Verfassern geordnet und jedes Mal eine kurze Bio¬
graphie hinzugefügt. Dasselbe Verfahren ist bei den prosaischen Ercerpten beob¬
achtet. Es sind auch einige ältere Schriften ausgenommen, .aber nur in ge¬
ringem Umfang. In der Methode der Auswahl haben wir keine Abweichung
von den herkömmlichen Gewohnheiten gesunden. Unter diesen scheint namentlich
die große Sammlung von Ignaz Hub stark benutzt zu sein. In der Prvsa-
lammlung ist die Auswahl unstreitig viel schwerer; wir können nicht sagen,


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[0151] aber sehr sorgfältigen sprachlichen und sachlichen Erläuterungen bei den höheren Lehranstalten einen wohlverdienten Ruhm erworben. Die Verbesserungen der zweiten Auflage sind wieder sehr zweckmäßig. Der Verfasser hat bei den Ni¬ belungen die Lachmannschen Emendationen in den Text mit aufgenommen und den-armen Heinrich ganz nach der Hauptfeder Recension mitgetheilt. Neu hinzugekommen sind die vier letzten Abenteuer aus Reinhart Fuchs. Je wün- schenswerther es ist, daß unsre Jugend mit den großen Leistungen der Ver¬ gangenheit bekannt gemacht wird, nicht in dilettantischer Weise, sondern durch gründliches Studium, um so größere Verbreitung verdient ein Werk, welches von den strengsten pädagogischen Principien ausgeht. „Zu einem gründlichen grammatischen Studium der mittelhochdeutschen Sprache," sagt der Verfasser in der Vorrede, „ist die Schule nicht der rechte Ort, und ein oberflächliches würde nur die auf die Lectüre zu verwendende Zeit beschränken, ohne irgendetwas zu wirken, als Verwirrung. Daher ist der einzige Weg: man lese .und lerne lesen die Grammatik, welche zu einem verstehenden Lesen nothwendig ist." — Die Sammlung von Pröhle enthält viele interessante neue Volks¬ lieder, die theils der mündlichen Tradition, theils den fliegenden Blättern, die ohne Angabe der Zeit erscheinen, entnommen sind. „In den neuern und neuesten fliegenden Blättern", sagt der Verfasser in der Vorrede, „sind die alten Lieder noch zu finden, aber sparsam, und es charakterisiert die tiefe Gesunken- heit der neuern fliegenden Blätter, namentlich im Vergleich mit dem Werth der noch im Volksmunde sich erhaltenden Lieder, daß von den Balladen dieser Sammlung keine in den fliegenden Blättern mir zu Gesichte kam, alle dagegen sich noch im Volksmunde fanden. Ich habe die neuern fliegenden Blätter neben vielen ältern aus ganz Deutschland redlich benutzt und mir auch einen Einblick in dieses ganze Getriebe und Belehrung über diesen verkommenen Literaturzweig zu verschaffen gesucht.....Wo die Darstellung von Mord¬ thaten aufkommt, wird das echte Volkslied ganz verdrängt; nie findet man die gereimte Beschreibung einer Mordgeschichte mit einem echten Volksliede zu¬ sammengedruckt/" — Ueber die" Composition dieser Mordgeschichten und der dazu gehörigen scheußlichen Bilder gibt der Verfasser einige sehr ergötzliche und belehrende Anekdoten. — Der Ehrentempel ist eine Schulsammlung in der gewöhnlichen Weise. Die Gedichte sind nach den Verfassern geordnet und jedes Mal eine kurze Bio¬ graphie hinzugefügt. Dasselbe Verfahren ist bei den prosaischen Ercerpten beob¬ achtet. Es sind auch einige ältere Schriften ausgenommen, .aber nur in ge¬ ringem Umfang. In der Methode der Auswahl haben wir keine Abweichung von den herkömmlichen Gewohnheiten gesunden. Unter diesen scheint namentlich die große Sammlung von Ignaz Hub stark benutzt zu sein. In der Prvsa- lammlung ist die Auswahl unstreitig viel schwerer; wir können nicht sagen,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_98851/151>, abgerufen am 19.05.2024.