Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Abonnementsanzeige zum neuen Jahr.
Mit dem Anfange des neuen Jahres beginnen die Grenzboten
den XIV. Jahrgang. Die unterzeichnete Verlagshandlung erlaubt
sich zur Pränumerat'ion auf dieselben einzuladen, und bemerkt, daß alle
Buchhandlungen und Postämter Bestellungen annehmen.
Leipzig, im December -1834. ' Fr. Ludw. Herbig.

Briefwechsel Napoleons mit Joseph Bmmparte.

Dieser höchst interessante Briefwechsel, der in der uns vorliegenden deut¬
schen Uebersetzung (von or. Fink, Stuttgart, Franksche Verlagshandlung) mit
dem 33. Mai 1795 .beginnt und vor der Hand mit dem 20. Mai 1808 schließt,
obgleich das Original bereits vollständig erschienen ist, muß für einen der wich¬
tigsten Beiträge zur Kenntniß von Napoleons Charakter als Regent und als
Mensch gelten. Joseph, nacheinander König von Neapel und Spanien, war
der Aelteste der Napoleonischen Familie, hatte aber schon frühzeitig alle Rechte
des Seniorütö seinem zweiten Bruder, dem nachherigen Kaiser, dessen über¬
legener Begabung und kräftigem Charakter er sich bereitwillig unterordnete, ab¬
getreten. Die große Pietät, welche Joseph für seinen Bruder fühlte, und die
innige Freundschaft, die beide von Jugend auf aneinander fesselte, erleichterten
ersterem den aufopfernden Schritt, der eine Vergeltung in dem Vertrauen fand,
mit dem Napoleon seinen älteren Bruder in alle seine Pläne und Bestrebungen
einweihte. Ein Zeugniß davon legt dieser Briefwechsel ab, in welchem sich der
jugendliche General, der Consul und der gereiste Kaiser ohne die Umhüllung
schöner Phrasen dem brüderlichen Auge zeigt. Aus ihm lernen wir den streb¬
samen. Jüngling kennen, den warmherzigen Versorger seiner Familie, der jedem
Glied derselben mit unermüdlichem Eifer eine höhere Lebensstellung zu ver¬
schaffen sucht, der seine Schwestern verheirathet, seinen Brüdern und Vettern
Stellen verschafft, den zaghaften und argwöhnischen Liebhaber, den Verehrer
Nousseauischer Ideen und den aufrichtigen Anhänger der jungen Republik, den
jungen- General mit vielem Ehrgeiz aber ohne bestimmte Ziele. Aber allmälig
entwickeln sich die hochstrebenden und despotischen Elemente seines Charakters
zu vollster Blüte, der Sieg über die Sectionen fuhrt ihn zum ersten Mal auf
den größeren politischen Schauplatz, und er steigt so rasch, daß er, berauscht
vom Glück, alle zärtlicherer Gefühle vergißt, und selbst seine Brüder nur als
Stufen benutzt, um zur Weltherrschaft zu gelangen. Die vertraulichen Ergüsse
früherer Zeiten werden jetzt durch Macchiavellistische Rathschläge und später durch
harte Befehle ersetzt, und wir werden so vollständig in alle Geheimmittel der
despotischen und großartig selbstsüchtigen Politik Napoleons eingeweiht, daß


Grenzboten. I. -iLllll. 6

Abonnementsanzeige zum neuen Jahr.
Mit dem Anfange des neuen Jahres beginnen die Grenzboten
den XIV. Jahrgang. Die unterzeichnete Verlagshandlung erlaubt
sich zur Pränumerat'ion auf dieselben einzuladen, und bemerkt, daß alle
Buchhandlungen und Postämter Bestellungen annehmen.
Leipzig, im December -1834. ' Fr. Ludw. Herbig.

Briefwechsel Napoleons mit Joseph Bmmparte.

Dieser höchst interessante Briefwechsel, der in der uns vorliegenden deut¬
schen Uebersetzung (von or. Fink, Stuttgart, Franksche Verlagshandlung) mit
dem 33. Mai 1795 .beginnt und vor der Hand mit dem 20. Mai 1808 schließt,
obgleich das Original bereits vollständig erschienen ist, muß für einen der wich¬
tigsten Beiträge zur Kenntniß von Napoleons Charakter als Regent und als
Mensch gelten. Joseph, nacheinander König von Neapel und Spanien, war
der Aelteste der Napoleonischen Familie, hatte aber schon frühzeitig alle Rechte
des Seniorütö seinem zweiten Bruder, dem nachherigen Kaiser, dessen über¬
legener Begabung und kräftigem Charakter er sich bereitwillig unterordnete, ab¬
getreten. Die große Pietät, welche Joseph für seinen Bruder fühlte, und die
innige Freundschaft, die beide von Jugend auf aneinander fesselte, erleichterten
ersterem den aufopfernden Schritt, der eine Vergeltung in dem Vertrauen fand,
mit dem Napoleon seinen älteren Bruder in alle seine Pläne und Bestrebungen
einweihte. Ein Zeugniß davon legt dieser Briefwechsel ab, in welchem sich der
jugendliche General, der Consul und der gereiste Kaiser ohne die Umhüllung
schöner Phrasen dem brüderlichen Auge zeigt. Aus ihm lernen wir den streb¬
samen. Jüngling kennen, den warmherzigen Versorger seiner Familie, der jedem
Glied derselben mit unermüdlichem Eifer eine höhere Lebensstellung zu ver¬
schaffen sucht, der seine Schwestern verheirathet, seinen Brüdern und Vettern
Stellen verschafft, den zaghaften und argwöhnischen Liebhaber, den Verehrer
Nousseauischer Ideen und den aufrichtigen Anhänger der jungen Republik, den
jungen- General mit vielem Ehrgeiz aber ohne bestimmte Ziele. Aber allmälig
entwickeln sich die hochstrebenden und despotischen Elemente seines Charakters
zu vollster Blüte, der Sieg über die Sectionen fuhrt ihn zum ersten Mal auf
den größeren politischen Schauplatz, und er steigt so rasch, daß er, berauscht
vom Glück, alle zärtlicherer Gefühle vergißt, und selbst seine Brüder nur als
Stufen benutzt, um zur Weltherrschaft zu gelangen. Die vertraulichen Ergüsse
früherer Zeiten werden jetzt durch Macchiavellistische Rathschläge und später durch
harte Befehle ersetzt, und wir werden so vollständig in alle Geheimmittel der
despotischen und großartig selbstsüchtigen Politik Napoleons eingeweiht, daß


Grenzboten. I. -iLllll. 6
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0049" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/98901"/>
          </div>
        </div>
        <div>
          <floatingText>
            <body>
              <div type="advertisement">
                <p> Abonnementsanzeige zum neuen Jahr.<lb/>
Mit dem Anfange des neuen Jahres beginnen die Grenzboten<lb/>
den XIV. Jahrgang. Die unterzeichnete Verlagshandlung erlaubt<lb/>
sich zur Pränumerat'ion auf dieselben einzuladen, und bemerkt, daß alle<lb/>
Buchhandlungen und Postämter Bestellungen annehmen.<lb/>
Leipzig, im December -1834.    ' Fr. Ludw. Herbig.</p>
              </div>
            </body>
          </floatingText>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Briefwechsel Napoleons mit Joseph Bmmparte.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_177" next="#ID_178"> Dieser höchst interessante Briefwechsel, der in der uns vorliegenden deut¬<lb/>
schen Uebersetzung (von or. Fink, Stuttgart, Franksche Verlagshandlung) mit<lb/>
dem 33. Mai 1795 .beginnt und vor der Hand mit dem 20. Mai 1808 schließt,<lb/>
obgleich das Original bereits vollständig erschienen ist, muß für einen der wich¬<lb/>
tigsten Beiträge zur Kenntniß von Napoleons Charakter als Regent und als<lb/>
Mensch gelten.  Joseph, nacheinander König von Neapel und Spanien, war<lb/>
der Aelteste der Napoleonischen Familie, hatte aber schon frühzeitig alle Rechte<lb/>
des Seniorütö seinem zweiten Bruder, dem nachherigen Kaiser, dessen über¬<lb/>
legener Begabung und kräftigem Charakter er sich bereitwillig unterordnete, ab¬<lb/>
getreten.  Die große Pietät, welche Joseph für seinen Bruder fühlte, und die<lb/>
innige Freundschaft, die beide von Jugend auf aneinander fesselte, erleichterten<lb/>
ersterem den aufopfernden Schritt, der eine Vergeltung in dem Vertrauen fand,<lb/>
mit dem Napoleon seinen älteren Bruder in alle seine Pläne und Bestrebungen<lb/>
einweihte.  Ein Zeugniß davon legt dieser Briefwechsel ab, in welchem sich der<lb/>
jugendliche General, der Consul und der gereiste Kaiser ohne die Umhüllung<lb/>
schöner Phrasen dem brüderlichen Auge zeigt. Aus ihm lernen wir den streb¬<lb/>
samen. Jüngling kennen, den warmherzigen Versorger seiner Familie, der jedem<lb/>
Glied derselben mit unermüdlichem Eifer eine höhere Lebensstellung zu ver¬<lb/>
schaffen sucht, der seine Schwestern verheirathet, seinen Brüdern und Vettern<lb/>
Stellen verschafft, den zaghaften und argwöhnischen Liebhaber, den Verehrer<lb/>
Nousseauischer Ideen und den aufrichtigen Anhänger der jungen Republik, den<lb/>
jungen- General mit vielem Ehrgeiz aber ohne bestimmte Ziele.  Aber allmälig<lb/>
entwickeln sich die hochstrebenden und despotischen Elemente seines Charakters<lb/>
zu vollster Blüte, der Sieg über die Sectionen fuhrt ihn zum ersten Mal auf<lb/>
den größeren politischen Schauplatz, und er steigt so rasch, daß er, berauscht<lb/>
vom Glück, alle zärtlicherer Gefühle vergißt, und selbst seine Brüder nur als<lb/>
Stufen benutzt, um zur Weltherrschaft zu gelangen.  Die vertraulichen Ergüsse<lb/>
früherer Zeiten werden jetzt durch Macchiavellistische Rathschläge und später durch<lb/>
harte Befehle ersetzt, und wir werden so vollständig in alle Geheimmittel der<lb/>
despotischen und großartig selbstsüchtigen Politik Napoleons eingeweiht, daß</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten. I. -iLllll. 6</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0049] Abonnementsanzeige zum neuen Jahr. Mit dem Anfange des neuen Jahres beginnen die Grenzboten den XIV. Jahrgang. Die unterzeichnete Verlagshandlung erlaubt sich zur Pränumerat'ion auf dieselben einzuladen, und bemerkt, daß alle Buchhandlungen und Postämter Bestellungen annehmen. Leipzig, im December -1834. ' Fr. Ludw. Herbig. Briefwechsel Napoleons mit Joseph Bmmparte. Dieser höchst interessante Briefwechsel, der in der uns vorliegenden deut¬ schen Uebersetzung (von or. Fink, Stuttgart, Franksche Verlagshandlung) mit dem 33. Mai 1795 .beginnt und vor der Hand mit dem 20. Mai 1808 schließt, obgleich das Original bereits vollständig erschienen ist, muß für einen der wich¬ tigsten Beiträge zur Kenntniß von Napoleons Charakter als Regent und als Mensch gelten. Joseph, nacheinander König von Neapel und Spanien, war der Aelteste der Napoleonischen Familie, hatte aber schon frühzeitig alle Rechte des Seniorütö seinem zweiten Bruder, dem nachherigen Kaiser, dessen über¬ legener Begabung und kräftigem Charakter er sich bereitwillig unterordnete, ab¬ getreten. Die große Pietät, welche Joseph für seinen Bruder fühlte, und die innige Freundschaft, die beide von Jugend auf aneinander fesselte, erleichterten ersterem den aufopfernden Schritt, der eine Vergeltung in dem Vertrauen fand, mit dem Napoleon seinen älteren Bruder in alle seine Pläne und Bestrebungen einweihte. Ein Zeugniß davon legt dieser Briefwechsel ab, in welchem sich der jugendliche General, der Consul und der gereiste Kaiser ohne die Umhüllung schöner Phrasen dem brüderlichen Auge zeigt. Aus ihm lernen wir den streb¬ samen. Jüngling kennen, den warmherzigen Versorger seiner Familie, der jedem Glied derselben mit unermüdlichem Eifer eine höhere Lebensstellung zu ver¬ schaffen sucht, der seine Schwestern verheirathet, seinen Brüdern und Vettern Stellen verschafft, den zaghaften und argwöhnischen Liebhaber, den Verehrer Nousseauischer Ideen und den aufrichtigen Anhänger der jungen Republik, den jungen- General mit vielem Ehrgeiz aber ohne bestimmte Ziele. Aber allmälig entwickeln sich die hochstrebenden und despotischen Elemente seines Charakters zu vollster Blüte, der Sieg über die Sectionen fuhrt ihn zum ersten Mal auf den größeren politischen Schauplatz, und er steigt so rasch, daß er, berauscht vom Glück, alle zärtlicherer Gefühle vergißt, und selbst seine Brüder nur als Stufen benutzt, um zur Weltherrschaft zu gelangen. Die vertraulichen Ergüsse früherer Zeiten werden jetzt durch Macchiavellistische Rathschläge und später durch harte Befehle ersetzt, und wir werden so vollständig in alle Geheimmittel der despotischen und großartig selbstsüchtigen Politik Napoleons eingeweiht, daß Grenzboten. I. -iLllll. 6

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_98851
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_98851/49
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_98851/49>, abgerufen am 26.05.2024.