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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band.

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Nachdem der Medschliß in Stambul über Omer Paschas Ernennung zum
Höchstcommandirenden der osmanischen Streitkräfte in der Krim entschieden,
und die Konstantinopler Ordu unter Hassan Paschas Befehl dorthin beordert
worden ist, war dem Anciennitätsrecht nach Tossun Pascha, Commandant der
Ordu von Rumelien, der nächste zum Oberbefehl der Donauarmee. Man wird
ihn indeß aus guten Gründen übergehen und Achmed Pascha den Commando-
stab verleihen. Diese guten Gründe sind zunächst die Ungeeignetheit des erst¬
genannten zu einem selbstständigen Posten von dieser Bedeutung und sodann
der Umstand, daß Achmed Pascha Oestreich ganz besonders genehm sein würde.

Erlauben Sie mir, hiernächst noch mit einigen Federstrichen die Persönlich¬
keit des letzteren zu charakterisiren. Er ist von mehr wie mittlerer Größe, hat
ein ziemlich großes Gesicht, in dem eine gebogene Nase dominirt, viel Bart,
große türkisch geschlitzte Augen, und macht in seinem mit famosen schwarzen
Lammfell ausgeschlagenen Pelzpaletot, in seinen hohen Campagnestiefeln und
bei seiner etwas schwerfälligen Figur den Eindruck eines behäbigen deutschen
Rittergutsbesitzers aus früheren Zeiten. Zu Pferde scheint er nicht viel Aus¬
dauer zu haben, und lange Strecken legt er gern in seiner eleganten Wiener
Kutsche zurück.

Von den Untergeneralen Achmed Paschas glaube ich Sie vorzugsweise
auf Hussein/ Pascha aufmerksam machen zu müssen. Mit seinem Chef steht er
ziemlich in demselben Alter. Bei Oltenitza, wo er in der berühmt gewordenen
Schanze commandirte, war er noch Oberstlieutenant, als Oberst leitete er die
Vertheidigung von Arad- und Jilanli-Tabiasst, den beiden am heißesten an¬
gegriffenen Vorwerken von Silistria und wurde nach Abzug der Russen ver¬
dientermaßen zum Lloa Pascha ernannt. Bei größeren, ernsteren Vor¬
kommnissen würde Achmed Pascha in diesem Mann eine feste Stütze finden. ^




Correspondenzen.

-- -- Wie ich für bestimmt höre, ist es wirklich wahr, daß Preußen
dem Tractate vom 2. December darum nicht beitreten wolle, weil es, wie es er¬
klärt, seine Tragweite nicht zu übersehen vermöge. Wir würden diese Erklärung
ein Mißtrauensvotum gegen die Seemächte und Oestreich nennen können, wenn wir
nicht überzeugt wären, daß Preußen eine zu klare Einsicht in seine eignen höchsten
Interesse" habe, um Argwohn gegen dieselben das Motiv seiner Handlungsweise
sein zu lassen. Das preußische Cabinet möge sich beruhigen, Oestreich und die
Wcstmächte werden sich von der "Leidenschaft des Krieges" niemals soweit fort¬
reißen lassen, um die obersten Gesetze der Gerechtigkeit und Mäßigung zu verletzen.
Ist es übrigens jetzt an der Zeit, vor der "Leidenschaft des Krieges" zu warnen,
wo Polen von gewaltigen russischen Heeresmassen angefüllt ist? Uns dünkt, es wäre
vielmehr die Zeit gekommen, wo Preußen die durch den Aprilvertrag übernommenen


Grenzboten. I. 10

Nachdem der Medschliß in Stambul über Omer Paschas Ernennung zum
Höchstcommandirenden der osmanischen Streitkräfte in der Krim entschieden,
und die Konstantinopler Ordu unter Hassan Paschas Befehl dorthin beordert
worden ist, war dem Anciennitätsrecht nach Tossun Pascha, Commandant der
Ordu von Rumelien, der nächste zum Oberbefehl der Donauarmee. Man wird
ihn indeß aus guten Gründen übergehen und Achmed Pascha den Commando-
stab verleihen. Diese guten Gründe sind zunächst die Ungeeignetheit des erst¬
genannten zu einem selbstständigen Posten von dieser Bedeutung und sodann
der Umstand, daß Achmed Pascha Oestreich ganz besonders genehm sein würde.

Erlauben Sie mir, hiernächst noch mit einigen Federstrichen die Persönlich¬
keit des letzteren zu charakterisiren. Er ist von mehr wie mittlerer Größe, hat
ein ziemlich großes Gesicht, in dem eine gebogene Nase dominirt, viel Bart,
große türkisch geschlitzte Augen, und macht in seinem mit famosen schwarzen
Lammfell ausgeschlagenen Pelzpaletot, in seinen hohen Campagnestiefeln und
bei seiner etwas schwerfälligen Figur den Eindruck eines behäbigen deutschen
Rittergutsbesitzers aus früheren Zeiten. Zu Pferde scheint er nicht viel Aus¬
dauer zu haben, und lange Strecken legt er gern in seiner eleganten Wiener
Kutsche zurück.

Von den Untergeneralen Achmed Paschas glaube ich Sie vorzugsweise
auf Hussein/ Pascha aufmerksam machen zu müssen. Mit seinem Chef steht er
ziemlich in demselben Alter. Bei Oltenitza, wo er in der berühmt gewordenen
Schanze commandirte, war er noch Oberstlieutenant, als Oberst leitete er die
Vertheidigung von Arad- und Jilanli-Tabiasst, den beiden am heißesten an¬
gegriffenen Vorwerken von Silistria und wurde nach Abzug der Russen ver¬
dientermaßen zum Lloa Pascha ernannt. Bei größeren, ernsteren Vor¬
kommnissen würde Achmed Pascha in diesem Mann eine feste Stütze finden. ^




Correspondenzen.

— — Wie ich für bestimmt höre, ist es wirklich wahr, daß Preußen
dem Tractate vom 2. December darum nicht beitreten wolle, weil es, wie es er¬
klärt, seine Tragweite nicht zu übersehen vermöge. Wir würden diese Erklärung
ein Mißtrauensvotum gegen die Seemächte und Oestreich nennen können, wenn wir
nicht überzeugt wären, daß Preußen eine zu klare Einsicht in seine eignen höchsten
Interesse» habe, um Argwohn gegen dieselben das Motiv seiner Handlungsweise
sein zu lassen. Das preußische Cabinet möge sich beruhigen, Oestreich und die
Wcstmächte werden sich von der „Leidenschaft des Krieges" niemals soweit fort¬
reißen lassen, um die obersten Gesetze der Gerechtigkeit und Mäßigung zu verletzen.
Ist es übrigens jetzt an der Zeit, vor der „Leidenschaft des Krieges" zu warnen,
wo Polen von gewaltigen russischen Heeresmassen angefüllt ist? Uns dünkt, es wäre
vielmehr die Zeit gekommen, wo Preußen die durch den Aprilvertrag übernommenen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_98851/81>, abgerufen am 19.05.2024.