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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band.

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das entschiedenste annehmen. Herr Mommsen scheint den Zweck derselben
mißverstanden zu haben. Die Ausgabe ist nicht für den Gelehrten, son¬
dern allerdings für das gebildete Publicum geschrieben, aber nicht für den¬
jenigen Theil desselben, der über Shakespeare reden, sondern für denjenigen,
der ihn lesen will. Es gibt eine große Classe unsres Publicums, die Englisch
versteht und die sich an einer guten Poesie wol erfreuen kann, die aber jene
gelehrte Kenntniß des Shakespeare, ohne die man ihn nicht verstehen kann,
weder besitzt, noch sie sich anzueignen Zeit hat. Für diese Classe, die doch
hoffentlich auch einige Berücksichtigung verdient, hat Delius geschrieben. Er
gibt eine sprachliche Erklärung der schwierigen Stellen, gibt eine nach seiner
Ueberzeugung (die- er freilich in der vorliegenden Ausgabe weder begründen kann
noch darf) richtigen Tert und überläßt das Weitere dem eignen Nachdenken.
Wenn er durch einzelne Bemerkungen, sowie namentlich durch seine angehängte
Polemik gegen den alten Corrector, über die Grenzen seiner Aufgabe einiger¬
maßen hinaustritt, so ist das nur zufällig in Berücksichtigung augenblicklich
obwaltender Umstände geschehen. Eine philosophisch-kritische Ausgabe in der
Art, wie Herr Mommsen sie sich denkt, würde als buchhändlerisches Unterneh¬
men kaum möglich sein. Allerdings setzt eine Ausgabe wie die gegenwärtige
voraus, daß der Verfasser derselben im Stande sein mußte, auch eine kritisch-
philologische zu schreiben; diese würde aber dann wieder eine ganz andere
Haltung haben müssen, sie würde eben nur für den Gelehrten geschrieben sein
und nicht für den Schüler, nicht für das gebildete Publicum, welches den
Shakespeare wol lesen und verstehen, aber diese Lectüre nicht zur Lebensaufgabe
machen kann.

Wenn ein andrer Wunsch Mommsens, die Aufgabe von Delius billiger zu
stelle", befriedigt werden könnte, so wäre das allerdings sehr dankenswert!);
wahrscheinlich hängt die Möglichkeit von der größern oder geringern Theilnahme
des Publicums as. Also auch schon aus diesem Grunde wünschen wir eine mög¬
lichst rasche und umfangreiche Verbreitung; denn was man auch im Einzelnen
an der Ausgabe aussetzen mag, alle Anforderungen können unmöglich befrie¬
digt werden, und es ist doch schon ein großer Gewinn, wenn nur überhaupt für
diesen Zweck eine feste Grundlage gelegt ist. -- Uebrigens müssen wir bemerken,
daß auch der Preis, wie er jetzt gestellt ist (ungefähr 2 Sgr. für einen Bogen
Lerikonformat), doch nicht übertrieben genannt werden kann. --


Pscudv-Shakespearesche Dramen. Herausgegeben von "r. Nicolaus Delius.
1. und 2. Hest, Elberfeld, Friderichs. 1836. --

Diese Ausgabe gibt nur den kritisch revidirten Text nebst einer kurzen
Einleitung über die Quellen und über die Entstehung der Dramen. Die bei-
den vorliegenden Hefte enthalten "Edward III." und "Arten of Feversham".


das entschiedenste annehmen. Herr Mommsen scheint den Zweck derselben
mißverstanden zu haben. Die Ausgabe ist nicht für den Gelehrten, son¬
dern allerdings für das gebildete Publicum geschrieben, aber nicht für den¬
jenigen Theil desselben, der über Shakespeare reden, sondern für denjenigen,
der ihn lesen will. Es gibt eine große Classe unsres Publicums, die Englisch
versteht und die sich an einer guten Poesie wol erfreuen kann, die aber jene
gelehrte Kenntniß des Shakespeare, ohne die man ihn nicht verstehen kann,
weder besitzt, noch sie sich anzueignen Zeit hat. Für diese Classe, die doch
hoffentlich auch einige Berücksichtigung verdient, hat Delius geschrieben. Er
gibt eine sprachliche Erklärung der schwierigen Stellen, gibt eine nach seiner
Ueberzeugung (die- er freilich in der vorliegenden Ausgabe weder begründen kann
noch darf) richtigen Tert und überläßt das Weitere dem eignen Nachdenken.
Wenn er durch einzelne Bemerkungen, sowie namentlich durch seine angehängte
Polemik gegen den alten Corrector, über die Grenzen seiner Aufgabe einiger¬
maßen hinaustritt, so ist das nur zufällig in Berücksichtigung augenblicklich
obwaltender Umstände geschehen. Eine philosophisch-kritische Ausgabe in der
Art, wie Herr Mommsen sie sich denkt, würde als buchhändlerisches Unterneh¬
men kaum möglich sein. Allerdings setzt eine Ausgabe wie die gegenwärtige
voraus, daß der Verfasser derselben im Stande sein mußte, auch eine kritisch-
philologische zu schreiben; diese würde aber dann wieder eine ganz andere
Haltung haben müssen, sie würde eben nur für den Gelehrten geschrieben sein
und nicht für den Schüler, nicht für das gebildete Publicum, welches den
Shakespeare wol lesen und verstehen, aber diese Lectüre nicht zur Lebensaufgabe
machen kann.

Wenn ein andrer Wunsch Mommsens, die Aufgabe von Delius billiger zu
stelle», befriedigt werden könnte, so wäre das allerdings sehr dankenswert!);
wahrscheinlich hängt die Möglichkeit von der größern oder geringern Theilnahme
des Publicums as. Also auch schon aus diesem Grunde wünschen wir eine mög¬
lichst rasche und umfangreiche Verbreitung; denn was man auch im Einzelnen
an der Ausgabe aussetzen mag, alle Anforderungen können unmöglich befrie¬
digt werden, und es ist doch schon ein großer Gewinn, wenn nur überhaupt für
diesen Zweck eine feste Grundlage gelegt ist. — Uebrigens müssen wir bemerken,
daß auch der Preis, wie er jetzt gestellt ist (ungefähr 2 Sgr. für einen Bogen
Lerikonformat), doch nicht übertrieben genannt werden kann. —


Pscudv-Shakespearesche Dramen. Herausgegeben von »r. Nicolaus Delius.
1. und 2. Hest, Elberfeld, Friderichs. 1836. —

Diese Ausgabe gibt nur den kritisch revidirten Text nebst einer kurzen
Einleitung über die Quellen und über die Entstehung der Dramen. Die bei-
den vorliegenden Hefte enthalten „Edward III." und „Arten of Feversham".


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[0359] das entschiedenste annehmen. Herr Mommsen scheint den Zweck derselben mißverstanden zu haben. Die Ausgabe ist nicht für den Gelehrten, son¬ dern allerdings für das gebildete Publicum geschrieben, aber nicht für den¬ jenigen Theil desselben, der über Shakespeare reden, sondern für denjenigen, der ihn lesen will. Es gibt eine große Classe unsres Publicums, die Englisch versteht und die sich an einer guten Poesie wol erfreuen kann, die aber jene gelehrte Kenntniß des Shakespeare, ohne die man ihn nicht verstehen kann, weder besitzt, noch sie sich anzueignen Zeit hat. Für diese Classe, die doch hoffentlich auch einige Berücksichtigung verdient, hat Delius geschrieben. Er gibt eine sprachliche Erklärung der schwierigen Stellen, gibt eine nach seiner Ueberzeugung (die- er freilich in der vorliegenden Ausgabe weder begründen kann noch darf) richtigen Tert und überläßt das Weitere dem eignen Nachdenken. Wenn er durch einzelne Bemerkungen, sowie namentlich durch seine angehängte Polemik gegen den alten Corrector, über die Grenzen seiner Aufgabe einiger¬ maßen hinaustritt, so ist das nur zufällig in Berücksichtigung augenblicklich obwaltender Umstände geschehen. Eine philosophisch-kritische Ausgabe in der Art, wie Herr Mommsen sie sich denkt, würde als buchhändlerisches Unterneh¬ men kaum möglich sein. Allerdings setzt eine Ausgabe wie die gegenwärtige voraus, daß der Verfasser derselben im Stande sein mußte, auch eine kritisch- philologische zu schreiben; diese würde aber dann wieder eine ganz andere Haltung haben müssen, sie würde eben nur für den Gelehrten geschrieben sein und nicht für den Schüler, nicht für das gebildete Publicum, welches den Shakespeare wol lesen und verstehen, aber diese Lectüre nicht zur Lebensaufgabe machen kann. Wenn ein andrer Wunsch Mommsens, die Aufgabe von Delius billiger zu stelle», befriedigt werden könnte, so wäre das allerdings sehr dankenswert!); wahrscheinlich hängt die Möglichkeit von der größern oder geringern Theilnahme des Publicums as. Also auch schon aus diesem Grunde wünschen wir eine mög¬ lichst rasche und umfangreiche Verbreitung; denn was man auch im Einzelnen an der Ausgabe aussetzen mag, alle Anforderungen können unmöglich befrie¬ digt werden, und es ist doch schon ein großer Gewinn, wenn nur überhaupt für diesen Zweck eine feste Grundlage gelegt ist. — Uebrigens müssen wir bemerken, daß auch der Preis, wie er jetzt gestellt ist (ungefähr 2 Sgr. für einen Bogen Lerikonformat), doch nicht übertrieben genannt werden kann. — Pscudv-Shakespearesche Dramen. Herausgegeben von »r. Nicolaus Delius. 1. und 2. Hest, Elberfeld, Friderichs. 1836. — Diese Ausgabe gibt nur den kritisch revidirten Text nebst einer kurzen Einleitung über die Quellen und über die Entstehung der Dramen. Die bei- den vorliegenden Hefte enthalten „Edward III." und „Arten of Feversham".

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99385/359>, abgerufen am 27.05.2024.