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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band.

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einander im Feuerverbande stehen, zwischen ihnen hindurchzugehen oder sich in
den Zwischenraum einzuschieben. Denkt man sich die ganze Festung von einer
Linie detachirter Schanzen umschlossen, so muß für diesen Fall jedermann ein-
leuchten, daß dadurch der Feind von der Enceinte gänzlich abgedrängt sein
und für ihn die Frage entstehen wird, einen dermaßen erweiterten Vertheidi-
gungskreiö abzuschließen. Glaubt der Ingenieur, daß einer großen Belagerungs-
armee die Einschließung noch gelingen könne, so hat er als Auskunftsmittel
dagegen zu einer zweiten Linie detachirter Werke zu greifen, die noch im Feuer¬
kreise der erstem gelegen sein würde; ja es ist nicht undenkbar, daß er stellen-
weise eine dritte etabliren könnte. Sind die vorgeschobenen Schanzen von be¬
trächtlicher Stärke und in gewissem Sinne selbstständig, so nennt man sie
detachirte Forts. Nirgends hat das System den Vertheidigungskreiö in dieser
Weise zu erweitern, um den Feind fernzuhalten und die Einschließung zu ver¬
hindern, eine großartigere Anwendung gefunden, als bei der Befestigung von
Paris. Es ist klar, daß durch dieses Verfahren großen Festungen nicht nur
die Verbindung nach außen offen erhalten werden kann, sondern daß sie da¬
durch auch gegen das Bombardement so lange gesichert sind, bis die Linie der
Forts durch Eroberung einiger derselben durchbrochen ist, Außerdem wird damit
dem Vertheidigungskriege zwischen den detachirten Werken und der Enceinte
ein weiter, gesicherter Raum gewonnen, in welchem große geschlagene Armeen
Zuflucht finden können und wo sie zugleich sich in der Lage befinden werden,
unter günstigen Verhältnissen den Kampf wieder aufzunehmen. Daher der
Ausspruch: "unsre großen modernen Festungen sind befestigte Schlachtfelder."
AIS im Jahre 1806 die preußische Armee nach der unglücklichen Schlacht von
Jena unter den Kanonen von Magdeburg Schutz suchen wollte, vermochte
dieser Platz der an ihn gemachten Anforderung nicht zu entsprechen. Die
Infanterie fand im Innern nicht Raum genug und mußte im gedeckten Wege
und auf dem Glacis lagern. Wäre dagegen Magdeburg mit einer Linie de¬
tachirter Werke umgeben gewesen, so würde das geschlagene Heer hier einen
Ruhepunkt gefunden, sich reorganisirt und verstärkt haben und kaum hätte
Napoleon es unter solchen Umständen gewagt, die Elbe zu überschreiten.

Soweit von der durch den Ingenieur auf dem Vorterrain der Festung
zu lösenden Aufgabe. Jetzt zu der andern, die sich ihm im Innern der En¬
ceinte in Rücksicht auf einen etwaigen Durchbruch stellt.

Es ist klar, daß die Befestigungskunst hier zwei Wege und zwar entweder
je einen von beiden oder beide zugleich verfolgen kann. Sie kann nämlich
einmal es sich zum Ziel setzen, eine jede Fronte mit einem Rückenabschluß zu
versehen, dergestalt, daß die Enceinte, im Gegensatze zu der äußern Linie de¬
tachirter Forts eine innere Linie zusammengeschlossener Forts darstellt, das
andre Mal kann sie ein Kernwerk oder ein großes Reduit schaffen, welches


einander im Feuerverbande stehen, zwischen ihnen hindurchzugehen oder sich in
den Zwischenraum einzuschieben. Denkt man sich die ganze Festung von einer
Linie detachirter Schanzen umschlossen, so muß für diesen Fall jedermann ein-
leuchten, daß dadurch der Feind von der Enceinte gänzlich abgedrängt sein
und für ihn die Frage entstehen wird, einen dermaßen erweiterten Vertheidi-
gungskreiö abzuschließen. Glaubt der Ingenieur, daß einer großen Belagerungs-
armee die Einschließung noch gelingen könne, so hat er als Auskunftsmittel
dagegen zu einer zweiten Linie detachirter Werke zu greifen, die noch im Feuer¬
kreise der erstem gelegen sein würde; ja es ist nicht undenkbar, daß er stellen-
weise eine dritte etabliren könnte. Sind die vorgeschobenen Schanzen von be¬
trächtlicher Stärke und in gewissem Sinne selbstständig, so nennt man sie
detachirte Forts. Nirgends hat das System den Vertheidigungskreiö in dieser
Weise zu erweitern, um den Feind fernzuhalten und die Einschließung zu ver¬
hindern, eine großartigere Anwendung gefunden, als bei der Befestigung von
Paris. Es ist klar, daß durch dieses Verfahren großen Festungen nicht nur
die Verbindung nach außen offen erhalten werden kann, sondern daß sie da¬
durch auch gegen das Bombardement so lange gesichert sind, bis die Linie der
Forts durch Eroberung einiger derselben durchbrochen ist, Außerdem wird damit
dem Vertheidigungskriege zwischen den detachirten Werken und der Enceinte
ein weiter, gesicherter Raum gewonnen, in welchem große geschlagene Armeen
Zuflucht finden können und wo sie zugleich sich in der Lage befinden werden,
unter günstigen Verhältnissen den Kampf wieder aufzunehmen. Daher der
Ausspruch: „unsre großen modernen Festungen sind befestigte Schlachtfelder."
AIS im Jahre 1806 die preußische Armee nach der unglücklichen Schlacht von
Jena unter den Kanonen von Magdeburg Schutz suchen wollte, vermochte
dieser Platz der an ihn gemachten Anforderung nicht zu entsprechen. Die
Infanterie fand im Innern nicht Raum genug und mußte im gedeckten Wege
und auf dem Glacis lagern. Wäre dagegen Magdeburg mit einer Linie de¬
tachirter Werke umgeben gewesen, so würde das geschlagene Heer hier einen
Ruhepunkt gefunden, sich reorganisirt und verstärkt haben und kaum hätte
Napoleon es unter solchen Umständen gewagt, die Elbe zu überschreiten.

Soweit von der durch den Ingenieur auf dem Vorterrain der Festung
zu lösenden Aufgabe. Jetzt zu der andern, die sich ihm im Innern der En¬
ceinte in Rücksicht auf einen etwaigen Durchbruch stellt.

Es ist klar, daß die Befestigungskunst hier zwei Wege und zwar entweder
je einen von beiden oder beide zugleich verfolgen kann. Sie kann nämlich
einmal es sich zum Ziel setzen, eine jede Fronte mit einem Rückenabschluß zu
versehen, dergestalt, daß die Enceinte, im Gegensatze zu der äußern Linie de¬
tachirter Forts eine innere Linie zusammengeschlossener Forts darstellt, das
andre Mal kann sie ein Kernwerk oder ein großes Reduit schaffen, welches


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919/118>, abgerufen am 22.05.2024.