Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

seie hinausreicht, daß der 5i. Satz im 13. Buche der Euklidschen Elemente in
Anwendung kommt und daß also diese Elemente schon bei Errichtung der
Pyramiden wenigstens zum Theil gekannt worden waren. Nach der Ent¬
deckung des Verfassers ist es der Seite 8 angegebene Triangel, welcher gleich¬
sam die Basis der Pyramiden bildet. Aus seiner Construction ergeben sich
denn anch wirklich alle Verhältnisse der einzelnen Theile der Pyramiden, von
denen Herr Roher -16 berechnet und deren Seite 21 und A2 dargestellte syste¬
matische Zusammenstellung die allen zum Grunde liegende Einheit bis zur
vollsten Evidenz darthut. Vor der Berechnung jeder einzelnen Pyramide, die
übrigens, wie schon damals bei den Tempel", bis auf wenige Decimalen mit
der Messungsangabe übereinstimmt, gibt Herr Roher stets einige kurze hi¬
storische Notizen über die Entstehung, Lage und Einrichtung derselben.

Mit besonderer Berücksichtigung dessen, waS Ritter Bunsen über die
Pyramiden sagt, scheint uns im Allgemeinen aus der Nöberschen Schrift her¬
vorzugehen, daß

1) die Pyramiden bisher keineswegs verstanden vor uns gelegen haben,
sondern daß erst der mathematische Organismus zu einem nähern,
wenn auch noch nicht vollkommenen Verständniß führt; daß
2) dieser Organismus allerdings Jahrtausende lang unbekannt geblieben
ist, wenigstens den Griechen unbekannt gewesen zu sein scheint; daß
3) die große Pyramide von Gizeh keineswegs die "eigentlich mathema¬
tische" ist, da sie alle denselben geometrischen Charakter an sich tragen
und jene sich nur durch einen etwas abweichenden Organismus aus¬
zeichnet; daß
i) sich bei allen Pyramiden, trotz ihrer theilweisen Zerstörung, die Ver¬
hältnisse nachweisen lassen; und daß endlich
5) die Einheit des Maßes sich keineswegs als geeignetes Mittel zur Er¬
klärung des Organismus bewährt. Denn die Couden sind, ausge¬
nommen bei der großen Pyramide, etwas sehr Untergeordnetes, die
Verhältnisse beruhen auf quadratischen Rechnungen. Dadurch aber
beweisen diese Constructionen aufs neue, daß, um in das innere
. Wesen der ägyptischen Wissenschaften einzudringen, das mathematische
Element durchaus nicht vernachlässigt werden darf.

Die Untersuchungen über die Grundformen der ägyptischen Tempel und
Pyramiden haben nächstdem den Herrn Verfasser veranlaßt, ebenfalls die alt
dorischen Bauten, den Parthenon, in näheren Betracht zu ziehen. Wie bei
jenen, so wurde auch hier ein geometrischer, auf proportionalen Verhältnissen
beruhender Organismus entdeckt, den wir am Schlüsse des Werkes im Interesse
der bildenden Kunst erörtert finden und welcher zu beweisen scheint, daß die
Griechen ihre geometrischen Formen für diesen so tief bewunderten Tempel von


seie hinausreicht, daß der 5i. Satz im 13. Buche der Euklidschen Elemente in
Anwendung kommt und daß also diese Elemente schon bei Errichtung der
Pyramiden wenigstens zum Theil gekannt worden waren. Nach der Ent¬
deckung des Verfassers ist es der Seite 8 angegebene Triangel, welcher gleich¬
sam die Basis der Pyramiden bildet. Aus seiner Construction ergeben sich
denn anch wirklich alle Verhältnisse der einzelnen Theile der Pyramiden, von
denen Herr Roher -16 berechnet und deren Seite 21 und A2 dargestellte syste¬
matische Zusammenstellung die allen zum Grunde liegende Einheit bis zur
vollsten Evidenz darthut. Vor der Berechnung jeder einzelnen Pyramide, die
übrigens, wie schon damals bei den Tempel», bis auf wenige Decimalen mit
der Messungsangabe übereinstimmt, gibt Herr Roher stets einige kurze hi¬
storische Notizen über die Entstehung, Lage und Einrichtung derselben.

Mit besonderer Berücksichtigung dessen, waS Ritter Bunsen über die
Pyramiden sagt, scheint uns im Allgemeinen aus der Nöberschen Schrift her¬
vorzugehen, daß

1) die Pyramiden bisher keineswegs verstanden vor uns gelegen haben,
sondern daß erst der mathematische Organismus zu einem nähern,
wenn auch noch nicht vollkommenen Verständniß führt; daß
2) dieser Organismus allerdings Jahrtausende lang unbekannt geblieben
ist, wenigstens den Griechen unbekannt gewesen zu sein scheint; daß
3) die große Pyramide von Gizeh keineswegs die „eigentlich mathema¬
tische" ist, da sie alle denselben geometrischen Charakter an sich tragen
und jene sich nur durch einen etwas abweichenden Organismus aus¬
zeichnet; daß
i) sich bei allen Pyramiden, trotz ihrer theilweisen Zerstörung, die Ver¬
hältnisse nachweisen lassen; und daß endlich
5) die Einheit des Maßes sich keineswegs als geeignetes Mittel zur Er¬
klärung des Organismus bewährt. Denn die Couden sind, ausge¬
nommen bei der großen Pyramide, etwas sehr Untergeordnetes, die
Verhältnisse beruhen auf quadratischen Rechnungen. Dadurch aber
beweisen diese Constructionen aufs neue, daß, um in das innere
. Wesen der ägyptischen Wissenschaften einzudringen, das mathematische
Element durchaus nicht vernachlässigt werden darf.

Die Untersuchungen über die Grundformen der ägyptischen Tempel und
Pyramiden haben nächstdem den Herrn Verfasser veranlaßt, ebenfalls die alt
dorischen Bauten, den Parthenon, in näheren Betracht zu ziehen. Wie bei
jenen, so wurde auch hier ein geometrischer, auf proportionalen Verhältnissen
beruhender Organismus entdeckt, den wir am Schlüsse des Werkes im Interesse
der bildenden Kunst erörtert finden und welcher zu beweisen scheint, daß die
Griechen ihre geometrischen Formen für diesen so tief bewunderten Tempel von


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0122" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/100042"/>
          <p xml:id="ID_351" prev="#ID_350"> seie hinausreicht, daß der 5i. Satz im 13. Buche der Euklidschen Elemente in<lb/>
Anwendung kommt und daß also diese Elemente schon bei Errichtung der<lb/>
Pyramiden wenigstens zum Theil gekannt worden waren. Nach der Ent¬<lb/>
deckung des Verfassers ist es der Seite 8 angegebene Triangel, welcher gleich¬<lb/>
sam die Basis der Pyramiden bildet. Aus seiner Construction ergeben sich<lb/>
denn anch wirklich alle Verhältnisse der einzelnen Theile der Pyramiden, von<lb/>
denen Herr Roher -16 berechnet und deren Seite 21 und A2 dargestellte syste¬<lb/>
matische Zusammenstellung die allen zum Grunde liegende Einheit bis zur<lb/>
vollsten Evidenz darthut. Vor der Berechnung jeder einzelnen Pyramide, die<lb/>
übrigens, wie schon damals bei den Tempel», bis auf wenige Decimalen mit<lb/>
der Messungsangabe übereinstimmt, gibt Herr Roher stets einige kurze hi¬<lb/>
storische Notizen über die Entstehung, Lage und Einrichtung derselben.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_352"> Mit besonderer Berücksichtigung dessen, waS Ritter Bunsen über die<lb/>
Pyramiden sagt, scheint uns im Allgemeinen aus der Nöberschen Schrift her¬<lb/>
vorzugehen, daß</p><lb/>
          <list>
            <item> 1) die Pyramiden bisher keineswegs verstanden vor uns gelegen haben,<lb/>
sondern daß erst der mathematische Organismus zu einem nähern,<lb/>
wenn auch noch nicht vollkommenen Verständniß führt; daß</item>
            <item> 2) dieser Organismus allerdings Jahrtausende lang unbekannt geblieben<lb/>
ist, wenigstens den Griechen unbekannt gewesen zu sein scheint; daß</item>
            <item> 3) die große Pyramide von Gizeh keineswegs die &#x201E;eigentlich mathema¬<lb/>
tische" ist, da sie alle denselben geometrischen Charakter an sich tragen<lb/>
und jene sich nur durch einen etwas abweichenden Organismus aus¬<lb/>
zeichnet; daß</item>
            <item> i) sich bei allen Pyramiden, trotz ihrer theilweisen Zerstörung, die Ver¬<lb/>
hältnisse nachweisen lassen; und daß endlich</item>
            <item> 5) die Einheit des Maßes sich keineswegs als geeignetes Mittel zur Er¬<lb/>
klärung des Organismus bewährt. Denn die Couden sind, ausge¬<lb/>
nommen bei der großen Pyramide, etwas sehr Untergeordnetes, die<lb/>
Verhältnisse beruhen auf quadratischen Rechnungen. Dadurch aber<lb/>
beweisen diese Constructionen aufs neue, daß, um in das innere<lb/>
.  Wesen der ägyptischen Wissenschaften einzudringen, das mathematische<lb/>
Element durchaus nicht vernachlässigt werden darf.</item>
          </list><lb/>
          <p xml:id="ID_353" next="#ID_354"> Die Untersuchungen über die Grundformen der ägyptischen Tempel und<lb/>
Pyramiden haben nächstdem den Herrn Verfasser veranlaßt, ebenfalls die alt<lb/>
dorischen Bauten, den Parthenon, in näheren Betracht zu ziehen. Wie bei<lb/>
jenen, so wurde auch hier ein geometrischer, auf proportionalen Verhältnissen<lb/>
beruhender Organismus entdeckt, den wir am Schlüsse des Werkes im Interesse<lb/>
der bildenden Kunst erörtert finden und welcher zu beweisen scheint, daß die<lb/>
Griechen ihre geometrischen Formen für diesen so tief bewunderten Tempel von</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0122] seie hinausreicht, daß der 5i. Satz im 13. Buche der Euklidschen Elemente in Anwendung kommt und daß also diese Elemente schon bei Errichtung der Pyramiden wenigstens zum Theil gekannt worden waren. Nach der Ent¬ deckung des Verfassers ist es der Seite 8 angegebene Triangel, welcher gleich¬ sam die Basis der Pyramiden bildet. Aus seiner Construction ergeben sich denn anch wirklich alle Verhältnisse der einzelnen Theile der Pyramiden, von denen Herr Roher -16 berechnet und deren Seite 21 und A2 dargestellte syste¬ matische Zusammenstellung die allen zum Grunde liegende Einheit bis zur vollsten Evidenz darthut. Vor der Berechnung jeder einzelnen Pyramide, die übrigens, wie schon damals bei den Tempel», bis auf wenige Decimalen mit der Messungsangabe übereinstimmt, gibt Herr Roher stets einige kurze hi¬ storische Notizen über die Entstehung, Lage und Einrichtung derselben. Mit besonderer Berücksichtigung dessen, waS Ritter Bunsen über die Pyramiden sagt, scheint uns im Allgemeinen aus der Nöberschen Schrift her¬ vorzugehen, daß 1) die Pyramiden bisher keineswegs verstanden vor uns gelegen haben, sondern daß erst der mathematische Organismus zu einem nähern, wenn auch noch nicht vollkommenen Verständniß führt; daß 2) dieser Organismus allerdings Jahrtausende lang unbekannt geblieben ist, wenigstens den Griechen unbekannt gewesen zu sein scheint; daß 3) die große Pyramide von Gizeh keineswegs die „eigentlich mathema¬ tische" ist, da sie alle denselben geometrischen Charakter an sich tragen und jene sich nur durch einen etwas abweichenden Organismus aus¬ zeichnet; daß i) sich bei allen Pyramiden, trotz ihrer theilweisen Zerstörung, die Ver¬ hältnisse nachweisen lassen; und daß endlich 5) die Einheit des Maßes sich keineswegs als geeignetes Mittel zur Er¬ klärung des Organismus bewährt. Denn die Couden sind, ausge¬ nommen bei der großen Pyramide, etwas sehr Untergeordnetes, die Verhältnisse beruhen auf quadratischen Rechnungen. Dadurch aber beweisen diese Constructionen aufs neue, daß, um in das innere . Wesen der ägyptischen Wissenschaften einzudringen, das mathematische Element durchaus nicht vernachlässigt werden darf. Die Untersuchungen über die Grundformen der ägyptischen Tempel und Pyramiden haben nächstdem den Herrn Verfasser veranlaßt, ebenfalls die alt dorischen Bauten, den Parthenon, in näheren Betracht zu ziehen. Wie bei jenen, so wurde auch hier ein geometrischer, auf proportionalen Verhältnissen beruhender Organismus entdeckt, den wir am Schlüsse des Werkes im Interesse der bildenden Kunst erörtert finden und welcher zu beweisen scheint, daß die Griechen ihre geometrischen Formen für diesen so tief bewunderten Tempel von

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919/122
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919/122>, abgerufen am 22.05.2024.