Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Werke zu schreiben. Aber seine Reminiscenzen aus -1848 werden ihm nicht
viel helfen. Er hat als Dilettant einer dilettantischen Beschäftigung zugesehen,
er hat sich dilettantisch darüber moquirt, und seine politische Einsicht ist nicht
um einen Gran vermehrt worden. Der Dilettantismus verstimmt und ver¬
bittert; die Freude am Leben wird nicht ausbleiben, wenn er das wirkliche
Leben zu erkennen sucht.--


Therese Krones. Roman aus Wiens jüngster Vergangenheit. Von Otto
Horn. Drei Bände. Zweite Auslage. Wien, Hügel.---

Ferdinand Raimund. Roman aus Wiens jüngster Vergangenheit. Von Otto
Horn. Drei Bände. Wien, Hügel. --

. Der Verfasser dieser beiden Romane, Adolph Bäuerle, hat seine Erinne¬
rungen aus dem wiener Theaterklatsch der letzten dreißig Jahre novellistisch
verarbeitet. Die Helden und Heldinnen dieser skandalösen Geschichten treten
regelmäßig unter ihrem wirklichen Namen auf, und da das Ganze lebhaft und
munter genug erzählt ist, so wird es auf das wiener Publicum seine Wirkung
nicht verfehlen. Für das übrige Deutschland, das mit den Verhältnissen weni¬
ger bekannt ist, kann dies Zigeunerleben der wiener Komödianten nicht sehr
anziehend sein. Die Pariser haben uns mit dieser Waare schon reichlich ge¬
nug versorgt, und eine durch sechs Bände fortgesetzte Liederlichkeit, so pikant
sie auch zuerst erscheinen mag, wird doch zuletzt langweilig. --


Eine Nichte Arete Toms. Nach I. Römers Denkwürdigkeiten erzählt von
Dr. Majo. Stuttgart -I8Si. Literarisch-artistische Anstalt. --

Warum der Verfasser auf dem Titel eigentlich an den Arete Tom erinnert,
ist uns nicht deutlich. Daß eine Negerin die zweite Rolle darin spielt ist doch
wol noch kein hinreichender Grund. Die Novelle behandelt die Abenteuer auf
einer Reise durch die Wüste Sahara, sehr lebhaft und amüsant erzählt, wenn
auch etwas stark in der Weise Münchhausens. --


l^s Comtesse et'ÜFwout. ?i>r ^nich 5sum. LruxeUes H I^eipxig, Xiess-
Imgz Leliuee N Loup. --

Eins der ledernsten Bücher, die uns vorgekommen sind. Noch niemals
ist uns die Hohlheit und Nichtigkeit eines vollkommen leeren Menschen in
einer so gespreizten Form vorgekommen. Der berühmte und glänzende Vater
aller Feuilletonisten, oder wenn wir an eine bekannte Theaterfigur erinnern
wollen, aller Schmocks, ist zu seinem Anfang zurückgekehrt; aber der todte
Esel und die guillotinirre Frau hatte doch wenigstens noch den Hautgout
des scheußlichen, das jetzige Machwerk ist die reine Betise. Wir empfehlen
den Roman auf das lebhafteste allen denjenigen, die sich überzeugen wollen,
wieviel ein sogenanntes gebildetes Publicum unsrer Tage erträgt.--


Werke zu schreiben. Aber seine Reminiscenzen aus -1848 werden ihm nicht
viel helfen. Er hat als Dilettant einer dilettantischen Beschäftigung zugesehen,
er hat sich dilettantisch darüber moquirt, und seine politische Einsicht ist nicht
um einen Gran vermehrt worden. Der Dilettantismus verstimmt und ver¬
bittert; die Freude am Leben wird nicht ausbleiben, wenn er das wirkliche
Leben zu erkennen sucht.—


Therese Krones. Roman aus Wiens jüngster Vergangenheit. Von Otto
Horn. Drei Bände. Zweite Auslage. Wien, Hügel.-—

Ferdinand Raimund. Roman aus Wiens jüngster Vergangenheit. Von Otto
Horn. Drei Bände. Wien, Hügel. —

. Der Verfasser dieser beiden Romane, Adolph Bäuerle, hat seine Erinne¬
rungen aus dem wiener Theaterklatsch der letzten dreißig Jahre novellistisch
verarbeitet. Die Helden und Heldinnen dieser skandalösen Geschichten treten
regelmäßig unter ihrem wirklichen Namen auf, und da das Ganze lebhaft und
munter genug erzählt ist, so wird es auf das wiener Publicum seine Wirkung
nicht verfehlen. Für das übrige Deutschland, das mit den Verhältnissen weni¬
ger bekannt ist, kann dies Zigeunerleben der wiener Komödianten nicht sehr
anziehend sein. Die Pariser haben uns mit dieser Waare schon reichlich ge¬
nug versorgt, und eine durch sechs Bände fortgesetzte Liederlichkeit, so pikant
sie auch zuerst erscheinen mag, wird doch zuletzt langweilig. —


Eine Nichte Arete Toms. Nach I. Römers Denkwürdigkeiten erzählt von
Dr. Majo. Stuttgart -I8Si. Literarisch-artistische Anstalt. —

Warum der Verfasser auf dem Titel eigentlich an den Arete Tom erinnert,
ist uns nicht deutlich. Daß eine Negerin die zweite Rolle darin spielt ist doch
wol noch kein hinreichender Grund. Die Novelle behandelt die Abenteuer auf
einer Reise durch die Wüste Sahara, sehr lebhaft und amüsant erzählt, wenn
auch etwas stark in der Weise Münchhausens. —


l^s Comtesse et'ÜFwout. ?i>r ^nich 5sum. LruxeUes H I^eipxig, Xiess-
Imgz Leliuee N Loup. —

Eins der ledernsten Bücher, die uns vorgekommen sind. Noch niemals
ist uns die Hohlheit und Nichtigkeit eines vollkommen leeren Menschen in
einer so gespreizten Form vorgekommen. Der berühmte und glänzende Vater
aller Feuilletonisten, oder wenn wir an eine bekannte Theaterfigur erinnern
wollen, aller Schmocks, ist zu seinem Anfang zurückgekehrt; aber der todte
Esel und die guillotinirre Frau hatte doch wenigstens noch den Hautgout
des scheußlichen, das jetzige Machwerk ist die reine Betise. Wir empfehlen
den Roman auf das lebhafteste allen denjenigen, die sich überzeugen wollen,
wieviel ein sogenanntes gebildetes Publicum unsrer Tage erträgt.—


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0181" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/100101"/>
            <p xml:id="ID_542" prev="#ID_541"> Werke zu schreiben. Aber seine Reminiscenzen aus -1848 werden ihm nicht<lb/>
viel helfen. Er hat als Dilettant einer dilettantischen Beschäftigung zugesehen,<lb/>
er hat sich dilettantisch darüber moquirt, und seine politische Einsicht ist nicht<lb/>
um einen Gran vermehrt worden. Der Dilettantismus verstimmt und ver¬<lb/>
bittert; die Freude am Leben wird nicht ausbleiben, wenn er das wirkliche<lb/>
Leben zu erkennen sucht.&#x2014;</p><lb/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> Therese Krones.  Roman aus Wiens jüngster Vergangenheit.  Von Otto<lb/>
Horn.  Drei Bände. Zweite Auslage.  Wien, Hügel.-&#x2014;</head><lb/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> Ferdinand Raimund. Roman aus Wiens jüngster Vergangenheit. Von Otto<lb/>
Horn.  Drei Bände. Wien, Hügel. &#x2014;</head><lb/>
            <p xml:id="ID_543"> . Der Verfasser dieser beiden Romane, Adolph Bäuerle, hat seine Erinne¬<lb/>
rungen aus dem wiener Theaterklatsch der letzten dreißig Jahre novellistisch<lb/>
verarbeitet. Die Helden und Heldinnen dieser skandalösen Geschichten treten<lb/>
regelmäßig unter ihrem wirklichen Namen auf, und da das Ganze lebhaft und<lb/>
munter genug erzählt ist, so wird es auf das wiener Publicum seine Wirkung<lb/>
nicht verfehlen. Für das übrige Deutschland, das mit den Verhältnissen weni¬<lb/>
ger bekannt ist, kann dies Zigeunerleben der wiener Komödianten nicht sehr<lb/>
anziehend sein. Die Pariser haben uns mit dieser Waare schon reichlich ge¬<lb/>
nug versorgt, und eine durch sechs Bände fortgesetzte Liederlichkeit, so pikant<lb/>
sie auch zuerst erscheinen mag, wird doch zuletzt langweilig. &#x2014;</p><lb/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> Eine Nichte Arete Toms.  Nach I. Römers Denkwürdigkeiten erzählt von<lb/>
Dr. Majo. Stuttgart -I8Si.  Literarisch-artistische Anstalt. &#x2014;</head><lb/>
            <p xml:id="ID_544"> Warum der Verfasser auf dem Titel eigentlich an den Arete Tom erinnert,<lb/>
ist uns nicht deutlich. Daß eine Negerin die zweite Rolle darin spielt ist doch<lb/>
wol noch kein hinreichender Grund. Die Novelle behandelt die Abenteuer auf<lb/>
einer Reise durch die Wüste Sahara, sehr lebhaft und amüsant erzählt, wenn<lb/>
auch etwas stark in der Weise Münchhausens. &#x2014;</p><lb/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> l^s Comtesse et'ÜFwout.  ?i&gt;r ^nich 5sum.  LruxeUes H I^eipxig, Xiess-<lb/>
Imgz Leliuee N Loup. &#x2014;</head><lb/>
            <p xml:id="ID_545"> Eins der ledernsten Bücher, die uns vorgekommen sind. Noch niemals<lb/>
ist uns die Hohlheit und Nichtigkeit eines vollkommen leeren Menschen in<lb/>
einer so gespreizten Form vorgekommen. Der berühmte und glänzende Vater<lb/>
aller Feuilletonisten, oder wenn wir an eine bekannte Theaterfigur erinnern<lb/>
wollen, aller Schmocks, ist zu seinem Anfang zurückgekehrt; aber der todte<lb/>
Esel und die guillotinirre Frau hatte doch wenigstens noch den Hautgout<lb/>
des scheußlichen, das jetzige Machwerk ist die reine Betise. Wir empfehlen<lb/>
den Roman auf das lebhafteste allen denjenigen, die sich überzeugen wollen,<lb/>
wieviel ein sogenanntes gebildetes Publicum unsrer Tage erträgt.&#x2014;</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0181] Werke zu schreiben. Aber seine Reminiscenzen aus -1848 werden ihm nicht viel helfen. Er hat als Dilettant einer dilettantischen Beschäftigung zugesehen, er hat sich dilettantisch darüber moquirt, und seine politische Einsicht ist nicht um einen Gran vermehrt worden. Der Dilettantismus verstimmt und ver¬ bittert; die Freude am Leben wird nicht ausbleiben, wenn er das wirkliche Leben zu erkennen sucht.— Therese Krones. Roman aus Wiens jüngster Vergangenheit. Von Otto Horn. Drei Bände. Zweite Auslage. Wien, Hügel.-— Ferdinand Raimund. Roman aus Wiens jüngster Vergangenheit. Von Otto Horn. Drei Bände. Wien, Hügel. — . Der Verfasser dieser beiden Romane, Adolph Bäuerle, hat seine Erinne¬ rungen aus dem wiener Theaterklatsch der letzten dreißig Jahre novellistisch verarbeitet. Die Helden und Heldinnen dieser skandalösen Geschichten treten regelmäßig unter ihrem wirklichen Namen auf, und da das Ganze lebhaft und munter genug erzählt ist, so wird es auf das wiener Publicum seine Wirkung nicht verfehlen. Für das übrige Deutschland, das mit den Verhältnissen weni¬ ger bekannt ist, kann dies Zigeunerleben der wiener Komödianten nicht sehr anziehend sein. Die Pariser haben uns mit dieser Waare schon reichlich ge¬ nug versorgt, und eine durch sechs Bände fortgesetzte Liederlichkeit, so pikant sie auch zuerst erscheinen mag, wird doch zuletzt langweilig. — Eine Nichte Arete Toms. Nach I. Römers Denkwürdigkeiten erzählt von Dr. Majo. Stuttgart -I8Si. Literarisch-artistische Anstalt. — Warum der Verfasser auf dem Titel eigentlich an den Arete Tom erinnert, ist uns nicht deutlich. Daß eine Negerin die zweite Rolle darin spielt ist doch wol noch kein hinreichender Grund. Die Novelle behandelt die Abenteuer auf einer Reise durch die Wüste Sahara, sehr lebhaft und amüsant erzählt, wenn auch etwas stark in der Weise Münchhausens. — l^s Comtesse et'ÜFwout. ?i>r ^nich 5sum. LruxeUes H I^eipxig, Xiess- Imgz Leliuee N Loup. — Eins der ledernsten Bücher, die uns vorgekommen sind. Noch niemals ist uns die Hohlheit und Nichtigkeit eines vollkommen leeren Menschen in einer so gespreizten Form vorgekommen. Der berühmte und glänzende Vater aller Feuilletonisten, oder wenn wir an eine bekannte Theaterfigur erinnern wollen, aller Schmocks, ist zu seinem Anfang zurückgekehrt; aber der todte Esel und die guillotinirre Frau hatte doch wenigstens noch den Hautgout des scheußlichen, das jetzige Machwerk ist die reine Betise. Wir empfehlen den Roman auf das lebhafteste allen denjenigen, die sich überzeugen wollen, wieviel ein sogenanntes gebildetes Publicum unsrer Tage erträgt.—

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919/181
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919/181>, abgerufen am 22.05.2024.