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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band.

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Die berühmteste und am schönsten erzählte Legende ist die von Aurelius
Clemens Prudentius, einem spanischen Dichter aus dem Anfange des fünften
Jahrhunderts. Er war in Rom gewesen und es hatte ihn dort neben andern
Märsyrerculten besonders der angezogen, welcher in einer zwar kleinen, aber
von Silber strahlenden Kapelle gefeiert wurde, die sich über einer Krypte wölbte,
in welcher die Gebeine des Heiligen ruhten. An der Wand der Kapelle war
das Martyrium desselben abgemalt und der daselbst ausgestellte Altar trug den
Namen Seti, Hippolyti. Diese stille Kapelle war dem spanischen Geistlichen so lieb
geworden, daß er, nach Hause zurückgekehrt, in einem Hymnus d. l). in recht
hübschen, dem Ovid ganz artig nachgebildeten Distichen das Martyrium seines
Helden besang, um jede" Bischof seines Bezirks zu bitten, ihn auch seinem
Sprengel als Heiligen einzuverleiben.

Seht, sagte er, wie der Präfect der Heiden zu Rom nicht geruht hat,
alle treuen Bekenner zu morden, zu zerfleischen. Er ging noch weiter, nämlich
an die Tibermündung nach Ostia, um da ein neues Exempel zu statuiren.
Alle möglichen Torturen werden ersonnen, um die treuen Bekenner zum Götzen¬
dienst zurückzuführen, vergebens. Da wird ein Greis herbeigeführt, der noch
auf dem Wege zum sichern Tode die Seinigen beschworen hatte, an Christus
festzuhalten, aber auch an der Einheit ber Kirche; im Besondern auch von der
Sekte der Novatianer abzulassen, der er einst selbst angehört habe. Das ist
das Haupt der Gottlosen, rufen die Henker, der muß ganz besonders gepeinigt
werden, zur Abschreckung des Haufens. Auf die Frage, wie er heiße, ant¬
wortet der Greis: Hippolytus. So sollst du denn ein Hippolyt werden , ruft
der Präfect aus und läßt ihn sofort an die Füße zweier wilden Rosse binden,
diese auseinanderjagen über Berg und Thal und Dornen und so'den Leichnam
zerreißen, zerfetzen, ganz wie einst in der Mythe der Sohn des Theseus von
scheu gewordenen Rossen zerrissen war. Auf derselben Wand war aber auch
abgebildet, wie nun die fromme Christenschar den blutigen Spuren folgt, daS
greise Haupt, die zerstückten Glieder, ja möglichst alle Blutspuren selbst aus¬
sammelt, um so den theuern Leichnam würdig zu bestatten. Ebendafür hält man
aber nur Rom würdig und so wird ihm denn jene Krypte und Kapelle errichtet,
in deren Nähe, sagt Prudentius, noch ein andrer großer Tempel stand, wohin
nun jährlich am 13. August (I"Zibus ^uKust.1) die ganze Umgegend von
Campanien her zusammenströmt, um das Gedächtniß des großen Heiligen zu
begehen,.

Wunderbares ist in dieser Erzählung genug. Schon die greuliche Wuth des
Präfecten hat etwas Bedenkliches; aber in der Zeit des Decius und Valerian
sind ja wirklich furchtbare Greuel begangen worden, um den Respect vor den
alten Göttern zu erhalten. Die eigenthümliche Wahl der Todesart hat auch


Die berühmteste und am schönsten erzählte Legende ist die von Aurelius
Clemens Prudentius, einem spanischen Dichter aus dem Anfange des fünften
Jahrhunderts. Er war in Rom gewesen und es hatte ihn dort neben andern
Märsyrerculten besonders der angezogen, welcher in einer zwar kleinen, aber
von Silber strahlenden Kapelle gefeiert wurde, die sich über einer Krypte wölbte,
in welcher die Gebeine des Heiligen ruhten. An der Wand der Kapelle war
das Martyrium desselben abgemalt und der daselbst ausgestellte Altar trug den
Namen Seti, Hippolyti. Diese stille Kapelle war dem spanischen Geistlichen so lieb
geworden, daß er, nach Hause zurückgekehrt, in einem Hymnus d. l). in recht
hübschen, dem Ovid ganz artig nachgebildeten Distichen das Martyrium seines
Helden besang, um jede» Bischof seines Bezirks zu bitten, ihn auch seinem
Sprengel als Heiligen einzuverleiben.

Seht, sagte er, wie der Präfect der Heiden zu Rom nicht geruht hat,
alle treuen Bekenner zu morden, zu zerfleischen. Er ging noch weiter, nämlich
an die Tibermündung nach Ostia, um da ein neues Exempel zu statuiren.
Alle möglichen Torturen werden ersonnen, um die treuen Bekenner zum Götzen¬
dienst zurückzuführen, vergebens. Da wird ein Greis herbeigeführt, der noch
auf dem Wege zum sichern Tode die Seinigen beschworen hatte, an Christus
festzuhalten, aber auch an der Einheit ber Kirche; im Besondern auch von der
Sekte der Novatianer abzulassen, der er einst selbst angehört habe. Das ist
das Haupt der Gottlosen, rufen die Henker, der muß ganz besonders gepeinigt
werden, zur Abschreckung des Haufens. Auf die Frage, wie er heiße, ant¬
wortet der Greis: Hippolytus. So sollst du denn ein Hippolyt werden , ruft
der Präfect aus und läßt ihn sofort an die Füße zweier wilden Rosse binden,
diese auseinanderjagen über Berg und Thal und Dornen und so'den Leichnam
zerreißen, zerfetzen, ganz wie einst in der Mythe der Sohn des Theseus von
scheu gewordenen Rossen zerrissen war. Auf derselben Wand war aber auch
abgebildet, wie nun die fromme Christenschar den blutigen Spuren folgt, daS
greise Haupt, die zerstückten Glieder, ja möglichst alle Blutspuren selbst aus¬
sammelt, um so den theuern Leichnam würdig zu bestatten. Ebendafür hält man
aber nur Rom würdig und so wird ihm denn jene Krypte und Kapelle errichtet,
in deren Nähe, sagt Prudentius, noch ein andrer großer Tempel stand, wohin
nun jährlich am 13. August (I«Zibus ^uKust.1) die ganze Umgegend von
Campanien her zusammenströmt, um das Gedächtniß des großen Heiligen zu
begehen,.

Wunderbares ist in dieser Erzählung genug. Schon die greuliche Wuth des
Präfecten hat etwas Bedenkliches; aber in der Zeit des Decius und Valerian
sind ja wirklich furchtbare Greuel begangen worden, um den Respect vor den
alten Göttern zu erhalten. Die eigenthümliche Wahl der Todesart hat auch


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[0250] Die berühmteste und am schönsten erzählte Legende ist die von Aurelius Clemens Prudentius, einem spanischen Dichter aus dem Anfange des fünften Jahrhunderts. Er war in Rom gewesen und es hatte ihn dort neben andern Märsyrerculten besonders der angezogen, welcher in einer zwar kleinen, aber von Silber strahlenden Kapelle gefeiert wurde, die sich über einer Krypte wölbte, in welcher die Gebeine des Heiligen ruhten. An der Wand der Kapelle war das Martyrium desselben abgemalt und der daselbst ausgestellte Altar trug den Namen Seti, Hippolyti. Diese stille Kapelle war dem spanischen Geistlichen so lieb geworden, daß er, nach Hause zurückgekehrt, in einem Hymnus d. l). in recht hübschen, dem Ovid ganz artig nachgebildeten Distichen das Martyrium seines Helden besang, um jede» Bischof seines Bezirks zu bitten, ihn auch seinem Sprengel als Heiligen einzuverleiben. Seht, sagte er, wie der Präfect der Heiden zu Rom nicht geruht hat, alle treuen Bekenner zu morden, zu zerfleischen. Er ging noch weiter, nämlich an die Tibermündung nach Ostia, um da ein neues Exempel zu statuiren. Alle möglichen Torturen werden ersonnen, um die treuen Bekenner zum Götzen¬ dienst zurückzuführen, vergebens. Da wird ein Greis herbeigeführt, der noch auf dem Wege zum sichern Tode die Seinigen beschworen hatte, an Christus festzuhalten, aber auch an der Einheit ber Kirche; im Besondern auch von der Sekte der Novatianer abzulassen, der er einst selbst angehört habe. Das ist das Haupt der Gottlosen, rufen die Henker, der muß ganz besonders gepeinigt werden, zur Abschreckung des Haufens. Auf die Frage, wie er heiße, ant¬ wortet der Greis: Hippolytus. So sollst du denn ein Hippolyt werden , ruft der Präfect aus und läßt ihn sofort an die Füße zweier wilden Rosse binden, diese auseinanderjagen über Berg und Thal und Dornen und so'den Leichnam zerreißen, zerfetzen, ganz wie einst in der Mythe der Sohn des Theseus von scheu gewordenen Rossen zerrissen war. Auf derselben Wand war aber auch abgebildet, wie nun die fromme Christenschar den blutigen Spuren folgt, daS greise Haupt, die zerstückten Glieder, ja möglichst alle Blutspuren selbst aus¬ sammelt, um so den theuern Leichnam würdig zu bestatten. Ebendafür hält man aber nur Rom würdig und so wird ihm denn jene Krypte und Kapelle errichtet, in deren Nähe, sagt Prudentius, noch ein andrer großer Tempel stand, wohin nun jährlich am 13. August (I«Zibus ^uKust.1) die ganze Umgegend von Campanien her zusammenströmt, um das Gedächtniß des großen Heiligen zu begehen,. Wunderbares ist in dieser Erzählung genug. Schon die greuliche Wuth des Präfecten hat etwas Bedenkliches; aber in der Zeit des Decius und Valerian sind ja wirklich furchtbare Greuel begangen worden, um den Respect vor den alten Göttern zu erhalten. Die eigenthümliche Wahl der Todesart hat auch

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919/250>, abgerufen am 16.05.2024.