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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band.

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Ein anderer gefeierter Heros des christlichen Italiens, ein echt nationaler
Heiliger ist Laurentius. Es mag sein, daß ein Diakon dieses Namens zu
Rom unter Valerian bei der Untersuchung die Feuerprobe zu bestehen hatte,
das Gehen über glühende Eisen, wie Döllinger räth. Aber das reicht bei
weitem nicht aus, den merkwürdigen Eifer zu begreifen, mit welchem Laurentius
in Italien grade in frühester Zeit gefeiert wurde. In Rom bestanden schon
im fünften Jahrhundert vier Kirchen zu seiner Ehre, eine prachtvolle in Mai¬
land, andere durch ganz Italien. Er wurde dem Volke der Typus des Men¬
schen, der durch das Verbrennen des Leichnams auf dem Rost des Scheiter-
Hausens zum Gott oder Geist wird. Die heidnische Vorstellung von den
Laren personificirte sich in dem Larentius lvrgl. die Anna Larentia aus der
Urgeschichte Roms). Und es war wol die uralte heidnische Verehrung des
Hausgottes, welche die Gestalt des Feuerheiligen so ehrwürdig lieb und ver¬
traut macht.

Nichts ist schwerer und nichts ist mißlicher für die Wissenschaft, als den
Fluten unklarer, durcheinanderflimmernder mythischer Vorstellungen nachzu¬
gehen und den logischen Gang in denselben nachzuweisen. Es ist das oft
sowenig möglich, als mit dem Auge die Strömung des Meeres aus der
Hebung und Senkung der Wellenberge zu erkennen. Und wenn es irgendwo
dem Gelehrten ziemt, bescheiden zu sein, so ist es hier, wo er das heimlichste
Dämmerleben und das phantastische Träumen einer untergegangenen Welt mit
seiner. Leuchte zu erhellen hat.

Doch darf nicht verschwiegen werden, daß die kurzen Andeutungen, welche
hier über das Eingreifen heidnischer Vorstellungen in die christliche Mythen-
Melt gemacht wurden, bei breiterer Ausführung weniger fremdartig und sicherer
"scheinen, nicht selten sicher, bis zur Evidenz.

Wenn in dieser Weise heidnische Erinnerungen dazu beitrugen, die Ge¬
schichte eines eifrigen Kirchenmannes sagenhaft auszuschmücken, so waren doch
sie es nicht allein. Eine Masse Zufälligkeiten, welche sich dem Auge des For¬
schers nur zu leicht entziehen, waren außerdem dabei wie bei aller Sagenbil¬
dung thätig. So mag vielleicht die Verbindung, in welche eine Legende den
Hippolyt mit dem Leben des Laurentius bringt, darin ihren Grund haben,
daß eine dem Laurentius geweihte Kirche in der Nähe der Krvpta war, welche
dem Hippolyt geweiht war. So kann Hippolyt gar bald als eine Nebenperson
im Leben des andern als sein Wächter, als sein Offizier aufgefaßt worden sein.

Andere Berichte über den Heiligen kamen gradezu durch dürre Unwissen¬
heit und Mißverständnisse der Kirchenväter in Cours. So entstand z. B. der
Hippolyt von Bostra in Arabien.

In einer Stelle des Eusebius (K. 8. VI. 20.) sagt dieser: "Ein Bischof
war Berylluö von den Christen um Bostra, dasselbe Hippolyt, der auch Bi-


Ein anderer gefeierter Heros des christlichen Italiens, ein echt nationaler
Heiliger ist Laurentius. Es mag sein, daß ein Diakon dieses Namens zu
Rom unter Valerian bei der Untersuchung die Feuerprobe zu bestehen hatte,
das Gehen über glühende Eisen, wie Döllinger räth. Aber das reicht bei
weitem nicht aus, den merkwürdigen Eifer zu begreifen, mit welchem Laurentius
in Italien grade in frühester Zeit gefeiert wurde. In Rom bestanden schon
im fünften Jahrhundert vier Kirchen zu seiner Ehre, eine prachtvolle in Mai¬
land, andere durch ganz Italien. Er wurde dem Volke der Typus des Men¬
schen, der durch das Verbrennen des Leichnams auf dem Rost des Scheiter-
Hausens zum Gott oder Geist wird. Die heidnische Vorstellung von den
Laren personificirte sich in dem Larentius lvrgl. die Anna Larentia aus der
Urgeschichte Roms). Und es war wol die uralte heidnische Verehrung des
Hausgottes, welche die Gestalt des Feuerheiligen so ehrwürdig lieb und ver¬
traut macht.

Nichts ist schwerer und nichts ist mißlicher für die Wissenschaft, als den
Fluten unklarer, durcheinanderflimmernder mythischer Vorstellungen nachzu¬
gehen und den logischen Gang in denselben nachzuweisen. Es ist das oft
sowenig möglich, als mit dem Auge die Strömung des Meeres aus der
Hebung und Senkung der Wellenberge zu erkennen. Und wenn es irgendwo
dem Gelehrten ziemt, bescheiden zu sein, so ist es hier, wo er das heimlichste
Dämmerleben und das phantastische Träumen einer untergegangenen Welt mit
seiner. Leuchte zu erhellen hat.

Doch darf nicht verschwiegen werden, daß die kurzen Andeutungen, welche
hier über das Eingreifen heidnischer Vorstellungen in die christliche Mythen-
Melt gemacht wurden, bei breiterer Ausführung weniger fremdartig und sicherer
»scheinen, nicht selten sicher, bis zur Evidenz.

Wenn in dieser Weise heidnische Erinnerungen dazu beitrugen, die Ge¬
schichte eines eifrigen Kirchenmannes sagenhaft auszuschmücken, so waren doch
sie es nicht allein. Eine Masse Zufälligkeiten, welche sich dem Auge des For¬
schers nur zu leicht entziehen, waren außerdem dabei wie bei aller Sagenbil¬
dung thätig. So mag vielleicht die Verbindung, in welche eine Legende den
Hippolyt mit dem Leben des Laurentius bringt, darin ihren Grund haben,
daß eine dem Laurentius geweihte Kirche in der Nähe der Krvpta war, welche
dem Hippolyt geweiht war. So kann Hippolyt gar bald als eine Nebenperson
im Leben des andern als sein Wächter, als sein Offizier aufgefaßt worden sein.

Andere Berichte über den Heiligen kamen gradezu durch dürre Unwissen¬
heit und Mißverständnisse der Kirchenväter in Cours. So entstand z. B. der
Hippolyt von Bostra in Arabien.

In einer Stelle des Eusebius (K. 8. VI. 20.) sagt dieser: „Ein Bischof
war Berylluö von den Christen um Bostra, dasselbe Hippolyt, der auch Bi-


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[0261] Ein anderer gefeierter Heros des christlichen Italiens, ein echt nationaler Heiliger ist Laurentius. Es mag sein, daß ein Diakon dieses Namens zu Rom unter Valerian bei der Untersuchung die Feuerprobe zu bestehen hatte, das Gehen über glühende Eisen, wie Döllinger räth. Aber das reicht bei weitem nicht aus, den merkwürdigen Eifer zu begreifen, mit welchem Laurentius in Italien grade in frühester Zeit gefeiert wurde. In Rom bestanden schon im fünften Jahrhundert vier Kirchen zu seiner Ehre, eine prachtvolle in Mai¬ land, andere durch ganz Italien. Er wurde dem Volke der Typus des Men¬ schen, der durch das Verbrennen des Leichnams auf dem Rost des Scheiter- Hausens zum Gott oder Geist wird. Die heidnische Vorstellung von den Laren personificirte sich in dem Larentius lvrgl. die Anna Larentia aus der Urgeschichte Roms). Und es war wol die uralte heidnische Verehrung des Hausgottes, welche die Gestalt des Feuerheiligen so ehrwürdig lieb und ver¬ traut macht. Nichts ist schwerer und nichts ist mißlicher für die Wissenschaft, als den Fluten unklarer, durcheinanderflimmernder mythischer Vorstellungen nachzu¬ gehen und den logischen Gang in denselben nachzuweisen. Es ist das oft sowenig möglich, als mit dem Auge die Strömung des Meeres aus der Hebung und Senkung der Wellenberge zu erkennen. Und wenn es irgendwo dem Gelehrten ziemt, bescheiden zu sein, so ist es hier, wo er das heimlichste Dämmerleben und das phantastische Träumen einer untergegangenen Welt mit seiner. Leuchte zu erhellen hat. Doch darf nicht verschwiegen werden, daß die kurzen Andeutungen, welche hier über das Eingreifen heidnischer Vorstellungen in die christliche Mythen- Melt gemacht wurden, bei breiterer Ausführung weniger fremdartig und sicherer »scheinen, nicht selten sicher, bis zur Evidenz. Wenn in dieser Weise heidnische Erinnerungen dazu beitrugen, die Ge¬ schichte eines eifrigen Kirchenmannes sagenhaft auszuschmücken, so waren doch sie es nicht allein. Eine Masse Zufälligkeiten, welche sich dem Auge des For¬ schers nur zu leicht entziehen, waren außerdem dabei wie bei aller Sagenbil¬ dung thätig. So mag vielleicht die Verbindung, in welche eine Legende den Hippolyt mit dem Leben des Laurentius bringt, darin ihren Grund haben, daß eine dem Laurentius geweihte Kirche in der Nähe der Krvpta war, welche dem Hippolyt geweiht war. So kann Hippolyt gar bald als eine Nebenperson im Leben des andern als sein Wächter, als sein Offizier aufgefaßt worden sein. Andere Berichte über den Heiligen kamen gradezu durch dürre Unwissen¬ heit und Mißverständnisse der Kirchenväter in Cours. So entstand z. B. der Hippolyt von Bostra in Arabien. In einer Stelle des Eusebius (K. 8. VI. 20.) sagt dieser: „Ein Bischof war Berylluö von den Christen um Bostra, dasselbe Hippolyt, der auch Bi-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919/261>, abgerufen am 22.05.2024.