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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band.

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Dies sind jedoch nur die Verluste, welche die Handelsstockung dem rus¬
sischen Grundbesitzer auferlegt; dazu kommen nun noch die drückenden Steuern,
welche die Regierung zur Betreibung des Krieges von ihnen fordert. Von allen
diesen wird die Recrutenlieferung am härtesten gefühlt. Im Frieden erfolgt
die Aushebung nur einmal des Jahres und zwar in der Regel nach dem Ma߬
stab von 7 aus je 1000 (männliche) Leibeigene; aber seit Ausbruch des Krieges
fanden im Jahre 185i zwei und 1833 bereits eine Aushebung statt, jede von
12 Mann auf 1 000 Seelen, so daß in achtzehn Monaten von 1000 männ¬
lichen Leibeigenen, Alt und Jung untereinander gerechnet, 36 vollkommen Ar¬
beitsfähige gestellt werden mußten. Ich weiß nicht, wie man das Verhältniß
der Arbeitsfähigen unter 1000 männlichen Leibeigenen anrechnen kann, aber
jedenfalls ist es ein sehr erheblicher Verlust sür den Herrn, wenn ihm eine so
ansehnliche Arbeitskraft entzogen wird. Das ist noch nicht alles. Wenn die
Recruten nach der Stadt geschickt werden, um von der betreffenden Behörde
untersucht zu werden, so müssen je 12 Mann mindestens noch 18 begleiten, im
Falle die andern als untauglich zurückgewiesen werden sollten; diese werden
ihrer Arbeit ohne die geringste Entschädigung manchmal zwei bis drei Wochen
lang entzogen. Daraus ersieht man, daß während der letzten 18 Monate der
Besitzer des erwähnten Gutes der Negierung 67 Recruten (von 1300 Leib¬
eigenen) gestellt und die Arbeit von ungefähr 70 Mann 14 Tage lang ver¬
loren hat. Letzteres allein zu 6 Pence (3 Sgr.) den Tag gerechnet, macht 2i
Pfund 10 Schilling (160 Thaler); den Verlust an S7 Leibeigenen, die nie
wiederkehren, können wir nicht in Zahlen ausdrücken. Aber jeder Gutsbesitzer
muß nicht blos den Recruten stellen, sondern auch eine bestimmte Summe
(ungefähr 8 Pfund) zur ersten Ausrüstung und Bewaffnung zahlen, was allein
schon einen Aufwand von 876 Pfund für iVs Jahr ergibt.*) Die südlichen
Gouvernements sind, weil sie dem Kriegsschauplatz so nahe liegen, von der
Stellung der Miliz (30 Mann von 1000 Seelen) befreit, die nur in den
nördlichen Gouvernements ausgehoben werden. Dafür sind sie einer andern
Steuer unter dem Namen freiwilliger Beiträge unterworfen. -- Im Frühjahr
1834 mußte das Gut für die damals in den Donaufürstenthümern stehenden
Truppen 40 Mastochsen liefern; gleichzeitig wurden fünf Wagen mit einem
Paar Pferde und einem Fuhrmann für jeden requirirt, die nach Beendigung
des Krieges zurückgestellt werden sollen. Diese Wagen waren bestimmt, in
dringenden Fallen zum Transport des Gepäcks und der Truppen verwendet zu
werden, und aus ihnen wurden die Bataillone, die bei Jnkerman fochten,
letzten Herbst nach der Krim geschafft. Ebenfalls im Herbste 1836 wurden
von jedem männlichen Leibeigenen ein halbes Pud (20 Pfund) Schiffszwieback



Dies ist ein Irrthum; für die Ausrüstung werden nur ig oder 12 Silberrubel gezahlt,
Die Redaction. was für 47 Recruten "0 bis k>60 Rubel ausmacht.
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Dies sind jedoch nur die Verluste, welche die Handelsstockung dem rus¬
sischen Grundbesitzer auferlegt; dazu kommen nun noch die drückenden Steuern,
welche die Regierung zur Betreibung des Krieges von ihnen fordert. Von allen
diesen wird die Recrutenlieferung am härtesten gefühlt. Im Frieden erfolgt
die Aushebung nur einmal des Jahres und zwar in der Regel nach dem Ma߬
stab von 7 aus je 1000 (männliche) Leibeigene; aber seit Ausbruch des Krieges
fanden im Jahre 185i zwei und 1833 bereits eine Aushebung statt, jede von
12 Mann auf 1 000 Seelen, so daß in achtzehn Monaten von 1000 männ¬
lichen Leibeigenen, Alt und Jung untereinander gerechnet, 36 vollkommen Ar¬
beitsfähige gestellt werden mußten. Ich weiß nicht, wie man das Verhältniß
der Arbeitsfähigen unter 1000 männlichen Leibeigenen anrechnen kann, aber
jedenfalls ist es ein sehr erheblicher Verlust sür den Herrn, wenn ihm eine so
ansehnliche Arbeitskraft entzogen wird. Das ist noch nicht alles. Wenn die
Recruten nach der Stadt geschickt werden, um von der betreffenden Behörde
untersucht zu werden, so müssen je 12 Mann mindestens noch 18 begleiten, im
Falle die andern als untauglich zurückgewiesen werden sollten; diese werden
ihrer Arbeit ohne die geringste Entschädigung manchmal zwei bis drei Wochen
lang entzogen. Daraus ersieht man, daß während der letzten 18 Monate der
Besitzer des erwähnten Gutes der Negierung 67 Recruten (von 1300 Leib¬
eigenen) gestellt und die Arbeit von ungefähr 70 Mann 14 Tage lang ver¬
loren hat. Letzteres allein zu 6 Pence (3 Sgr.) den Tag gerechnet, macht 2i
Pfund 10 Schilling (160 Thaler); den Verlust an S7 Leibeigenen, die nie
wiederkehren, können wir nicht in Zahlen ausdrücken. Aber jeder Gutsbesitzer
muß nicht blos den Recruten stellen, sondern auch eine bestimmte Summe
(ungefähr 8 Pfund) zur ersten Ausrüstung und Bewaffnung zahlen, was allein
schon einen Aufwand von 876 Pfund für iVs Jahr ergibt.*) Die südlichen
Gouvernements sind, weil sie dem Kriegsschauplatz so nahe liegen, von der
Stellung der Miliz (30 Mann von 1000 Seelen) befreit, die nur in den
nördlichen Gouvernements ausgehoben werden. Dafür sind sie einer andern
Steuer unter dem Namen freiwilliger Beiträge unterworfen. — Im Frühjahr
1834 mußte das Gut für die damals in den Donaufürstenthümern stehenden
Truppen 40 Mastochsen liefern; gleichzeitig wurden fünf Wagen mit einem
Paar Pferde und einem Fuhrmann für jeden requirirt, die nach Beendigung
des Krieges zurückgestellt werden sollen. Diese Wagen waren bestimmt, in
dringenden Fallen zum Transport des Gepäcks und der Truppen verwendet zu
werden, und aus ihnen wurden die Bataillone, die bei Jnkerman fochten,
letzten Herbst nach der Krim geschafft. Ebenfalls im Herbste 1836 wurden
von jedem männlichen Leibeigenen ein halbes Pud (20 Pfund) Schiffszwieback



Dies ist ein Irrthum; für die Ausrüstung werden nur ig oder 12 Silberrubel gezahlt,
Die Redaction. was für 47 Recruten »0 bis k>60 Rubel ausmacht.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919/291>, abgerufen am 15.06.2024.