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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band.

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Zungen, welche gegen die Festung hin Fronte machen und die mit einem Theil
der zur Stelle befindlichen Feldartillerie armirt werden, zu decken.

Sämmtliche hiermit berührten Arbeiten und Maßnahmen werden unter
dem Namen der einleitenden Basirungsoperationen des EinschließungScorps um¬
faßt. Ihr Zweck ist, dem Angreifer in Hinsicht auf den Ersatz seiner Bedürf¬
nisse und Hilfsmittel dieselbe Unabhängigkeit zu verschaffen, deren sich, wie eben
erwähnt, die Besatzung der Festung erfreut.

Was die Belagerung von Sebastopol angeht, so vermissen wir in der
ersten Periode größere in diese Kategorie fallende Vorbereitungen beinahe
ganz. ES steht sehr armselig um den Artilleriepark der Verbündeten, um ihre
Proviantmagazine, um die Vorräthe an Munition, es fehlt entschieden an
tauglichen Arbeitsgeräthschaften, an Sappen- und Batteriekövben, wie an Fa¬
schinen. Die Folge ist, daß, nachdem das Feuer am 17. October eröffnet
worden, es bereits am anderen Tage eingestellt werden mußte. Noch in keinem
Festungskampfe sind die Vortheile, deren die Vertheidigung vermöge ihrer be¬
reiten Hilfsmittel theilhaftig ist, in so glänzender, umfassender und entscheiden¬
der Weise zur Geltung gebracht worden, wie in diesem. Es ist vornehmlich
dieses Verhältniß: auf der einen Seite der in Ueberfülle Mit allem Nothwendi¬
gen, und mit mehr als das, versehene Platz; und auf der anderen der in
leichtsinnigster, unüberlegtester und eilfertigster Weise zu Werke schreitende
schnell an allem Mangel leidende Angreifer -- es ist dieser Gegensatz,
dünkt mich, welcher dem Belagerungskriege vor Sebastopol seinen Charakter
aufdrückt.

Während die Verpflegungöbeamten die Magazine zu füllen bemüht
sind, und der Artillerist im großen und kleinen Artilleriepark seine ersten
Arrangements trifft, die Laboratorienarbeiten einleitet, und die Heranschaffung
des sich immer schwer und langsam auf den Heerstraßen bewegenden Be¬
lagerungsgeschützes durch NelaiSaufftellung zu erleichtern und zu beschleuni¬
gen sucht, beschäftigt den Ingenieur nichts mehr, als das Studium
der anzugreifenden Festung selbst, die Auskundschaftung ihrer Hilfsmittel und
vor allem die Ergründung ihrer Schwächen. Wiewol bei Anlage einer jeden
Befestigung, aus Gründen, die an sich klar sind, nach einer gleichmäßigen
Vertheilung der Widerstandsmittel über die verschiedenen Fronten getrachtet
wird, oder, mit andern Worten, das fortificatorische Gleichgewicht für jeden
Ingenieur sich als Problem hinstellt, so ist es doch ebenso wahr, daß es kaum
eine Festung gibt, die auf allen Seiten dieselbe Vertheidigungsfähigkeit be¬
sitzt. Der Angreifer würde keinen größeren Mißgriff machen können, als wenn
^ für seine Offenstvoperationen die stärkste Fronte aufsuchte; umgekehrt kann
er nicht glücklicher greifen, als wenn er zu diesem Zwecke die wirklich schwächste
herausfindet. Unter gewissen Umständen mag letzteres leicht sein. Gemeiniglich


Zungen, welche gegen die Festung hin Fronte machen und die mit einem Theil
der zur Stelle befindlichen Feldartillerie armirt werden, zu decken.

Sämmtliche hiermit berührten Arbeiten und Maßnahmen werden unter
dem Namen der einleitenden Basirungsoperationen des EinschließungScorps um¬
faßt. Ihr Zweck ist, dem Angreifer in Hinsicht auf den Ersatz seiner Bedürf¬
nisse und Hilfsmittel dieselbe Unabhängigkeit zu verschaffen, deren sich, wie eben
erwähnt, die Besatzung der Festung erfreut.

Was die Belagerung von Sebastopol angeht, so vermissen wir in der
ersten Periode größere in diese Kategorie fallende Vorbereitungen beinahe
ganz. ES steht sehr armselig um den Artilleriepark der Verbündeten, um ihre
Proviantmagazine, um die Vorräthe an Munition, es fehlt entschieden an
tauglichen Arbeitsgeräthschaften, an Sappen- und Batteriekövben, wie an Fa¬
schinen. Die Folge ist, daß, nachdem das Feuer am 17. October eröffnet
worden, es bereits am anderen Tage eingestellt werden mußte. Noch in keinem
Festungskampfe sind die Vortheile, deren die Vertheidigung vermöge ihrer be¬
reiten Hilfsmittel theilhaftig ist, in so glänzender, umfassender und entscheiden¬
der Weise zur Geltung gebracht worden, wie in diesem. Es ist vornehmlich
dieses Verhältniß: auf der einen Seite der in Ueberfülle Mit allem Nothwendi¬
gen, und mit mehr als das, versehene Platz; und auf der anderen der in
leichtsinnigster, unüberlegtester und eilfertigster Weise zu Werke schreitende
schnell an allem Mangel leidende Angreifer — es ist dieser Gegensatz,
dünkt mich, welcher dem Belagerungskriege vor Sebastopol seinen Charakter
aufdrückt.

Während die Verpflegungöbeamten die Magazine zu füllen bemüht
sind, und der Artillerist im großen und kleinen Artilleriepark seine ersten
Arrangements trifft, die Laboratorienarbeiten einleitet, und die Heranschaffung
des sich immer schwer und langsam auf den Heerstraßen bewegenden Be¬
lagerungsgeschützes durch NelaiSaufftellung zu erleichtern und zu beschleuni¬
gen sucht, beschäftigt den Ingenieur nichts mehr, als das Studium
der anzugreifenden Festung selbst, die Auskundschaftung ihrer Hilfsmittel und
vor allem die Ergründung ihrer Schwächen. Wiewol bei Anlage einer jeden
Befestigung, aus Gründen, die an sich klar sind, nach einer gleichmäßigen
Vertheilung der Widerstandsmittel über die verschiedenen Fronten getrachtet
wird, oder, mit andern Worten, das fortificatorische Gleichgewicht für jeden
Ingenieur sich als Problem hinstellt, so ist es doch ebenso wahr, daß es kaum
eine Festung gibt, die auf allen Seiten dieselbe Vertheidigungsfähigkeit be¬
sitzt. Der Angreifer würde keinen größeren Mißgriff machen können, als wenn
^ für seine Offenstvoperationen die stärkste Fronte aufsuchte; umgekehrt kann
er nicht glücklicher greifen, als wenn er zu diesem Zwecke die wirklich schwächste
herausfindet. Unter gewissen Umständen mag letzteres leicht sein. Gemeiniglich


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919/301>, abgerufen am 05.06.2024.