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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band.

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sich jetzt noch vorzüglich eines populären Erfolges erfreut, so werden in Frank¬
reich die Lustspiele Moliöres zu Ehren des Publicums gegeben, welches im
Theater seinen selten gesuchten Hauptspas! findet und lieber der alten Muse
clef dan ssns sich zuwendet, als den modernen Finessen der oberflächlichen
Gesellschaftsintn'gue.

Das Theater des Odeon hat das Unglück, in den unausgcbautesten Re¬
gionen jenseits der Seine im Quartier latin zu liegen, wo es nur Studen¬
ten, Grisetten und Beamte gibt und sieht sich gezwungen, gewöhnlich vor
leeren Bänken zu spielen, wenn ihm nicht von Zeit zu Zeit ein glücklicher
Wurf der Georges Sand oder Ponsardö zu Hilfe kommt. In diesem Augen¬
blicke können die Fremden Ponsards VKonnsur se l'in'xenl. ansehen, das nach
dem Staatsstreiche einen so großen Erfolg hatte, den es aber als Gelegenheitö-
stück heute nicht mehr verdient. Die Schauspieler sind im Ganzen genommen
unbedeutend, die Decorationen und Costüme von verkommenen Glänze frü¬
heren Wohlstandes. Dieses Theater zeichnet sich blos dnrch sein feuriges
Parterre aus, bestehend aus Studenten und ihren zeitweiligen Gefährtinnen,
welche in rührender Harmonie mit der bezahlten Claque für die Begeisterung
der Schauspieler arbeiten, d. h. an den seltenen Tagen, an denen es auf der
Bühne nicht mehr Personen gibt, als in den für die Zuschauer bestimmten
Räumen.

Uuter den acht Theatern mittlern Ranges sind vier der französischen
Muse deS Vaudevilles und vier dem Drama, Melodrama und der Panto¬
mime gewidmet.

Das Vaudeville, das Palais royal (früher Mintausier) das Theater deS
Variütvs und das Gymnase gehören zu ersteren. D<rs letztgenannte hat, Dank
sei es der unvernünftigen Leitung des Theatre frau^ais, sich von dem Ehc-
contracte mit Scriba loszumachen gewußt und vom Range eines gewöhnlichen
Vaudevilletheaters zu dem eines literarischen, zur vorzüglichsten Lustspielbühn
sich emporgeschwungen. Eine Gruppe von tüchtigen Kräften vereinigt sich um
Frau des Directors, um Madame Rose Chery, um diesem kleinen Theater
b'e Vogue zu erhalten, welche ihr seit Scribes Schweigen Georges Saud,
Jules Sandeau, Madame de Girardin und Alerander Dumas Sohn verschafft
haben, i.g ,",)"t>(. von Alerander Dumas Sohn besitzt noch immer nach
der achtzigste^ Porstellung seine ungeschwächte Anziehungskraft und verdient
sowol als Pariser Lebensbild, wie auch wegen des vortrefflichen Spieles t>er
Darstellenden von jedem Besucher der allgemeinen Weltschan gesehen zu werdeu.

Die Schauspieler Geoffroy, Lafontaine, Dupuis, Lesueur gehören zu den
besten, welche Frankreich in diesem Augenblicke besitzt.

Das Baudevillethcater par excellenes leidet an Mangel an unterhalten¬
den Stücken. Seit Alerander Dumas Sohn auf diesem Theater mit der


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sich jetzt noch vorzüglich eines populären Erfolges erfreut, so werden in Frank¬
reich die Lustspiele Moliöres zu Ehren des Publicums gegeben, welches im
Theater seinen selten gesuchten Hauptspas! findet und lieber der alten Muse
clef dan ssns sich zuwendet, als den modernen Finessen der oberflächlichen
Gesellschaftsintn'gue.

Das Theater des Odeon hat das Unglück, in den unausgcbautesten Re¬
gionen jenseits der Seine im Quartier latin zu liegen, wo es nur Studen¬
ten, Grisetten und Beamte gibt und sieht sich gezwungen, gewöhnlich vor
leeren Bänken zu spielen, wenn ihm nicht von Zeit zu Zeit ein glücklicher
Wurf der Georges Sand oder Ponsardö zu Hilfe kommt. In diesem Augen¬
blicke können die Fremden Ponsards VKonnsur se l'in'xenl. ansehen, das nach
dem Staatsstreiche einen so großen Erfolg hatte, den es aber als Gelegenheitö-
stück heute nicht mehr verdient. Die Schauspieler sind im Ganzen genommen
unbedeutend, die Decorationen und Costüme von verkommenen Glänze frü¬
heren Wohlstandes. Dieses Theater zeichnet sich blos dnrch sein feuriges
Parterre aus, bestehend aus Studenten und ihren zeitweiligen Gefährtinnen,
welche in rührender Harmonie mit der bezahlten Claque für die Begeisterung
der Schauspieler arbeiten, d. h. an den seltenen Tagen, an denen es auf der
Bühne nicht mehr Personen gibt, als in den für die Zuschauer bestimmten
Räumen.

Uuter den acht Theatern mittlern Ranges sind vier der französischen
Muse deS Vaudevilles und vier dem Drama, Melodrama und der Panto¬
mime gewidmet.

Das Vaudeville, das Palais royal (früher Mintausier) das Theater deS
Variütvs und das Gymnase gehören zu ersteren. D<rs letztgenannte hat, Dank
sei es der unvernünftigen Leitung des Theatre frau^ais, sich von dem Ehc-
contracte mit Scriba loszumachen gewußt und vom Range eines gewöhnlichen
Vaudevilletheaters zu dem eines literarischen, zur vorzüglichsten Lustspielbühn
sich emporgeschwungen. Eine Gruppe von tüchtigen Kräften vereinigt sich um
Frau des Directors, um Madame Rose Chery, um diesem kleinen Theater
b'e Vogue zu erhalten, welche ihr seit Scribes Schweigen Georges Saud,
Jules Sandeau, Madame de Girardin und Alerander Dumas Sohn verschafft
haben, i.g ,»,)„t>(. von Alerander Dumas Sohn besitzt noch immer nach
der achtzigste^ Porstellung seine ungeschwächte Anziehungskraft und verdient
sowol als Pariser Lebensbild, wie auch wegen des vortrefflichen Spieles t>er
Darstellenden von jedem Besucher der allgemeinen Weltschan gesehen zu werdeu.

Die Schauspieler Geoffroy, Lafontaine, Dupuis, Lesueur gehören zu den
besten, welche Frankreich in diesem Augenblicke besitzt.

Das Baudevillethcater par excellenes leidet an Mangel an unterhalten¬
den Stücken. Seit Alerander Dumas Sohn auf diesem Theater mit der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919/35>, abgerufen am 15.05.2024.