Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Feuer des Angreifers geräumt haben wird, wo er aber jeden Augenblick wieder
erscheinen kann, bedarf es endlich einer vierten Verdauung oder Parallele,
welche zugleich den Zweck hat, zwei neue, noch nicht zur Anwendung gebrachte
Gattungen von Batterien aufzunehmen, diejenigen, welche das noch unversehrte
Geschütz auf den Flanken der Bastione zum Schweigen zu bringen haben und
andere, denen es obliegt, eine Sturmlücke in die Escarpe zu schießen. Erstere
nennt man Contrebatterien, letztere Breschebatterien. Man nennt diese vierte
Verdauung nicht Parallele, sondern die Krönung (Couronnement).

Das Terrain, welches der Angreifer mit seinen Annäherungen zu durch¬
laufen hat, um von der dritten Parallele aus bis zu der Stelle zu gelangen,
wo er die vierte Verdauung (Krönung, Couronnement) ausführt, ist insofern
ein unterschiedliches und ausnahmsweises, als es in der Regel unterminirt sein
wird. Der Grund, weshalb die Sphäre der Minen sich nicht weiter erstreckt,
ist der, daß es fast unmöglich ist, eine Minengalerie länger, wie hundert
Schritte zu führen, weil die Mittel fehlen, sie luftrein zu halten und den Uebel¬
ständen zu begegnen, welche die Entlegenheit des "Orts" (Minentete) von der
Basis hervorruft.

Daß die Vertheidigung aus den Minen bedeutende Vortheile zu ziehen
vermag, ist an sich einleuchtend. Durch aus Erschütterung der Sappen des
Angreifers abzielende unterirdische Erplösionen kann sie diese auf einzelnen
Punkten einstürzen; ja sie würde im Stande sein, die Bresche- und Contre¬
batterien, nach deren Armirung, in die Luft zu sprengen, wenn der Belagerer
bis dahin nicht das Defenstvminenshstem durch Gegenführung eines offensiven
zerstört hätte. In diesem Kampfe unter der Erdoberfläche sind die meisten Um¬
stände dem Angreifenden günstig. Er kann stärkere Ladungen für seine Erplo¬
sionen wählen, weil er eine oberirdisch werdende Wirkung (Trichter) nicht zu
scheuen hat, im Gegentheil dieselben als Logements für seine Schützen und
zu Erweiterungen seiner Sappen nutzen kann. Die Vertheidigung muß sich
dagegen stets nur auf schwache Ladungen beschränken und kann aus diesem
Grunde den Offensivminen gegenüber keinen anderen Zweck erstreben, als den,
diese zu quetschen.

In Ermangelung ausreichend schwerer Geschütze zum Brescheschießen
(man bedarf dazu mindestens langer Vierundzwanzigpfünder) kann man auch
von dem Errichten einer Breschebatterie Abstand nehmen und die Sturmlücke
durch Minen erzeugen; indeß setzt dies voraus, daß der Graben trocken sei
und erheischt an und für sich viel Arbeit. -- Sobald die Breschebatterien
etablirt worden sind, verbleiben für den Ingenieur in der Regel nur zwei
Operationen auszuführen. Er hat der Infanterie eine gedeckte Communication
herzustellen, mittelst deren sie aus dem gedeckten Wege zur Grabensohle oder,
wenn der Graben naß ist, zu dessen Wasserspiegel gelangen kann, und des-


Feuer des Angreifers geräumt haben wird, wo er aber jeden Augenblick wieder
erscheinen kann, bedarf es endlich einer vierten Verdauung oder Parallele,
welche zugleich den Zweck hat, zwei neue, noch nicht zur Anwendung gebrachte
Gattungen von Batterien aufzunehmen, diejenigen, welche das noch unversehrte
Geschütz auf den Flanken der Bastione zum Schweigen zu bringen haben und
andere, denen es obliegt, eine Sturmlücke in die Escarpe zu schießen. Erstere
nennt man Contrebatterien, letztere Breschebatterien. Man nennt diese vierte
Verdauung nicht Parallele, sondern die Krönung (Couronnement).

Das Terrain, welches der Angreifer mit seinen Annäherungen zu durch¬
laufen hat, um von der dritten Parallele aus bis zu der Stelle zu gelangen,
wo er die vierte Verdauung (Krönung, Couronnement) ausführt, ist insofern
ein unterschiedliches und ausnahmsweises, als es in der Regel unterminirt sein
wird. Der Grund, weshalb die Sphäre der Minen sich nicht weiter erstreckt,
ist der, daß es fast unmöglich ist, eine Minengalerie länger, wie hundert
Schritte zu führen, weil die Mittel fehlen, sie luftrein zu halten und den Uebel¬
ständen zu begegnen, welche die Entlegenheit des „Orts" (Minentete) von der
Basis hervorruft.

Daß die Vertheidigung aus den Minen bedeutende Vortheile zu ziehen
vermag, ist an sich einleuchtend. Durch aus Erschütterung der Sappen des
Angreifers abzielende unterirdische Erplösionen kann sie diese auf einzelnen
Punkten einstürzen; ja sie würde im Stande sein, die Bresche- und Contre¬
batterien, nach deren Armirung, in die Luft zu sprengen, wenn der Belagerer
bis dahin nicht das Defenstvminenshstem durch Gegenführung eines offensiven
zerstört hätte. In diesem Kampfe unter der Erdoberfläche sind die meisten Um¬
stände dem Angreifenden günstig. Er kann stärkere Ladungen für seine Erplo¬
sionen wählen, weil er eine oberirdisch werdende Wirkung (Trichter) nicht zu
scheuen hat, im Gegentheil dieselben als Logements für seine Schützen und
zu Erweiterungen seiner Sappen nutzen kann. Die Vertheidigung muß sich
dagegen stets nur auf schwache Ladungen beschränken und kann aus diesem
Grunde den Offensivminen gegenüber keinen anderen Zweck erstreben, als den,
diese zu quetschen.

In Ermangelung ausreichend schwerer Geschütze zum Brescheschießen
(man bedarf dazu mindestens langer Vierundzwanzigpfünder) kann man auch
von dem Errichten einer Breschebatterie Abstand nehmen und die Sturmlücke
durch Minen erzeugen; indeß setzt dies voraus, daß der Graben trocken sei
und erheischt an und für sich viel Arbeit. — Sobald die Breschebatterien
etablirt worden sind, verbleiben für den Ingenieur in der Regel nur zwei
Operationen auszuführen. Er hat der Infanterie eine gedeckte Communication
herzustellen, mittelst deren sie aus dem gedeckten Wege zur Grabensohle oder,
wenn der Graben naß ist, zu dessen Wasserspiegel gelangen kann, und des-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0358" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/100278"/>
            <p xml:id="ID_1045" prev="#ID_1044"> Feuer des Angreifers geräumt haben wird, wo er aber jeden Augenblick wieder<lb/>
erscheinen kann, bedarf es endlich einer vierten Verdauung oder Parallele,<lb/>
welche zugleich den Zweck hat, zwei neue, noch nicht zur Anwendung gebrachte<lb/>
Gattungen von Batterien aufzunehmen, diejenigen, welche das noch unversehrte<lb/>
Geschütz auf den Flanken der Bastione zum Schweigen zu bringen haben und<lb/>
andere, denen es obliegt, eine Sturmlücke in die Escarpe zu schießen. Erstere<lb/>
nennt man Contrebatterien, letztere Breschebatterien. Man nennt diese vierte<lb/>
Verdauung nicht Parallele, sondern die Krönung (Couronnement).</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1046"> Das Terrain, welches der Angreifer mit seinen Annäherungen zu durch¬<lb/>
laufen hat, um von der dritten Parallele aus bis zu der Stelle zu gelangen,<lb/>
wo er die vierte Verdauung (Krönung, Couronnement) ausführt, ist insofern<lb/>
ein unterschiedliches und ausnahmsweises, als es in der Regel unterminirt sein<lb/>
wird. Der Grund, weshalb die Sphäre der Minen sich nicht weiter erstreckt,<lb/>
ist der, daß es fast unmöglich ist, eine Minengalerie länger, wie hundert<lb/>
Schritte zu führen, weil die Mittel fehlen, sie luftrein zu halten und den Uebel¬<lb/>
ständen zu begegnen, welche die Entlegenheit des &#x201E;Orts" (Minentete) von der<lb/>
Basis hervorruft.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1047"> Daß die Vertheidigung aus den Minen bedeutende Vortheile zu ziehen<lb/>
vermag, ist an sich einleuchtend. Durch aus Erschütterung der Sappen des<lb/>
Angreifers abzielende unterirdische Erplösionen kann sie diese auf einzelnen<lb/>
Punkten einstürzen; ja sie würde im Stande sein, die Bresche- und Contre¬<lb/>
batterien, nach deren Armirung, in die Luft zu sprengen, wenn der Belagerer<lb/>
bis dahin nicht das Defenstvminenshstem durch Gegenführung eines offensiven<lb/>
zerstört hätte. In diesem Kampfe unter der Erdoberfläche sind die meisten Um¬<lb/>
stände dem Angreifenden günstig. Er kann stärkere Ladungen für seine Erplo¬<lb/>
sionen wählen, weil er eine oberirdisch werdende Wirkung (Trichter) nicht zu<lb/>
scheuen hat, im Gegentheil dieselben als Logements für seine Schützen und<lb/>
zu Erweiterungen seiner Sappen nutzen kann. Die Vertheidigung muß sich<lb/>
dagegen stets nur auf schwache Ladungen beschränken und kann aus diesem<lb/>
Grunde den Offensivminen gegenüber keinen anderen Zweck erstreben, als den,<lb/>
diese zu quetschen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1048" next="#ID_1049"> In Ermangelung ausreichend schwerer Geschütze zum Brescheschießen<lb/>
(man bedarf dazu mindestens langer Vierundzwanzigpfünder) kann man auch<lb/>
von dem Errichten einer Breschebatterie Abstand nehmen und die Sturmlücke<lb/>
durch Minen erzeugen; indeß setzt dies voraus, daß der Graben trocken sei<lb/>
und erheischt an und für sich viel Arbeit. &#x2014; Sobald die Breschebatterien<lb/>
etablirt worden sind, verbleiben für den Ingenieur in der Regel nur zwei<lb/>
Operationen auszuführen. Er hat der Infanterie eine gedeckte Communication<lb/>
herzustellen, mittelst deren sie aus dem gedeckten Wege zur Grabensohle oder,<lb/>
wenn der Graben naß ist, zu dessen Wasserspiegel gelangen kann, und des-</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0358] Feuer des Angreifers geräumt haben wird, wo er aber jeden Augenblick wieder erscheinen kann, bedarf es endlich einer vierten Verdauung oder Parallele, welche zugleich den Zweck hat, zwei neue, noch nicht zur Anwendung gebrachte Gattungen von Batterien aufzunehmen, diejenigen, welche das noch unversehrte Geschütz auf den Flanken der Bastione zum Schweigen zu bringen haben und andere, denen es obliegt, eine Sturmlücke in die Escarpe zu schießen. Erstere nennt man Contrebatterien, letztere Breschebatterien. Man nennt diese vierte Verdauung nicht Parallele, sondern die Krönung (Couronnement). Das Terrain, welches der Angreifer mit seinen Annäherungen zu durch¬ laufen hat, um von der dritten Parallele aus bis zu der Stelle zu gelangen, wo er die vierte Verdauung (Krönung, Couronnement) ausführt, ist insofern ein unterschiedliches und ausnahmsweises, als es in der Regel unterminirt sein wird. Der Grund, weshalb die Sphäre der Minen sich nicht weiter erstreckt, ist der, daß es fast unmöglich ist, eine Minengalerie länger, wie hundert Schritte zu führen, weil die Mittel fehlen, sie luftrein zu halten und den Uebel¬ ständen zu begegnen, welche die Entlegenheit des „Orts" (Minentete) von der Basis hervorruft. Daß die Vertheidigung aus den Minen bedeutende Vortheile zu ziehen vermag, ist an sich einleuchtend. Durch aus Erschütterung der Sappen des Angreifers abzielende unterirdische Erplösionen kann sie diese auf einzelnen Punkten einstürzen; ja sie würde im Stande sein, die Bresche- und Contre¬ batterien, nach deren Armirung, in die Luft zu sprengen, wenn der Belagerer bis dahin nicht das Defenstvminenshstem durch Gegenführung eines offensiven zerstört hätte. In diesem Kampfe unter der Erdoberfläche sind die meisten Um¬ stände dem Angreifenden günstig. Er kann stärkere Ladungen für seine Erplo¬ sionen wählen, weil er eine oberirdisch werdende Wirkung (Trichter) nicht zu scheuen hat, im Gegentheil dieselben als Logements für seine Schützen und zu Erweiterungen seiner Sappen nutzen kann. Die Vertheidigung muß sich dagegen stets nur auf schwache Ladungen beschränken und kann aus diesem Grunde den Offensivminen gegenüber keinen anderen Zweck erstreben, als den, diese zu quetschen. In Ermangelung ausreichend schwerer Geschütze zum Brescheschießen (man bedarf dazu mindestens langer Vierundzwanzigpfünder) kann man auch von dem Errichten einer Breschebatterie Abstand nehmen und die Sturmlücke durch Minen erzeugen; indeß setzt dies voraus, daß der Graben trocken sei und erheischt an und für sich viel Arbeit. — Sobald die Breschebatterien etablirt worden sind, verbleiben für den Ingenieur in der Regel nur zwei Operationen auszuführen. Er hat der Infanterie eine gedeckte Communication herzustellen, mittelst deren sie aus dem gedeckten Wege zur Grabensohle oder, wenn der Graben naß ist, zu dessen Wasserspiegel gelangen kann, und des-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919/358
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919/358>, abgerufen am 15.05.2024.