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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band.

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man, anstatt jenen großartigen Weg der schnellen und radicalen Entscheidung
zu betreten, auf dem alten, längst verurtheilten des unmittelbaren Angriffs
gegen die Festung verharrt, so weisen nichtsdestoweniger alle Maßregeln, die
man treffen sieht, daraus hin, daß letzteres geschehen wird. Nicht nur wird,
wie ich höre, im Gegensatz zur Feldmunition namentlich Schießbedarf für die
schwere Belagerungsartillerie in Toulon und Marseille eingeschifft, sondern
man hat auch bereits mit dem Verkauf eines großen Theiles der mit bedeu¬
tenden Kosten beschafften Packpferde, ohne welche ins Innere greifende Ope¬
rationen nicht ausführbar sind, begonnen, und hat desgleichen die meisten
Ochsenwagen, die man zu dem Zwecke zusammengebracht hatte, um sie zur Formi-
rung von Verpflegungscolonucn für die Operationsarmee zu benutzen, aus
Kamiesch nach Sinope schaffen lassen. Es sind dies Kennzeichen, die kaum
trügen können. Die verbündete Armee wird also vor Sebastopol, aus dem
schmalen Terrain zwischen Jnkerman, Balaklava und Kamiesch aushalten; sie
wird die Belagerung, wenn man das so nennen kann, weiter führen und
wird, wenn sie im Verlauf der nächsten Monate nicht irgendeine große Kata¬
strophe, wie der Ausbruch der Pest oder der Typhusepidemie ereilt, einen neuen
Winter unter den Wällen des Platzes zubringen. Am Schluß dieses Monats,
von 150,000 Mann, welche sie heute zählt, auf 180,000 M. verstärkt, wird
sie mitten im Winter höchst wahrscheinlich ihren gegenwärtigen Stand noch
nicht erreichen und im Frühjahr -- doch was dann geschehen wird, vermag
niemand zu ahnen.

Ihren Lesern wird nicht entgangen sein, daß in der neulich in Paris er¬
schienenen Broschüre polnischen Ursprungs der nämliche Plan sich entwickelt
findet, von dem ich oben schrieb, nur mit dem Unterschiede, daß dem General
Pelissier die Rolle zugetheilt wurde, mit 30,000 Mann vor der Festung zurück
zu bleiben, um diese im Zaum zu halten und den Artilleriepark zu wahren,
während das Hauptheer, in Stärke von 140,000 Mann, von Eupatoria aus
verbrechen sollte. Mir war es von einem bedeutenden Gewicht, aus einer
Bemerkung zu entnehmen, daß diese Dispositionen auch die Billigung der
Kritik des Herrn von Mieroslawski haben würden, eines Mannes nämlich,
dessen Ansehen als bedeutende, militärische Autorität es nur wenig Ab¬
bruch zu thun vermag, daß er mit seinen Plänen in Polen, Baden und
Sicilien scheiterte. Aber ich kann nichtsdestoweniger die erwähnte Verkei¬
lung der Kräfte nicht gut heißen. > Es hat offenbar keinen rechten Sinn,
sich, lediglich um etwa 1000 schwere Feuerschlünde zu wahren, die, im
Fall alles bei Simpheropol zur Entscheidung kommend, kaum noch in Thä¬
tigkeit kommen würden, der Mitwirkung von S0,000 Mann, oder falls man
Kamiesch besetzt hält, von mindestens 30,000 Mann, behufs jenes großen
Schlages zu entheben. Mit anderen Worten heißt das soviel als: jemehr


man, anstatt jenen großartigen Weg der schnellen und radicalen Entscheidung
zu betreten, auf dem alten, längst verurtheilten des unmittelbaren Angriffs
gegen die Festung verharrt, so weisen nichtsdestoweniger alle Maßregeln, die
man treffen sieht, daraus hin, daß letzteres geschehen wird. Nicht nur wird,
wie ich höre, im Gegensatz zur Feldmunition namentlich Schießbedarf für die
schwere Belagerungsartillerie in Toulon und Marseille eingeschifft, sondern
man hat auch bereits mit dem Verkauf eines großen Theiles der mit bedeu¬
tenden Kosten beschafften Packpferde, ohne welche ins Innere greifende Ope¬
rationen nicht ausführbar sind, begonnen, und hat desgleichen die meisten
Ochsenwagen, die man zu dem Zwecke zusammengebracht hatte, um sie zur Formi-
rung von Verpflegungscolonucn für die Operationsarmee zu benutzen, aus
Kamiesch nach Sinope schaffen lassen. Es sind dies Kennzeichen, die kaum
trügen können. Die verbündete Armee wird also vor Sebastopol, aus dem
schmalen Terrain zwischen Jnkerman, Balaklava und Kamiesch aushalten; sie
wird die Belagerung, wenn man das so nennen kann, weiter führen und
wird, wenn sie im Verlauf der nächsten Monate nicht irgendeine große Kata¬
strophe, wie der Ausbruch der Pest oder der Typhusepidemie ereilt, einen neuen
Winter unter den Wällen des Platzes zubringen. Am Schluß dieses Monats,
von 150,000 Mann, welche sie heute zählt, auf 180,000 M. verstärkt, wird
sie mitten im Winter höchst wahrscheinlich ihren gegenwärtigen Stand noch
nicht erreichen und im Frühjahr — doch was dann geschehen wird, vermag
niemand zu ahnen.

Ihren Lesern wird nicht entgangen sein, daß in der neulich in Paris er¬
schienenen Broschüre polnischen Ursprungs der nämliche Plan sich entwickelt
findet, von dem ich oben schrieb, nur mit dem Unterschiede, daß dem General
Pelissier die Rolle zugetheilt wurde, mit 30,000 Mann vor der Festung zurück
zu bleiben, um diese im Zaum zu halten und den Artilleriepark zu wahren,
während das Hauptheer, in Stärke von 140,000 Mann, von Eupatoria aus
verbrechen sollte. Mir war es von einem bedeutenden Gewicht, aus einer
Bemerkung zu entnehmen, daß diese Dispositionen auch die Billigung der
Kritik des Herrn von Mieroslawski haben würden, eines Mannes nämlich,
dessen Ansehen als bedeutende, militärische Autorität es nur wenig Ab¬
bruch zu thun vermag, daß er mit seinen Plänen in Polen, Baden und
Sicilien scheiterte. Aber ich kann nichtsdestoweniger die erwähnte Verkei¬
lung der Kräfte nicht gut heißen. > Es hat offenbar keinen rechten Sinn,
sich, lediglich um etwa 1000 schwere Feuerschlünde zu wahren, die, im
Fall alles bei Simpheropol zur Entscheidung kommend, kaum noch in Thä¬
tigkeit kommen würden, der Mitwirkung von S0,000 Mann, oder falls man
Kamiesch besetzt hält, von mindestens 30,000 Mann, behufs jenes großen
Schlages zu entheben. Mit anderen Worten heißt das soviel als: jemehr


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919/362>, abgerufen am 15.05.2024.