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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band.

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zu stellen, Wünsche und Ideen sür die nächste Zukunft auszusprechen. Eine
vortreffliche Handhabe dazu bietet das Buch vonRüstow, dessen erste Lieferung
wir bereits mit großer Anerkennung besprochen haben.

Das dritte Heft schließt mit dem verunglückten Sturm vom 18. Juni.
Es war sür die öffentliche Meinung, die sich leicht durch äußere Eindrücke be¬
stimmen läßt, ein kritischer Moment. Wie es bei allen neuen Machthabern
zu. geschehen Pflegt, bei Staatsmännern und Feldherrn ebenso, wie bei Königen,
hatte man die Ernennung des General Pelissier mit großen Hoffnungen be¬
grüßt. Selbst die Geschichte aus seinem frühern Leben, die ein so großes
Entsetzen über seine Barbarei hervorgerufen hatte, wandte man dazu an, seine
Thatkraft zu rühmen. Man war überzeugt, daß jetzt endlich etwas geschehen
werde, nachdem die Kriegführung so lange Zeit die gerechten Erwartungen des
Publicums getäuscht hatte. Allein nach der Niederlage vom 18. Juni wandelte
sich wieder die Stimmung und man sing an zu fürchten, der französische Ge¬
neral werde nur unendliche Menschenopfer bringen, ohne etwas Dauerndes zu
erreichen. Es ist sehr rühmend anzuerkennen, daß Herr Rüstow sich durch
diese Stimmung nicht befangen ließ. Obgleich er den Feldzugsplan im All¬
gemeinen entschieden verurtheilt und auch die naturalistische Art und Weise,
wie Pelissier seine Angriffe einrichtet, keineswegs billigt, so läßr er sich doch
vom Erfolg nicht bestimmen. Er weist nach, daß das Unternehmen vom 18. Juni,
obgleich starke Fehler begangen wurden, an sich keineswegs ein thörichtes war,
daß die Möglichkeit einer Ueberrumplung in der That vorlag und daß der
Plan des Generals von seinem Standpunkt aus wol gerechtfertigt werden
konnte. Er setzt dann hinzu: "Für den Charakter des General Pelissier muß
der 18. Juni zu einem Prüfstein werden; läßt er sich durch das Mißgeschick
des Tages in eine Unthätigkeit ohne weitere Motive oder in ein System hin-
cinschrecken, welches von dem bisher befolgten wesentlich verschieden ist, so
wird man ohne weiteres annehmen dürfen, daß. seine Energie die rein äußer¬
liche des Bramarbas ist, welche mit Uebermuth nur aus den syrupsdicken
stillen Wogen des Glücks schwimmt, nicht die selbstständige einer mit sich ferti¬
gen hartgesottenen Seele." --

Der General hat diese Prüfung bestanden; er hat sich durch das erste
Mißlingen nicht abschrecken lassen und hat sein Ziel, wenn auch mit blutigen
Opfern, glücklich erreicht. Wir freuen uns, aus der geschickten Feder, der wir
die Analyse dieser Vorbereitungen verdanken, in kurzer Zeit auch die Dar¬
stellung des Erfolgs zu erhalten. --

Eine willkommene Zugabe zu dieser Kriegsgeschichte ist das zweite Werk.
Der Hauptinhalt desselben ist die Belagerung von Silistria; außerdem werden
sämmtliche Vorgänge in der europäischen Türkei ausführlich und anschaulich
erzählt. Der Verfasser hat Gelegenheit gehabt, sehr viel zu sehen und erzählt


zu stellen, Wünsche und Ideen sür die nächste Zukunft auszusprechen. Eine
vortreffliche Handhabe dazu bietet das Buch vonRüstow, dessen erste Lieferung
wir bereits mit großer Anerkennung besprochen haben.

Das dritte Heft schließt mit dem verunglückten Sturm vom 18. Juni.
Es war sür die öffentliche Meinung, die sich leicht durch äußere Eindrücke be¬
stimmen läßt, ein kritischer Moment. Wie es bei allen neuen Machthabern
zu. geschehen Pflegt, bei Staatsmännern und Feldherrn ebenso, wie bei Königen,
hatte man die Ernennung des General Pelissier mit großen Hoffnungen be¬
grüßt. Selbst die Geschichte aus seinem frühern Leben, die ein so großes
Entsetzen über seine Barbarei hervorgerufen hatte, wandte man dazu an, seine
Thatkraft zu rühmen. Man war überzeugt, daß jetzt endlich etwas geschehen
werde, nachdem die Kriegführung so lange Zeit die gerechten Erwartungen des
Publicums getäuscht hatte. Allein nach der Niederlage vom 18. Juni wandelte
sich wieder die Stimmung und man sing an zu fürchten, der französische Ge¬
neral werde nur unendliche Menschenopfer bringen, ohne etwas Dauerndes zu
erreichen. Es ist sehr rühmend anzuerkennen, daß Herr Rüstow sich durch
diese Stimmung nicht befangen ließ. Obgleich er den Feldzugsplan im All¬
gemeinen entschieden verurtheilt und auch die naturalistische Art und Weise,
wie Pelissier seine Angriffe einrichtet, keineswegs billigt, so läßr er sich doch
vom Erfolg nicht bestimmen. Er weist nach, daß das Unternehmen vom 18. Juni,
obgleich starke Fehler begangen wurden, an sich keineswegs ein thörichtes war,
daß die Möglichkeit einer Ueberrumplung in der That vorlag und daß der
Plan des Generals von seinem Standpunkt aus wol gerechtfertigt werden
konnte. Er setzt dann hinzu: „Für den Charakter des General Pelissier muß
der 18. Juni zu einem Prüfstein werden; läßt er sich durch das Mißgeschick
des Tages in eine Unthätigkeit ohne weitere Motive oder in ein System hin-
cinschrecken, welches von dem bisher befolgten wesentlich verschieden ist, so
wird man ohne weiteres annehmen dürfen, daß. seine Energie die rein äußer¬
liche des Bramarbas ist, welche mit Uebermuth nur aus den syrupsdicken
stillen Wogen des Glücks schwimmt, nicht die selbstständige einer mit sich ferti¬
gen hartgesottenen Seele." —

Der General hat diese Prüfung bestanden; er hat sich durch das erste
Mißlingen nicht abschrecken lassen und hat sein Ziel, wenn auch mit blutigen
Opfern, glücklich erreicht. Wir freuen uns, aus der geschickten Feder, der wir
die Analyse dieser Vorbereitungen verdanken, in kurzer Zeit auch die Dar¬
stellung des Erfolgs zu erhalten. —

Eine willkommene Zugabe zu dieser Kriegsgeschichte ist das zweite Werk.
Der Hauptinhalt desselben ist die Belagerung von Silistria; außerdem werden
sämmtliche Vorgänge in der europäischen Türkei ausführlich und anschaulich
erzählt. Der Verfasser hat Gelegenheit gehabt, sehr viel zu sehen und erzählt


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919/490>, abgerufen am 22.05.2024.