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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

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und zog in der Stadt mit dem Baillif herum, nach Lutheranern, (so nannte
man damals die reformirten Christen und war der Name calvinisch und Hu¬
genotten noch nicht in Brauch) zu suchen, und rief man mit der Trompete aus,
wer solche wüßte, solle sie bei schwerer Strafe anzeigen. Man hatte auch
viel Bibeln und andre geistliche Bücher, die von den unsern gedruckt und bei
einem Buchführer gefunden worden, öffentlich auf der Gasse verbrannt.

Den 28. Mai 1Sö6 ward ich Baccalaureus in der Medicin, durch 0. Sa-
porta im oollsAio re^lo promovirt. Es disputirteu nur die cwetorss rnscliLi
der hohen Schule gegen mich und währte der Aktus von 6 Uhr früh bis 9.
Darnach zog man mir ein rothes Kleid an, darin dankte ich durch ein Carmen,
worin ich auch der Deutschen gedachte: im Anfange hielt ich eine lange Rede,
die ich auswendig recitirte, zahlte hernach elfFranken und drei Sous und gab
man mir Brief und Siegel. Die Deutschen wünschten mir Glück und ich habe
ihnen zu Dank ein Banket gehalten. --

Im Frühling entschloß ich mich heimzukehren, ich kaufte ein Roß von
meinem Nachbar und verkaufte meine gute Laute, die mir sehr leid that und gab
meinen Gesellen in einem Wirthshause ein Gastmahl, letzte mich mit ihnen.
Ich nahm Abschied von meinen Doctoren und andern guten Freunden, auch
von etlichen Demoisellen. Zuletzt nahm ich Abschied von meinem Herrn Ca-
talan, der weinte, daß ihm die Thränen herabliefen, auch von seiner Frau
und allem HauSgesind. Die Deutschen, die mich geleiten wollten, kamen vor
die Apothecke, wo ich aufsaß und in ziemlicher Compagnie und Reiterei ritt
ich zur Stadt hinaus im Namen Gottes mit bekümmerten Herzen, denn der
Abschied aus dieser geliebten Stadt, wo ich so lange gewohnt, that mir weh.
Es fing mir warlich an bange zu werden, ich dachte an die Gefahr und Weite
der bevorstehenden Reise und daß ick Montpellier nie mehr sehn würde, ging
mir zu Herzen, daß auch mir die Augen über gingen."

So weit Felix, er gelangte glücklich in seine Heimath Basel zurück, wurde
dort Doctor, heirathete seine Geliebte und wurde ein angesehener Arzt, Stadt¬
arzt, Professor der Universität, ein tüchtiger Mann und glücklicher Gatte, der
im Jahre 1614 starb. Wenn die meisten Einzelheiten, welche er aus seinem
akademischen Leben anführt, auch das deutsche Universitätsleben erklären helfen,
so ist doch manches südfranzösische in dem Treiben der Stadt selbst unverkenn¬
bar. Das farbige leichte Leben mit Putz, Tanz und Saitenspiel und da¬
zwischen der wilde Fanatismus religiöser Intoleranz, grelles Licht und schwarzer
Schatten nebeneinander.




und zog in der Stadt mit dem Baillif herum, nach Lutheranern, (so nannte
man damals die reformirten Christen und war der Name calvinisch und Hu¬
genotten noch nicht in Brauch) zu suchen, und rief man mit der Trompete aus,
wer solche wüßte, solle sie bei schwerer Strafe anzeigen. Man hatte auch
viel Bibeln und andre geistliche Bücher, die von den unsern gedruckt und bei
einem Buchführer gefunden worden, öffentlich auf der Gasse verbrannt.

Den 28. Mai 1Sö6 ward ich Baccalaureus in der Medicin, durch 0. Sa-
porta im oollsAio re^lo promovirt. Es disputirteu nur die cwetorss rnscliLi
der hohen Schule gegen mich und währte der Aktus von 6 Uhr früh bis 9.
Darnach zog man mir ein rothes Kleid an, darin dankte ich durch ein Carmen,
worin ich auch der Deutschen gedachte: im Anfange hielt ich eine lange Rede,
die ich auswendig recitirte, zahlte hernach elfFranken und drei Sous und gab
man mir Brief und Siegel. Die Deutschen wünschten mir Glück und ich habe
ihnen zu Dank ein Banket gehalten. —

Im Frühling entschloß ich mich heimzukehren, ich kaufte ein Roß von
meinem Nachbar und verkaufte meine gute Laute, die mir sehr leid that und gab
meinen Gesellen in einem Wirthshause ein Gastmahl, letzte mich mit ihnen.
Ich nahm Abschied von meinen Doctoren und andern guten Freunden, auch
von etlichen Demoisellen. Zuletzt nahm ich Abschied von meinem Herrn Ca-
talan, der weinte, daß ihm die Thränen herabliefen, auch von seiner Frau
und allem HauSgesind. Die Deutschen, die mich geleiten wollten, kamen vor
die Apothecke, wo ich aufsaß und in ziemlicher Compagnie und Reiterei ritt
ich zur Stadt hinaus im Namen Gottes mit bekümmerten Herzen, denn der
Abschied aus dieser geliebten Stadt, wo ich so lange gewohnt, that mir weh.
Es fing mir warlich an bange zu werden, ich dachte an die Gefahr und Weite
der bevorstehenden Reise und daß ick Montpellier nie mehr sehn würde, ging
mir zu Herzen, daß auch mir die Augen über gingen."

So weit Felix, er gelangte glücklich in seine Heimath Basel zurück, wurde
dort Doctor, heirathete seine Geliebte und wurde ein angesehener Arzt, Stadt¬
arzt, Professor der Universität, ein tüchtiger Mann und glücklicher Gatte, der
im Jahre 1614 starb. Wenn die meisten Einzelheiten, welche er aus seinem
akademischen Leben anführt, auch das deutsche Universitätsleben erklären helfen,
so ist doch manches südfranzösische in dem Treiben der Stadt selbst unverkenn¬
bar. Das farbige leichte Leben mit Putz, Tanz und Saitenspiel und da¬
zwischen der wilde Fanatismus religiöser Intoleranz, grelles Licht und schwarzer
Schatten nebeneinander.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/218>, abgerufen am 28.05.2024.