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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

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damals, aufdrängt: ob die verbündeten Mächte im nächstfolgenden Feldzuge den
Kriegsschauplatz über Bessarabien ausdehnen und sowol in der Krim, als auch
von der Donau her agiren werden.

Da die Krim für die Verbündeten ein Feld geworden ist, das sie, so lange
der .Krieg fortgesetzt wird, nicht freiwillig aufgeben können, ohne damit ihrem
eignen Interesse einen empfindlichen Schlag zu versetzen -- ganz abgesehen von
den militärischen Schwierigkeiten, die es haben würde -- so liegt uns die
Frage so: ob der Zweck, Rußland vom schwarzen Meere abzudrän¬
gen, durch ein doppeltes Vorgehen von den in der Krim ein¬
genommenen Positionen und von der Donau aus erreicht werden
kann. Bei der Besprechung derselben enthalte ich mich absichtlich, eine Theil¬
nahme Oestreichs anzunehmen; denn es steht für mich als unabwciSlick fest,
daß dem wiener Cabinet eine directe Action gegen Nußland nur dann räthlich
erscheinen würde, wenn die gewisse Aussicht vorhanden wäre, das Zarenreich
zu einer Macht zweiten Ranges zu reduciren. Denn, um zu .wiederholen,
was ich neulich in Ihren Blättern zu entwickeln Gelegenheit hatte, für Oest¬
reich gilt in der Politik nichts höher, als ein nach jeder Richtung hin offenes
Feld der Allianz und man legt dort in entscheidenden Kreisen der Möglich¬
keit einer Combination im Osten, um mit derselben gegen den Westen zu de-
monstriren, mindestens heute noch denselben Werth bei, wie der entgegengesetzten
Chance.

Man wird bei Berechnung der räumlichen Ausdehnung bevorstehender
Operationen am sichersten gehen, wenn man sich über ihre Zielpunkte Gewi߬
heit verschafft. In der strategischen Kunstsprache nennt man solches Ziel daS
Operationsobject; die Kräfte, welche darauf losgehen (Armee) umfaßt man
mit dem Namen deö Subjects; man versteht ferner unter der Operationslinie
die Hauptrichtung (im engeren Sinne Hauptstraße), auf der sie sich dem Object
annähern, und begreift unter dem Begriff der Operatioi sbasis die Grundlinie,
längs welcher man bei Beginn des Unternehmens seine Streitmassen ent¬
wickelt und von der man ausgeht. Hiernach ist klar, daß, im genauen Wort¬
ausdruck, der Abstand oder die Entfernung der Operationsbasis vom Opera¬
tionsobject der Hauptsache nach die Ausdehnung des Operationsfeldes (in
Bezug auf den ganzen Feldzug Kriegstheater genannt) bestimmt. Aber dabei
ist noch mancherlei Nebensächliches in Betracht zu ziehen, von dem ich gleich
sprechen werde.

Indem eine Operation ihrem Ziele entgegenrückt, können selbstredend die
für sie verwendeten Kräfte aus vielen Gründen nichteine einzige Bewegungs-
linie innehalten, sondern sie werden auf die Benutzung von mehrern ange¬
wiesen sein, die in der Regel am zweckmäßigsten parallellaufende sind.
Militärisch ausgedrückt heißt daS: eine in irgendwelcher Hinsicht bedeutendere


damals, aufdrängt: ob die verbündeten Mächte im nächstfolgenden Feldzuge den
Kriegsschauplatz über Bessarabien ausdehnen und sowol in der Krim, als auch
von der Donau her agiren werden.

Da die Krim für die Verbündeten ein Feld geworden ist, das sie, so lange
der .Krieg fortgesetzt wird, nicht freiwillig aufgeben können, ohne damit ihrem
eignen Interesse einen empfindlichen Schlag zu versetzen — ganz abgesehen von
den militärischen Schwierigkeiten, die es haben würde — so liegt uns die
Frage so: ob der Zweck, Rußland vom schwarzen Meere abzudrän¬
gen, durch ein doppeltes Vorgehen von den in der Krim ein¬
genommenen Positionen und von der Donau aus erreicht werden
kann. Bei der Besprechung derselben enthalte ich mich absichtlich, eine Theil¬
nahme Oestreichs anzunehmen; denn es steht für mich als unabwciSlick fest,
daß dem wiener Cabinet eine directe Action gegen Nußland nur dann räthlich
erscheinen würde, wenn die gewisse Aussicht vorhanden wäre, das Zarenreich
zu einer Macht zweiten Ranges zu reduciren. Denn, um zu .wiederholen,
was ich neulich in Ihren Blättern zu entwickeln Gelegenheit hatte, für Oest¬
reich gilt in der Politik nichts höher, als ein nach jeder Richtung hin offenes
Feld der Allianz und man legt dort in entscheidenden Kreisen der Möglich¬
keit einer Combination im Osten, um mit derselben gegen den Westen zu de-
monstriren, mindestens heute noch denselben Werth bei, wie der entgegengesetzten
Chance.

Man wird bei Berechnung der räumlichen Ausdehnung bevorstehender
Operationen am sichersten gehen, wenn man sich über ihre Zielpunkte Gewi߬
heit verschafft. In der strategischen Kunstsprache nennt man solches Ziel daS
Operationsobject; die Kräfte, welche darauf losgehen (Armee) umfaßt man
mit dem Namen deö Subjects; man versteht ferner unter der Operationslinie
die Hauptrichtung (im engeren Sinne Hauptstraße), auf der sie sich dem Object
annähern, und begreift unter dem Begriff der Operatioi sbasis die Grundlinie,
längs welcher man bei Beginn des Unternehmens seine Streitmassen ent¬
wickelt und von der man ausgeht. Hiernach ist klar, daß, im genauen Wort¬
ausdruck, der Abstand oder die Entfernung der Operationsbasis vom Opera¬
tionsobject der Hauptsache nach die Ausdehnung des Operationsfeldes (in
Bezug auf den ganzen Feldzug Kriegstheater genannt) bestimmt. Aber dabei
ist noch mancherlei Nebensächliches in Betracht zu ziehen, von dem ich gleich
sprechen werde.

Indem eine Operation ihrem Ziele entgegenrückt, können selbstredend die
für sie verwendeten Kräfte aus vielen Gründen nichteine einzige Bewegungs-
linie innehalten, sondern sie werden auf die Benutzung von mehrern ange¬
wiesen sein, die in der Regel am zweckmäßigsten parallellaufende sind.
Militärisch ausgedrückt heißt daS: eine in irgendwelcher Hinsicht bedeutendere


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[0070] damals, aufdrängt: ob die verbündeten Mächte im nächstfolgenden Feldzuge den Kriegsschauplatz über Bessarabien ausdehnen und sowol in der Krim, als auch von der Donau her agiren werden. Da die Krim für die Verbündeten ein Feld geworden ist, das sie, so lange der .Krieg fortgesetzt wird, nicht freiwillig aufgeben können, ohne damit ihrem eignen Interesse einen empfindlichen Schlag zu versetzen — ganz abgesehen von den militärischen Schwierigkeiten, die es haben würde — so liegt uns die Frage so: ob der Zweck, Rußland vom schwarzen Meere abzudrän¬ gen, durch ein doppeltes Vorgehen von den in der Krim ein¬ genommenen Positionen und von der Donau aus erreicht werden kann. Bei der Besprechung derselben enthalte ich mich absichtlich, eine Theil¬ nahme Oestreichs anzunehmen; denn es steht für mich als unabwciSlick fest, daß dem wiener Cabinet eine directe Action gegen Nußland nur dann räthlich erscheinen würde, wenn die gewisse Aussicht vorhanden wäre, das Zarenreich zu einer Macht zweiten Ranges zu reduciren. Denn, um zu .wiederholen, was ich neulich in Ihren Blättern zu entwickeln Gelegenheit hatte, für Oest¬ reich gilt in der Politik nichts höher, als ein nach jeder Richtung hin offenes Feld der Allianz und man legt dort in entscheidenden Kreisen der Möglich¬ keit einer Combination im Osten, um mit derselben gegen den Westen zu de- monstriren, mindestens heute noch denselben Werth bei, wie der entgegengesetzten Chance. Man wird bei Berechnung der räumlichen Ausdehnung bevorstehender Operationen am sichersten gehen, wenn man sich über ihre Zielpunkte Gewi߬ heit verschafft. In der strategischen Kunstsprache nennt man solches Ziel daS Operationsobject; die Kräfte, welche darauf losgehen (Armee) umfaßt man mit dem Namen deö Subjects; man versteht ferner unter der Operationslinie die Hauptrichtung (im engeren Sinne Hauptstraße), auf der sie sich dem Object annähern, und begreift unter dem Begriff der Operatioi sbasis die Grundlinie, längs welcher man bei Beginn des Unternehmens seine Streitmassen ent¬ wickelt und von der man ausgeht. Hiernach ist klar, daß, im genauen Wort¬ ausdruck, der Abstand oder die Entfernung der Operationsbasis vom Opera¬ tionsobject der Hauptsache nach die Ausdehnung des Operationsfeldes (in Bezug auf den ganzen Feldzug Kriegstheater genannt) bestimmt. Aber dabei ist noch mancherlei Nebensächliches in Betracht zu ziehen, von dem ich gleich sprechen werde. Indem eine Operation ihrem Ziele entgegenrückt, können selbstredend die für sie verwendeten Kräfte aus vielen Gründen nichteine einzige Bewegungs- linie innehalten, sondern sie werden auf die Benutzung von mehrern ange¬ wiesen sein, die in der Regel am zweckmäßigsten parallellaufende sind. Militärisch ausgedrückt heißt daS: eine in irgendwelcher Hinsicht bedeutendere

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/70>, abgerufen am 19.05.2024.