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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band.

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Akademiker. Namentlich wird daS lebhafte Dunkelroth, welches die stehende
Grundfarbe aller pompejanischen Wände ist, bald vollkommen schwarz. Um
so verdienstlicher sind die sogleich nach der Entdeckung gemachten Copien.
Der Grund, mit welchem die Wände zur Aufnahme der Malerei überzogen sind,
ist ein so hartgewordenes Stuck, daß Stöße und Berührungen andrer harter
Körper nicht leicht Eindrücke darauf machen. Von diesem Grunde lösen sich
die Tüncher und Malereien mit wenigen Ausnahmen nicht im Geringsten ab,
auch bei der Behandlung mit setten und ätherischen Oelen, Seife, Alkohol und
Wasser. Sie besitzen also die nicht zu übersehende Eigenschaft, daß sie leicht
und ohne Nachtheil von Staub und andern, Schmuz gereinigt werden können.
Ihre Haltbarkeit hat sich fast durch zwei Jahrtausende bewährt!

Die viel ventilirte Frage, ob der Farbeauftrag der pompejanischen Wand¬
bilder al tröseo (auf nassen) oder s, tempers, (auf trocknen Grund mit einem
Bindemittel) erfolgt sei, entscheidet Wiegmann sür Fresco. Seine Gründe sind
folgende: Erstens ist der Stucküberzug der Wände, wenn die Oberfläche groß
oder reich verziert ist, nicht mit einem Mal über die ganze Wand ausgebrei¬
tet worden, sondern nach Maßgabe der Felderabtheilung zeigt sich derselbe an¬
gesetzt, und außerdem sind die Bilder, welche sich innerhalb der Felder befinden,
von einer Ansatzsuge umgeben. Man sieht daraus, daß eine gewisse Frische
und Feuchtigkeit des letzten Ueberzugs zum Färben, Glätten und Malen er¬
forderlich war; denn wäre dies nicht der Fall gewesen, so hätte man mit grö¬
ßerer Leichtigkeit und Gleichheit die ganze Wand auf einmal überziehen können.
Sodann zeigen sich mit einem Griffel eingedrückte Umrisse, Eintheilungen und
Hilfslinien, die nicht überall durch die Malerei wieder verdeckt worden sind.
Es leidet keinen Zweifel, daß diese Zeichnung zu einer Zeit gemacht werden
mußte, wo die Masse der Wandbekleidung noch weich und sür leichte Eindrücke
empfänglich war. Auch dies setzt ein Malen auf nassem Grunde voraus, denn
auf trocknem hätte das Aufzeichnen mit Kreide oder tgi. bequem geschehen
können, ohne eine Spur zu hinterlassen. Endlich behauptet Wiegmann, daß
in jeder der angewandten Farben, auch dem tiefsten Schwarz, Kalk vorhanden
sei. Die neuere Frescomalerei steht in technischer Hinsicht der pompejanischen
in mancher Hinsicht nach. Der Maucrgrund ist bei ihr nie eine so vollkommen
ebene Fläche wie in Pompeji, die Färbung ist unklar und opak, und obendrein
nicht gleichmäßig, sondern fleckig und rauh. Wiegmann hat behufs der Wie¬
dereinführung der pompejanischen Malerei einen praktischen Versuch in einem
Zimmer gemacht, das ihm der vor einigen Jahren verstorbene hannoversche
Gesandte in Rom, Kastner, eingeräumt hatte. Er soll, mit Rücksicht auf das
Ungewohnte der Technik für Maler und Maurer befriedigend ausgefallen sein,
scheint aber keine weitern Folgen gehabt zu haben.

Wenn wir nun die pompejanischen Wände im Ganzen betrachten, so


Akademiker. Namentlich wird daS lebhafte Dunkelroth, welches die stehende
Grundfarbe aller pompejanischen Wände ist, bald vollkommen schwarz. Um
so verdienstlicher sind die sogleich nach der Entdeckung gemachten Copien.
Der Grund, mit welchem die Wände zur Aufnahme der Malerei überzogen sind,
ist ein so hartgewordenes Stuck, daß Stöße und Berührungen andrer harter
Körper nicht leicht Eindrücke darauf machen. Von diesem Grunde lösen sich
die Tüncher und Malereien mit wenigen Ausnahmen nicht im Geringsten ab,
auch bei der Behandlung mit setten und ätherischen Oelen, Seife, Alkohol und
Wasser. Sie besitzen also die nicht zu übersehende Eigenschaft, daß sie leicht
und ohne Nachtheil von Staub und andern, Schmuz gereinigt werden können.
Ihre Haltbarkeit hat sich fast durch zwei Jahrtausende bewährt!

Die viel ventilirte Frage, ob der Farbeauftrag der pompejanischen Wand¬
bilder al tröseo (auf nassen) oder s, tempers, (auf trocknen Grund mit einem
Bindemittel) erfolgt sei, entscheidet Wiegmann sür Fresco. Seine Gründe sind
folgende: Erstens ist der Stucküberzug der Wände, wenn die Oberfläche groß
oder reich verziert ist, nicht mit einem Mal über die ganze Wand ausgebrei¬
tet worden, sondern nach Maßgabe der Felderabtheilung zeigt sich derselbe an¬
gesetzt, und außerdem sind die Bilder, welche sich innerhalb der Felder befinden,
von einer Ansatzsuge umgeben. Man sieht daraus, daß eine gewisse Frische
und Feuchtigkeit des letzten Ueberzugs zum Färben, Glätten und Malen er¬
forderlich war; denn wäre dies nicht der Fall gewesen, so hätte man mit grö¬
ßerer Leichtigkeit und Gleichheit die ganze Wand auf einmal überziehen können.
Sodann zeigen sich mit einem Griffel eingedrückte Umrisse, Eintheilungen und
Hilfslinien, die nicht überall durch die Malerei wieder verdeckt worden sind.
Es leidet keinen Zweifel, daß diese Zeichnung zu einer Zeit gemacht werden
mußte, wo die Masse der Wandbekleidung noch weich und sür leichte Eindrücke
empfänglich war. Auch dies setzt ein Malen auf nassem Grunde voraus, denn
auf trocknem hätte das Aufzeichnen mit Kreide oder tgi. bequem geschehen
können, ohne eine Spur zu hinterlassen. Endlich behauptet Wiegmann, daß
in jeder der angewandten Farben, auch dem tiefsten Schwarz, Kalk vorhanden
sei. Die neuere Frescomalerei steht in technischer Hinsicht der pompejanischen
in mancher Hinsicht nach. Der Maucrgrund ist bei ihr nie eine so vollkommen
ebene Fläche wie in Pompeji, die Färbung ist unklar und opak, und obendrein
nicht gleichmäßig, sondern fleckig und rauh. Wiegmann hat behufs der Wie¬
dereinführung der pompejanischen Malerei einen praktischen Versuch in einem
Zimmer gemacht, das ihm der vor einigen Jahren verstorbene hannoversche
Gesandte in Rom, Kastner, eingeräumt hatte. Er soll, mit Rücksicht auf das
Ungewohnte der Technik für Maler und Maurer befriedigend ausgefallen sein,
scheint aber keine weitern Folgen gehabt zu haben.

Wenn wir nun die pompejanischen Wände im Ganzen betrachten, so


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[0036] Akademiker. Namentlich wird daS lebhafte Dunkelroth, welches die stehende Grundfarbe aller pompejanischen Wände ist, bald vollkommen schwarz. Um so verdienstlicher sind die sogleich nach der Entdeckung gemachten Copien. Der Grund, mit welchem die Wände zur Aufnahme der Malerei überzogen sind, ist ein so hartgewordenes Stuck, daß Stöße und Berührungen andrer harter Körper nicht leicht Eindrücke darauf machen. Von diesem Grunde lösen sich die Tüncher und Malereien mit wenigen Ausnahmen nicht im Geringsten ab, auch bei der Behandlung mit setten und ätherischen Oelen, Seife, Alkohol und Wasser. Sie besitzen also die nicht zu übersehende Eigenschaft, daß sie leicht und ohne Nachtheil von Staub und andern, Schmuz gereinigt werden können. Ihre Haltbarkeit hat sich fast durch zwei Jahrtausende bewährt! Die viel ventilirte Frage, ob der Farbeauftrag der pompejanischen Wand¬ bilder al tröseo (auf nassen) oder s, tempers, (auf trocknen Grund mit einem Bindemittel) erfolgt sei, entscheidet Wiegmann sür Fresco. Seine Gründe sind folgende: Erstens ist der Stucküberzug der Wände, wenn die Oberfläche groß oder reich verziert ist, nicht mit einem Mal über die ganze Wand ausgebrei¬ tet worden, sondern nach Maßgabe der Felderabtheilung zeigt sich derselbe an¬ gesetzt, und außerdem sind die Bilder, welche sich innerhalb der Felder befinden, von einer Ansatzsuge umgeben. Man sieht daraus, daß eine gewisse Frische und Feuchtigkeit des letzten Ueberzugs zum Färben, Glätten und Malen er¬ forderlich war; denn wäre dies nicht der Fall gewesen, so hätte man mit grö¬ ßerer Leichtigkeit und Gleichheit die ganze Wand auf einmal überziehen können. Sodann zeigen sich mit einem Griffel eingedrückte Umrisse, Eintheilungen und Hilfslinien, die nicht überall durch die Malerei wieder verdeckt worden sind. Es leidet keinen Zweifel, daß diese Zeichnung zu einer Zeit gemacht werden mußte, wo die Masse der Wandbekleidung noch weich und sür leichte Eindrücke empfänglich war. Auch dies setzt ein Malen auf nassem Grunde voraus, denn auf trocknem hätte das Aufzeichnen mit Kreide oder tgi. bequem geschehen können, ohne eine Spur zu hinterlassen. Endlich behauptet Wiegmann, daß in jeder der angewandten Farben, auch dem tiefsten Schwarz, Kalk vorhanden sei. Die neuere Frescomalerei steht in technischer Hinsicht der pompejanischen in mancher Hinsicht nach. Der Maucrgrund ist bei ihr nie eine so vollkommen ebene Fläche wie in Pompeji, die Färbung ist unklar und opak, und obendrein nicht gleichmäßig, sondern fleckig und rauh. Wiegmann hat behufs der Wie¬ dereinführung der pompejanischen Malerei einen praktischen Versuch in einem Zimmer gemacht, das ihm der vor einigen Jahren verstorbene hannoversche Gesandte in Rom, Kastner, eingeräumt hatte. Er soll, mit Rücksicht auf das Ungewohnte der Technik für Maler und Maurer befriedigend ausgefallen sein, scheint aber keine weitern Folgen gehabt zu haben. Wenn wir nun die pompejanischen Wände im Ganzen betrachten, so

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_101526/36>, abgerufen am 22.05.2024.