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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band.

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müßte billig nur Werken von unzweifelhaft hervorragender Bedeutung zu
Theil werden.

Dieses dritte oder sogenannte Künstlerconcert der Musikfeste gibt überhaupt
noch zu manchen Wünschen Veranlassung, die hoffentlich nicht blos fromme
bleiben werden. Ursprünglich wurde es wol als eine Art von Zugabe zu dem
eigentlichen Musikfeste betrachtet, um die einmal versammelten Kräfte so viel wie
möglich zu nutzen, wobei dermale doppelte Rücksicht eintrat, daß dies Concert nicht
viel Zeit zum Einstudiren in Anspruch nehmen durfte, die den Hauptaufführungen
nicht verkürzt werden konnte, und daß den Virtuosen Gelegenheit gegeben
werden sollte, sich für die Opfer zu entschädigen, welche sie der classischen
Musik gebracht hatten. Beide Rücksichten sind wohl berechtigt; allein jetzt,
wo die Musikfeste eine solche Bedeutung erlangt haben, wäre es sehr der Mühe
werth, auch das dritte Concert auf eine würdigere Stufe zu erheben. V^r
allen Dingen wird es dann nöthig sein, dasselbe nicht zu sehr dem Zufall des
letzten Augenblicks zu überlassen, sondern zur rechten Zeit mit Berücksichtigung
der gewonnenen Kräfte ein interessantes und bedeutendes Programm zu ent¬
werfen, für dessen Ausführung dann auch im voraus studirt und geübt werden
kann. Es scheint ferner nicht nöthig, daß jeder Sänger und jede Sängerin
womöglich zweimal auftrete, so wenig als daß jedes Mal mehre Jnstrumenta-
listen sich hören lassen. Hierüber darf nur der Umstand entscheiden, ob ein
günstiges Geschick das wahrhaft Treffliche und Ausgezeichnete dem Publicum
vorzuführen gestattet. Wenn in dieser Hinsicht eine weise Beschränkung ein¬
tritt, so'gewinnt man Raum für das Bedeutende. Es ist sehr zu wünschen,
daß ein so vortreffliches Orchester nicht regelmäßig auf zwei Ouvertüren be¬
schränkt werde, sondern womöglich eine Symphonie zur Aufführung komme.
Die meisten Symphonien, welche für ein solches Fest in Frage kommen, sind
jetzt so allgemein bekannt, daß, zumal wenn rechtzeitig die.aufzuführenden an¬
gezeigt werden, jedes Orchestermitglieb damit bekannt und der Aufführung vor¬
gearbeitet sein kann. Dabei würde auch der Vortheil erreicht, daß manche
Symphonien, die jetzt, weil sie zu kurz ober zu leicht erscheinen, ausgeschlossen
sind, namentlich havbnsche und mvzarlsche, eben dieser Eigenschaften wegen
als vorzüglich passend sich erweisen und eine willkommene Bereicherung des
Repertoirs abgeben würden. Dann wäre es auch möglich, den herrlichen Chor,
den man nicht, ohne Bedauern den ganzen Abend müßig auf seinen Plätzen
dasitzen sieht, wieder zu verwenden. .Schon jetzt ist es Sitte, zum Schluß
einen bedeutenden Chor ans einem der Oratorien zu wiederholen, nicht selten
wird es sich treffen, baß mehr als ein Chor zu solcher Wiederholung geeignet
ist; auch ist es bei der Continuität der Musikfeste sehr wohl denkbar, daß ge¬
wisse bedeutende Chöre gewissermaßen stabil, in allen Gesangvereinen so bekannt
uno burchgeübt werden, baß man sie gemeinsam auch ohne viel Proben wird


Grmzboien. II. 48so. ^

müßte billig nur Werken von unzweifelhaft hervorragender Bedeutung zu
Theil werden.

Dieses dritte oder sogenannte Künstlerconcert der Musikfeste gibt überhaupt
noch zu manchen Wünschen Veranlassung, die hoffentlich nicht blos fromme
bleiben werden. Ursprünglich wurde es wol als eine Art von Zugabe zu dem
eigentlichen Musikfeste betrachtet, um die einmal versammelten Kräfte so viel wie
möglich zu nutzen, wobei dermale doppelte Rücksicht eintrat, daß dies Concert nicht
viel Zeit zum Einstudiren in Anspruch nehmen durfte, die den Hauptaufführungen
nicht verkürzt werden konnte, und daß den Virtuosen Gelegenheit gegeben
werden sollte, sich für die Opfer zu entschädigen, welche sie der classischen
Musik gebracht hatten. Beide Rücksichten sind wohl berechtigt; allein jetzt,
wo die Musikfeste eine solche Bedeutung erlangt haben, wäre es sehr der Mühe
werth, auch das dritte Concert auf eine würdigere Stufe zu erheben. V^r
allen Dingen wird es dann nöthig sein, dasselbe nicht zu sehr dem Zufall des
letzten Augenblicks zu überlassen, sondern zur rechten Zeit mit Berücksichtigung
der gewonnenen Kräfte ein interessantes und bedeutendes Programm zu ent¬
werfen, für dessen Ausführung dann auch im voraus studirt und geübt werden
kann. Es scheint ferner nicht nöthig, daß jeder Sänger und jede Sängerin
womöglich zweimal auftrete, so wenig als daß jedes Mal mehre Jnstrumenta-
listen sich hören lassen. Hierüber darf nur der Umstand entscheiden, ob ein
günstiges Geschick das wahrhaft Treffliche und Ausgezeichnete dem Publicum
vorzuführen gestattet. Wenn in dieser Hinsicht eine weise Beschränkung ein¬
tritt, so'gewinnt man Raum für das Bedeutende. Es ist sehr zu wünschen,
daß ein so vortreffliches Orchester nicht regelmäßig auf zwei Ouvertüren be¬
schränkt werde, sondern womöglich eine Symphonie zur Aufführung komme.
Die meisten Symphonien, welche für ein solches Fest in Frage kommen, sind
jetzt so allgemein bekannt, daß, zumal wenn rechtzeitig die.aufzuführenden an¬
gezeigt werden, jedes Orchestermitglieb damit bekannt und der Aufführung vor¬
gearbeitet sein kann. Dabei würde auch der Vortheil erreicht, daß manche
Symphonien, die jetzt, weil sie zu kurz ober zu leicht erscheinen, ausgeschlossen
sind, namentlich havbnsche und mvzarlsche, eben dieser Eigenschaften wegen
als vorzüglich passend sich erweisen und eine willkommene Bereicherung des
Repertoirs abgeben würden. Dann wäre es auch möglich, den herrlichen Chor,
den man nicht, ohne Bedauern den ganzen Abend müßig auf seinen Plätzen
dasitzen sieht, wieder zu verwenden. .Schon jetzt ist es Sitte, zum Schluß
einen bedeutenden Chor ans einem der Oratorien zu wiederholen, nicht selten
wird es sich treffen, baß mehr als ein Chor zu solcher Wiederholung geeignet
ist; auch ist es bei der Continuität der Musikfeste sehr wohl denkbar, daß ge¬
wisse bedeutende Chöre gewissermaßen stabil, in allen Gesangvereinen so bekannt
uno burchgeübt werden, baß man sie gemeinsam auch ohne viel Proben wird


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[0505] müßte billig nur Werken von unzweifelhaft hervorragender Bedeutung zu Theil werden. Dieses dritte oder sogenannte Künstlerconcert der Musikfeste gibt überhaupt noch zu manchen Wünschen Veranlassung, die hoffentlich nicht blos fromme bleiben werden. Ursprünglich wurde es wol als eine Art von Zugabe zu dem eigentlichen Musikfeste betrachtet, um die einmal versammelten Kräfte so viel wie möglich zu nutzen, wobei dermale doppelte Rücksicht eintrat, daß dies Concert nicht viel Zeit zum Einstudiren in Anspruch nehmen durfte, die den Hauptaufführungen nicht verkürzt werden konnte, und daß den Virtuosen Gelegenheit gegeben werden sollte, sich für die Opfer zu entschädigen, welche sie der classischen Musik gebracht hatten. Beide Rücksichten sind wohl berechtigt; allein jetzt, wo die Musikfeste eine solche Bedeutung erlangt haben, wäre es sehr der Mühe werth, auch das dritte Concert auf eine würdigere Stufe zu erheben. V^r allen Dingen wird es dann nöthig sein, dasselbe nicht zu sehr dem Zufall des letzten Augenblicks zu überlassen, sondern zur rechten Zeit mit Berücksichtigung der gewonnenen Kräfte ein interessantes und bedeutendes Programm zu ent¬ werfen, für dessen Ausführung dann auch im voraus studirt und geübt werden kann. Es scheint ferner nicht nöthig, daß jeder Sänger und jede Sängerin womöglich zweimal auftrete, so wenig als daß jedes Mal mehre Jnstrumenta- listen sich hören lassen. Hierüber darf nur der Umstand entscheiden, ob ein günstiges Geschick das wahrhaft Treffliche und Ausgezeichnete dem Publicum vorzuführen gestattet. Wenn in dieser Hinsicht eine weise Beschränkung ein¬ tritt, so'gewinnt man Raum für das Bedeutende. Es ist sehr zu wünschen, daß ein so vortreffliches Orchester nicht regelmäßig auf zwei Ouvertüren be¬ schränkt werde, sondern womöglich eine Symphonie zur Aufführung komme. Die meisten Symphonien, welche für ein solches Fest in Frage kommen, sind jetzt so allgemein bekannt, daß, zumal wenn rechtzeitig die.aufzuführenden an¬ gezeigt werden, jedes Orchestermitglieb damit bekannt und der Aufführung vor¬ gearbeitet sein kann. Dabei würde auch der Vortheil erreicht, daß manche Symphonien, die jetzt, weil sie zu kurz ober zu leicht erscheinen, ausgeschlossen sind, namentlich havbnsche und mvzarlsche, eben dieser Eigenschaften wegen als vorzüglich passend sich erweisen und eine willkommene Bereicherung des Repertoirs abgeben würden. Dann wäre es auch möglich, den herrlichen Chor, den man nicht, ohne Bedauern den ganzen Abend müßig auf seinen Plätzen dasitzen sieht, wieder zu verwenden. .Schon jetzt ist es Sitte, zum Schluß einen bedeutenden Chor ans einem der Oratorien zu wiederholen, nicht selten wird es sich treffen, baß mehr als ein Chor zu solcher Wiederholung geeignet ist; auch ist es bei der Continuität der Musikfeste sehr wohl denkbar, daß ge¬ wisse bedeutende Chöre gewissermaßen stabil, in allen Gesangvereinen so bekannt uno burchgeübt werden, baß man sie gemeinsam auch ohne viel Proben wird Grmzboien. II. 48so. ^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_101526/505>, abgerufen am 15.06.2024.