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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band.

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wird CoSroe gekrönt, alle seine Titel und Würden werden dabei aufgezählt.
-- CoSroe will sich mit Theridamas gegen Mycetes, der immer noch eine Partei
hat, verbinden. Aber dies erfahren wir hier nicht, nachher II., 2 sehen wir,
daß Meander treu geblieben ist.

Scene 2. Tamerlan tritt auf, noch in der ärmlichen Kleidung eines
cythischen Hirten, mitsammt zwei Freunden und anderm Gefolge, alle mit Beute
beladen. Mit ihm die eben gefangene ägyptische Prinzessin Zenokrate, von
zwei Freunden begleitet. Tamerlan tröstet Zenokrate wegen ihrer Gefangen¬
nehmung, Zenokrate erwidert mit einer Bitte um Schonung; als sie nun auf
seine plötzliche kurze Frage, ob sie verlobt sei, ebenso kurz bejahend geant¬
wortet hat, sagt Tamerlan, er sei ein Herr durch seine Thaten, zwar von Ge¬
burt nur ein Schäfer, sie aber solle die Gemahlin eines Eroberers werden.
Nun wirft er die dürftige Tracht ab und steht in prächtiger Rüstung, in kupfer¬
farbenem Wamms und Beinkleidern von scharlachrothen Sammet da*) bewehrt
mit einer Streitart, so werden sich seine Freunde auch verwandeln. Einer
derselben bemerkt:


Wie königlich ein Löwe sich erhebt,
Die Klauen reckend und den Heerden drohend:
So schaut in seiner Rüstung Tamerlan.
Mir däucht, ich sehe Kön'ge vor ihm knie'n
Und, er, mit düstrer Stirn und Feuerblick
Stößt Kron' auf Kron' ab den gefangnen Häuptern.

Aber Zenokrate läßt sich nicht blenden, noch schrecken: "Die Götter, die
Vertheidiger der Unschuld, werden euch nicht helfen für die Beraubung armer
Wanderöleute und ihre beiden Begleiter bitten um Freilassung; die Güter
mochten sie behalten. Da redet der Räuber:


Verschmähe Zenokrate bei mir zu sein?
Verschmähe ihr mir zu folgen, fremde Herrn?
Glaubt ihr, der Schatz sei mehr mir werth als ihr?
Nicht all das Gold in Indias reichen Auen
Soll den geringsten Kämpfer mir erstehn. --
O, Liebliche, du mehr als Jovis Liebe,
strahlender als Rhodogcns") Silberglanz,
Blonder als Scythias reinster Hügclschnce:
Dein Selbst ist kostbarer dem Tamerlan -
Als der Besitz von Persiens Diadem,
Mein von Geburt an durch der Sterne Gnade.



*) So das Kostüm Ed. AlleynS, der in dieser Rolle Furore machte. Für einen Man¬
tel gab die Schanspielcrgesellschast zuweilen das Dreifache vo" dem, was sie für ein neues
Stück bezahlte.
**) Gemahlin des Hanns in Thracien, beide wegen ihres Stolzes in Berge verwandelt.

wird CoSroe gekrönt, alle seine Titel und Würden werden dabei aufgezählt.
— CoSroe will sich mit Theridamas gegen Mycetes, der immer noch eine Partei
hat, verbinden. Aber dies erfahren wir hier nicht, nachher II., 2 sehen wir,
daß Meander treu geblieben ist.

Scene 2. Tamerlan tritt auf, noch in der ärmlichen Kleidung eines
cythischen Hirten, mitsammt zwei Freunden und anderm Gefolge, alle mit Beute
beladen. Mit ihm die eben gefangene ägyptische Prinzessin Zenokrate, von
zwei Freunden begleitet. Tamerlan tröstet Zenokrate wegen ihrer Gefangen¬
nehmung, Zenokrate erwidert mit einer Bitte um Schonung; als sie nun auf
seine plötzliche kurze Frage, ob sie verlobt sei, ebenso kurz bejahend geant¬
wortet hat, sagt Tamerlan, er sei ein Herr durch seine Thaten, zwar von Ge¬
burt nur ein Schäfer, sie aber solle die Gemahlin eines Eroberers werden.
Nun wirft er die dürftige Tracht ab und steht in prächtiger Rüstung, in kupfer¬
farbenem Wamms und Beinkleidern von scharlachrothen Sammet da*) bewehrt
mit einer Streitart, so werden sich seine Freunde auch verwandeln. Einer
derselben bemerkt:


Wie königlich ein Löwe sich erhebt,
Die Klauen reckend und den Heerden drohend:
So schaut in seiner Rüstung Tamerlan.
Mir däucht, ich sehe Kön'ge vor ihm knie'n
Und, er, mit düstrer Stirn und Feuerblick
Stößt Kron' auf Kron' ab den gefangnen Häuptern.

Aber Zenokrate läßt sich nicht blenden, noch schrecken: „Die Götter, die
Vertheidiger der Unschuld, werden euch nicht helfen für die Beraubung armer
Wanderöleute und ihre beiden Begleiter bitten um Freilassung; die Güter
mochten sie behalten. Da redet der Räuber:


Verschmähe Zenokrate bei mir zu sein?
Verschmähe ihr mir zu folgen, fremde Herrn?
Glaubt ihr, der Schatz sei mehr mir werth als ihr?
Nicht all das Gold in Indias reichen Auen
Soll den geringsten Kämpfer mir erstehn. —
O, Liebliche, du mehr als Jovis Liebe,
strahlender als Rhodogcns") Silberglanz,
Blonder als Scythias reinster Hügclschnce:
Dein Selbst ist kostbarer dem Tamerlan -
Als der Besitz von Persiens Diadem,
Mein von Geburt an durch der Sterne Gnade.



*) So das Kostüm Ed. AlleynS, der in dieser Rolle Furore machte. Für einen Man¬
tel gab die Schanspielcrgesellschast zuweilen das Dreifache vo» dem, was sie für ein neues
Stück bezahlte.
**) Gemahlin des Hanns in Thracien, beide wegen ihres Stolzes in Berge verwandelt.
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[0084] wird CoSroe gekrönt, alle seine Titel und Würden werden dabei aufgezählt. — CoSroe will sich mit Theridamas gegen Mycetes, der immer noch eine Partei hat, verbinden. Aber dies erfahren wir hier nicht, nachher II., 2 sehen wir, daß Meander treu geblieben ist. Scene 2. Tamerlan tritt auf, noch in der ärmlichen Kleidung eines cythischen Hirten, mitsammt zwei Freunden und anderm Gefolge, alle mit Beute beladen. Mit ihm die eben gefangene ägyptische Prinzessin Zenokrate, von zwei Freunden begleitet. Tamerlan tröstet Zenokrate wegen ihrer Gefangen¬ nehmung, Zenokrate erwidert mit einer Bitte um Schonung; als sie nun auf seine plötzliche kurze Frage, ob sie verlobt sei, ebenso kurz bejahend geant¬ wortet hat, sagt Tamerlan, er sei ein Herr durch seine Thaten, zwar von Ge¬ burt nur ein Schäfer, sie aber solle die Gemahlin eines Eroberers werden. Nun wirft er die dürftige Tracht ab und steht in prächtiger Rüstung, in kupfer¬ farbenem Wamms und Beinkleidern von scharlachrothen Sammet da*) bewehrt mit einer Streitart, so werden sich seine Freunde auch verwandeln. Einer derselben bemerkt: Wie königlich ein Löwe sich erhebt, Die Klauen reckend und den Heerden drohend: So schaut in seiner Rüstung Tamerlan. Mir däucht, ich sehe Kön'ge vor ihm knie'n Und, er, mit düstrer Stirn und Feuerblick Stößt Kron' auf Kron' ab den gefangnen Häuptern. Aber Zenokrate läßt sich nicht blenden, noch schrecken: „Die Götter, die Vertheidiger der Unschuld, werden euch nicht helfen für die Beraubung armer Wanderöleute und ihre beiden Begleiter bitten um Freilassung; die Güter mochten sie behalten. Da redet der Räuber: Verschmähe Zenokrate bei mir zu sein? Verschmähe ihr mir zu folgen, fremde Herrn? Glaubt ihr, der Schatz sei mehr mir werth als ihr? Nicht all das Gold in Indias reichen Auen Soll den geringsten Kämpfer mir erstehn. — O, Liebliche, du mehr als Jovis Liebe, strahlender als Rhodogcns") Silberglanz, Blonder als Scythias reinster Hügclschnce: Dein Selbst ist kostbarer dem Tamerlan - Als der Besitz von Persiens Diadem, Mein von Geburt an durch der Sterne Gnade. *) So das Kostüm Ed. AlleynS, der in dieser Rolle Furore machte. Für einen Man¬ tel gab die Schanspielcrgesellschast zuweilen das Dreifache vo» dem, was sie für ein neues Stück bezahlte. **) Gemahlin des Hanns in Thracien, beide wegen ihres Stolzes in Berge verwandelt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_101526/84>, abgerufen am 22.05.2024.