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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band.

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Brief an Kinns, welcher bereits gedruckt in: Theaterbriefe von Goethe und
freundschaftliche Briefe von Jean Paul. Bon Dittmar. Berlin, 1835.
S. 2j, -- seines interessanten Inhalts wegen zum Schluß hier noch ganz mit¬
getheilt werden soll:

XIX. "Es ist recht schön, daß Sie die Abschrift und Leseprobe ""Wallen-
steins"" beschleunigen. Da das Stück nicht groß und die Schauspieler durch
das erste schon im Gange sind, so denke ich, es soll zur bestimmten Zeit zu
Stande kommen.

Das Manuscript geben Sie nur heraus, wo es nöthig ist, lassen sich es
aber gleich wieder zustellen. Bei der gewissenlosen Tournüre, die in Weimar
überhandnehmen will, muß man niemanden mehr trauen, und sollte eine
Untreue einmal auf jemanden erwiesen werden, so will ich gewiß ein Exempel,
statuiren.

Für die Mühe, die Sie sich gegeben, das Excerpt des Briefes zu machen
bin ich Ihnen sehr verbunden; mich gibt nur wunder, wie man unverschämt
genug sein kann, einen solchen Wisch vorzuzeigen, der so dumm und so grob
zugleich ist. Dumm, indem man wahrscheinlich machen will, das Stück aus
Stellen von Briefen ergänzt zu haben. Das müssen ja allerliebste Korrespon¬
denten sein, welche sich einzelne Stellen auswendig merken, um sie nach Kopen¬
hagen zu schreiben, und der Zufall ist noch scharmanter, daß die Herren nicht
grade durch eben dieselben Stellen gerührt werden, und sich jeder eine andre
merkt, damit es zuletzt mit dem, was gedruckt erschienen ist, ein Ganzes aus¬
macht. Grob ist der Brief in der Stelle, die sich auf uns bezieht. Freilich
ist ein öffentlich gespieltes Stück kein Geheimniß, aber das Manuscript
davon wird jahrelang von honetten Menschen geheim gehalten. Freilich
wird ein öffentlich gespieltes Stück von tausend Menschen gesehen, aber
deswegen noch nicht nachgespielt. Wenn Madame Brun keine bessere
Logik im Kopf hat, so ist von andern Personen nicht zu verlange", daß sie
die Argumente bündig finden sollten; aber daS Volk ist in seinen Intriguen
und Narrheiten so ersoffen, daß es überall nur Lassen und Werkzeuge zu
sehen glaubt, gegen die und mit denen man sich alles erlauben kann. Was
ist das für eine absurde Chicanc zwischen Salon und Privattheater!
Und wer hat denn überhaupt von einer öffentlichen Aufführung gesprochen?
Es ist völlig, als wenn Mad. Brun b^i den jeuaischen Theaterfreunden in
die Schule gegangen wäre.

Die Sache mag ruhen, da sie ohnehin nicht zu redresstren ist; will man
aber mit dem Briefe auftreten und noch groß darauf thun, so werde ich meine
Meinung derb und derber drüber äußern; denn ich bin fest entschlossen, in
dieser und ähnlichen Sachen nicht den gefälligen Hahnrei zu spielen, der


Brief an Kinns, welcher bereits gedruckt in: Theaterbriefe von Goethe und
freundschaftliche Briefe von Jean Paul. Bon Dittmar. Berlin, 1835.
S. 2j, — seines interessanten Inhalts wegen zum Schluß hier noch ganz mit¬
getheilt werden soll:

XIX. „Es ist recht schön, daß Sie die Abschrift und Leseprobe „„Wallen-
steins"" beschleunigen. Da das Stück nicht groß und die Schauspieler durch
das erste schon im Gange sind, so denke ich, es soll zur bestimmten Zeit zu
Stande kommen.

Das Manuscript geben Sie nur heraus, wo es nöthig ist, lassen sich es
aber gleich wieder zustellen. Bei der gewissenlosen Tournüre, die in Weimar
überhandnehmen will, muß man niemanden mehr trauen, und sollte eine
Untreue einmal auf jemanden erwiesen werden, so will ich gewiß ein Exempel,
statuiren.

Für die Mühe, die Sie sich gegeben, das Excerpt des Briefes zu machen
bin ich Ihnen sehr verbunden; mich gibt nur wunder, wie man unverschämt
genug sein kann, einen solchen Wisch vorzuzeigen, der so dumm und so grob
zugleich ist. Dumm, indem man wahrscheinlich machen will, das Stück aus
Stellen von Briefen ergänzt zu haben. Das müssen ja allerliebste Korrespon¬
denten sein, welche sich einzelne Stellen auswendig merken, um sie nach Kopen¬
hagen zu schreiben, und der Zufall ist noch scharmanter, daß die Herren nicht
grade durch eben dieselben Stellen gerührt werden, und sich jeder eine andre
merkt, damit es zuletzt mit dem, was gedruckt erschienen ist, ein Ganzes aus¬
macht. Grob ist der Brief in der Stelle, die sich auf uns bezieht. Freilich
ist ein öffentlich gespieltes Stück kein Geheimniß, aber das Manuscript
davon wird jahrelang von honetten Menschen geheim gehalten. Freilich
wird ein öffentlich gespieltes Stück von tausend Menschen gesehen, aber
deswegen noch nicht nachgespielt. Wenn Madame Brun keine bessere
Logik im Kopf hat, so ist von andern Personen nicht zu verlange», daß sie
die Argumente bündig finden sollten; aber daS Volk ist in seinen Intriguen
und Narrheiten so ersoffen, daß es überall nur Lassen und Werkzeuge zu
sehen glaubt, gegen die und mit denen man sich alles erlauben kann. Was
ist das für eine absurde Chicanc zwischen Salon und Privattheater!
Und wer hat denn überhaupt von einer öffentlichen Aufführung gesprochen?
Es ist völlig, als wenn Mad. Brun b^i den jeuaischen Theaterfreunden in
die Schule gegangen wäre.

Die Sache mag ruhen, da sie ohnehin nicht zu redresstren ist; will man
aber mit dem Briefe auftreten und noch groß darauf thun, so werde ich meine
Meinung derb und derber drüber äußern; denn ich bin fest entschlossen, in
dieser und ähnlichen Sachen nicht den gefälligen Hahnrei zu spielen, der


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[0269] Brief an Kinns, welcher bereits gedruckt in: Theaterbriefe von Goethe und freundschaftliche Briefe von Jean Paul. Bon Dittmar. Berlin, 1835. S. 2j, — seines interessanten Inhalts wegen zum Schluß hier noch ganz mit¬ getheilt werden soll: XIX. „Es ist recht schön, daß Sie die Abschrift und Leseprobe „„Wallen- steins"" beschleunigen. Da das Stück nicht groß und die Schauspieler durch das erste schon im Gange sind, so denke ich, es soll zur bestimmten Zeit zu Stande kommen. Das Manuscript geben Sie nur heraus, wo es nöthig ist, lassen sich es aber gleich wieder zustellen. Bei der gewissenlosen Tournüre, die in Weimar überhandnehmen will, muß man niemanden mehr trauen, und sollte eine Untreue einmal auf jemanden erwiesen werden, so will ich gewiß ein Exempel, statuiren. Für die Mühe, die Sie sich gegeben, das Excerpt des Briefes zu machen bin ich Ihnen sehr verbunden; mich gibt nur wunder, wie man unverschämt genug sein kann, einen solchen Wisch vorzuzeigen, der so dumm und so grob zugleich ist. Dumm, indem man wahrscheinlich machen will, das Stück aus Stellen von Briefen ergänzt zu haben. Das müssen ja allerliebste Korrespon¬ denten sein, welche sich einzelne Stellen auswendig merken, um sie nach Kopen¬ hagen zu schreiben, und der Zufall ist noch scharmanter, daß die Herren nicht grade durch eben dieselben Stellen gerührt werden, und sich jeder eine andre merkt, damit es zuletzt mit dem, was gedruckt erschienen ist, ein Ganzes aus¬ macht. Grob ist der Brief in der Stelle, die sich auf uns bezieht. Freilich ist ein öffentlich gespieltes Stück kein Geheimniß, aber das Manuscript davon wird jahrelang von honetten Menschen geheim gehalten. Freilich wird ein öffentlich gespieltes Stück von tausend Menschen gesehen, aber deswegen noch nicht nachgespielt. Wenn Madame Brun keine bessere Logik im Kopf hat, so ist von andern Personen nicht zu verlange», daß sie die Argumente bündig finden sollten; aber daS Volk ist in seinen Intriguen und Narrheiten so ersoffen, daß es überall nur Lassen und Werkzeuge zu sehen glaubt, gegen die und mit denen man sich alles erlauben kann. Was ist das für eine absurde Chicanc zwischen Salon und Privattheater! Und wer hat denn überhaupt von einer öffentlichen Aufführung gesprochen? Es ist völlig, als wenn Mad. Brun b^i den jeuaischen Theaterfreunden in die Schule gegangen wäre. Die Sache mag ruhen, da sie ohnehin nicht zu redresstren ist; will man aber mit dem Briefe auftreten und noch groß darauf thun, so werde ich meine Meinung derb und derber drüber äußern; denn ich bin fest entschlossen, in dieser und ähnlichen Sachen nicht den gefälligen Hahnrei zu spielen, der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103132/269>, abgerufen am 09.05.2024.