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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band.

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bemeibers, noch riecht man die Firniße und Arcanums aller Art, welche die
umgekehrte Ausgabe der Pompadouressenzen zu erfüllen bestimmt sind und dem
Wahlspruche: die Kunst muß rückwärts gehen, eine um Jahrhunderte zurück¬
greifende Anwendung geben. Wer ein frischgemaltes Bild durch die brutalste
Behandlung in diesen eigenthümlichen Räumen binnen wenigen Stunden das
ehrwürdigste Aussehen gewinnen sieht, meint einem über Nacht plötzlich Er¬
grauten gegenüberzustehen.

Aber kein ungeweihtcs Auge dringt hinter diesen Vorhang. Der Besucher
der Sammlung im Vorderhause sieht nur eine Anzahl vorzüglicher Meister¬
werke, meist mit grünen Vorhängen sorglich verhangen und in so buntem
Durcheinander an den Wänden vertheilt, daß ihm der Ariadnefaden kunstge¬
schichtlicher Erfahrung allmälig aus den Händen fällt und sich unter seinen
Füßen zu einem Gewirre verschlingt, das ihn bei einiger Sorglosigkeit unfehl¬
bar zum Fall bringt. Sein Führer durch dies Labyrinth von Echten und
Falschen ist natürlich der Inhaber des artistischen Irrgartens selbst. Er wird es
sich, so oft ein Besuch ihm durch seine vorgeschobenen Wedelten stgnalisirt ist,
nicht versagt haben, im blauen Frack mit goldnen Knöpfen, im echten Spitzen¬
jabot und sorglich gekämmten Haare den zufällig zu Hause Verweilenden zu. spie¬
len. Die goldene Uhrkette hat das Gewicht einer mäßigen Generalsepaulette,
und die echte Diamantennadel würde selbst eine römische Mutter alten Stils
schwankend machen, wenn sie ihr Geschmeide dem Gott des Krieges zu opfern
Willens war.

Es versteht sich von selbst, daß der Speculant durch Hin- und Herfragen
rasch dahinterkommt, ob er einen Halbkenner, einen Privatschwärmer, einen
bereits Geprellten oder einfach einen Tropf herumführt. Hiernach bemißt er
den Grad von Unverschämtheit oder Bescheidenheit im eigenen Auftreten mit
der nämlichen Sicherheit, mit welcher ein Dampfbootheizer nach der Farbe
des Schlotrauches den atmosphärischen Druck der Maschine beurtheilt.

Er wirst sich in die Brust und spielt den Verletzten, oder er macht den
Gelehrigen, läßt den Besucher seinen Kenntnißschatz auskramen, und freut sich
bei jedem Worte, das jener vorbringt, drs neuen Lichts, in welchem ihm nun
grade das Bild erscheint, über dessen Autorschaft ein jeder Antiquar bis
zu dieser plötzlichen Erleuchtung seine Bedenken hatte. Natürlich steigert
sich der Werth der Raritäten mit jedem Zimmer, das man durchschreitet;
es bleibt ein grüner Vorhang unbeweglich, bis die Neugierde des Opfers
sich nicht länger unterdrücken läßt, und der Verkäufer sich zögernd entschließt,
das Geheimniß zu lüften. Ein Correggio kommt zum Porschein. Daß der
Besucher diesem Landsmanne des Cassius vor allem nachstellte, war ihm wider
Willen längst entlockt worden. Das Bild ist aber verkauft -- so gut wie ver¬
kauft. Der Inhaber macht scheinbar alle Anstrengungen, über den Werth


bemeibers, noch riecht man die Firniße und Arcanums aller Art, welche die
umgekehrte Ausgabe der Pompadouressenzen zu erfüllen bestimmt sind und dem
Wahlspruche: die Kunst muß rückwärts gehen, eine um Jahrhunderte zurück¬
greifende Anwendung geben. Wer ein frischgemaltes Bild durch die brutalste
Behandlung in diesen eigenthümlichen Räumen binnen wenigen Stunden das
ehrwürdigste Aussehen gewinnen sieht, meint einem über Nacht plötzlich Er¬
grauten gegenüberzustehen.

Aber kein ungeweihtcs Auge dringt hinter diesen Vorhang. Der Besucher
der Sammlung im Vorderhause sieht nur eine Anzahl vorzüglicher Meister¬
werke, meist mit grünen Vorhängen sorglich verhangen und in so buntem
Durcheinander an den Wänden vertheilt, daß ihm der Ariadnefaden kunstge¬
schichtlicher Erfahrung allmälig aus den Händen fällt und sich unter seinen
Füßen zu einem Gewirre verschlingt, das ihn bei einiger Sorglosigkeit unfehl¬
bar zum Fall bringt. Sein Führer durch dies Labyrinth von Echten und
Falschen ist natürlich der Inhaber des artistischen Irrgartens selbst. Er wird es
sich, so oft ein Besuch ihm durch seine vorgeschobenen Wedelten stgnalisirt ist,
nicht versagt haben, im blauen Frack mit goldnen Knöpfen, im echten Spitzen¬
jabot und sorglich gekämmten Haare den zufällig zu Hause Verweilenden zu. spie¬
len. Die goldene Uhrkette hat das Gewicht einer mäßigen Generalsepaulette,
und die echte Diamantennadel würde selbst eine römische Mutter alten Stils
schwankend machen, wenn sie ihr Geschmeide dem Gott des Krieges zu opfern
Willens war.

Es versteht sich von selbst, daß der Speculant durch Hin- und Herfragen
rasch dahinterkommt, ob er einen Halbkenner, einen Privatschwärmer, einen
bereits Geprellten oder einfach einen Tropf herumführt. Hiernach bemißt er
den Grad von Unverschämtheit oder Bescheidenheit im eigenen Auftreten mit
der nämlichen Sicherheit, mit welcher ein Dampfbootheizer nach der Farbe
des Schlotrauches den atmosphärischen Druck der Maschine beurtheilt.

Er wirst sich in die Brust und spielt den Verletzten, oder er macht den
Gelehrigen, läßt den Besucher seinen Kenntnißschatz auskramen, und freut sich
bei jedem Worte, das jener vorbringt, drs neuen Lichts, in welchem ihm nun
grade das Bild erscheint, über dessen Autorschaft ein jeder Antiquar bis
zu dieser plötzlichen Erleuchtung seine Bedenken hatte. Natürlich steigert
sich der Werth der Raritäten mit jedem Zimmer, das man durchschreitet;
es bleibt ein grüner Vorhang unbeweglich, bis die Neugierde des Opfers
sich nicht länger unterdrücken läßt, und der Verkäufer sich zögernd entschließt,
das Geheimniß zu lüften. Ein Correggio kommt zum Porschein. Daß der
Besucher diesem Landsmanne des Cassius vor allem nachstellte, war ihm wider
Willen längst entlockt worden. Das Bild ist aber verkauft — so gut wie ver¬
kauft. Der Inhaber macht scheinbar alle Anstrengungen, über den Werth


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103132/40>, abgerufen am 08.05.2024.