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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band.

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rigen Freunde auszeichnet, findet sich bei ihm keine Spur. Geboren -1772,
fand er während der Revolution keine schicklichere Stelle, als im Militär.
Er wurde 1793 Lieutenant, konnte sich aber auf die Länge mit dem Dienst
nicht stellen, und gab seine Entlassung. Dann finden wir ihn als Municipal¬
beamten in Paris, aber obgleich strenger Republikaner, waren ihm die Republi¬
kaner der Zeit unbequem, und er trat auch hier zurück. Als Journalist ar¬
beitete er in der Oöeaäö pMosopIliqav, jenem Blatt, das unter dem Direkto¬
rium die Freiheit und die Bildung gleichmäßig vertrat, mit Eifer und Sach¬
kenntniß. Zugleich setzte er seine gelehrten Studien fort. Die alten Sprachen
und das Italienische beherrschte er bereits, er legte sich jetzt aufs Türkische.
Nach dem 18. Brumaire wurde er im Ministerium Fouchvs angestellt und be¬
zeichnete seinen Dienst durch eine Reihe wohlthätiger Einwirkungen, die seinem
Charakter Ehre machen. Kein Bedrängter wandte sich vergebens an ihn um
Hilfe. Aber er mußte mit der Zeit einsehn, daß er fürs praktische Leben nicht
gemacht sei, er gab -1802 auch hier seine Entlassung und beschäftigte sich seit¬
dem ausschließlich mit der Literatur.

In dieser Zeit hatte er eine Reihe bedeutender Bekanntschaften gemacht.
Er hatte -1800 das Werk der Frau von Staöl über die Literatur in der DöLsäk
angezeigt, in einer Reihe von Artikeln, die über die bedeutendsten Werke der
allgemeinen Weltliteratur ebenso feine als eindringende Urtheile enthielten, Ur¬
theile, für welche damals die allgemeine französische Bildung noch lange nicht
reif war. Infolge dessen entspann sich zwischen Fauriel und Frau von Stac-l
ein sehr intimer Verkehr, an dem auch die andern Freunde der berühmten
Frau, namentlich Benjamin Konstant, Theil nahmen.

Nach seiner Entlassung zog sich Fauriel in den Landsitz seiner Freundin,
Frau von Condorcet, zurück, die sein tiefes Bedürfniß nach Freundschaft und
Liebe ausfüllte. Der Einfluß, den er schon damals auf Frau von Stahl und
B. Constant ausübte, war sehr bedeutend. Zu Chateaubriand waren seine
Beziehungen nur flüchtiger Natur. Seine gelehrten Arbeiten wurden von Zeit
zu Zeit durch journalistische Artikel unterbrochen, darunter die sehr bedeutende
Studie über Larochefoucauld (1803), und über den llssiü sur l'ssprit et
l'inlluöne" as lz r^iormatlon, von Villers (180i), einem der wenigen Fran¬
zosen, die eine tiefe Kenntniß der deutschen Literatur besaßen. Er hatte in
diesem Werk eine Rechtfertigung des Protestantismus und den Nachweis un¬
ternommen, daß er für den Fortschritt der Menschheit unumgänglich nothwen¬
dig gewesen sei. Fauriel ging nicht ganz in diese Ansicht ein, er suchte der
katholischen, namentlich französischen Bildung den Antheil zu vindiciren, den sie
>u der That verdient. In dieser Zeit beschäftigte sich Fauriel mit einer Ge¬
schichte der Stoiker und trat infolge dessen mit Cabanis in nähere Verbin¬
dung. Das Werk ist nicht erschienen, aber durch seinen persönlichen Einfluß


Grenzboten. I. -I8L7.

rigen Freunde auszeichnet, findet sich bei ihm keine Spur. Geboren -1772,
fand er während der Revolution keine schicklichere Stelle, als im Militär.
Er wurde 1793 Lieutenant, konnte sich aber auf die Länge mit dem Dienst
nicht stellen, und gab seine Entlassung. Dann finden wir ihn als Municipal¬
beamten in Paris, aber obgleich strenger Republikaner, waren ihm die Republi¬
kaner der Zeit unbequem, und er trat auch hier zurück. Als Journalist ar¬
beitete er in der Oöeaäö pMosopIliqav, jenem Blatt, das unter dem Direkto¬
rium die Freiheit und die Bildung gleichmäßig vertrat, mit Eifer und Sach¬
kenntniß. Zugleich setzte er seine gelehrten Studien fort. Die alten Sprachen
und das Italienische beherrschte er bereits, er legte sich jetzt aufs Türkische.
Nach dem 18. Brumaire wurde er im Ministerium Fouchvs angestellt und be¬
zeichnete seinen Dienst durch eine Reihe wohlthätiger Einwirkungen, die seinem
Charakter Ehre machen. Kein Bedrängter wandte sich vergebens an ihn um
Hilfe. Aber er mußte mit der Zeit einsehn, daß er fürs praktische Leben nicht
gemacht sei, er gab -1802 auch hier seine Entlassung und beschäftigte sich seit¬
dem ausschließlich mit der Literatur.

In dieser Zeit hatte er eine Reihe bedeutender Bekanntschaften gemacht.
Er hatte -1800 das Werk der Frau von Staöl über die Literatur in der DöLsäk
angezeigt, in einer Reihe von Artikeln, die über die bedeutendsten Werke der
allgemeinen Weltliteratur ebenso feine als eindringende Urtheile enthielten, Ur¬
theile, für welche damals die allgemeine französische Bildung noch lange nicht
reif war. Infolge dessen entspann sich zwischen Fauriel und Frau von Stac-l
ein sehr intimer Verkehr, an dem auch die andern Freunde der berühmten
Frau, namentlich Benjamin Konstant, Theil nahmen.

Nach seiner Entlassung zog sich Fauriel in den Landsitz seiner Freundin,
Frau von Condorcet, zurück, die sein tiefes Bedürfniß nach Freundschaft und
Liebe ausfüllte. Der Einfluß, den er schon damals auf Frau von Stahl und
B. Constant ausübte, war sehr bedeutend. Zu Chateaubriand waren seine
Beziehungen nur flüchtiger Natur. Seine gelehrten Arbeiten wurden von Zeit
zu Zeit durch journalistische Artikel unterbrochen, darunter die sehr bedeutende
Studie über Larochefoucauld (1803), und über den llssiü sur l'ssprit et
l'inlluöne« as lz r^iormatlon, von Villers (180i), einem der wenigen Fran¬
zosen, die eine tiefe Kenntniß der deutschen Literatur besaßen. Er hatte in
diesem Werk eine Rechtfertigung des Protestantismus und den Nachweis un¬
ternommen, daß er für den Fortschritt der Menschheit unumgänglich nothwen¬
dig gewesen sei. Fauriel ging nicht ganz in diese Ansicht ein, er suchte der
katholischen, namentlich französischen Bildung den Antheil zu vindiciren, den sie
>u der That verdient. In dieser Zeit beschäftigte sich Fauriel mit einer Ge¬
schichte der Stoiker und trat infolge dessen mit Cabanis in nähere Verbin¬
dung. Das Werk ist nicht erschienen, aber durch seinen persönlichen Einfluß


Grenzboten. I. -I8L7.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103132/433>, abgerufen am 09.05.2024.