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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band.

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quitätenhändlern das Pfund Sterling, so meint er, mit öd. angerechnet.
Die Nococostühle in Köln mit künstlichen Wurmstichen kennt er besser als der
Pfriemen selbst sie kennen mag, der sie anbohrte. So hütet er sich denn auch,
als Lord P. bei dem Antiquar zu erscheinen; er spricht das platteste Englisch,
dessen seine Torylippen fähig sind, und führt sich als Mr. Jones aus Boston
und als verzs 8lien1.1^ arriveä ein,

Der Händler behandelt ihn mit entsprechender Unverschämtheit. Da ein
.Wagen mit Kisten soeben abgeladen wird' und seine Leute sich nicht selbst
überlassen bleiben dürfen, so bedauert er, dem Mr. Jones jetzt nichts zeigen
M können. Er sucht den Fremden durch einige lächerliche Forderungen abzu¬
schrecken, und da es ihm nicht gelingt, läßt er den Zudringlichen allein.
Auf seinem Pulte indessen liegt ein weit aufgeschlagener Brief mit Poststem¬
pel aus Bologna -- als Einlage nach Bologna gegangen und dort von
einem Correspondenten deS Antiquars auf die Post gegeben. Mr. Jones
sühlt sich zu sehr in seiner amerikanischen Rolle, als daß er sich die Kennt¬
nißnahme des Briefinhaltes versagen könnte. Der Schreiber des Briefs
meldet darin, wie es ihm endlich doch noch gelang, den Nest der aldrovandi-
schen Sammlung zu kaufen; da über noch ein Proceß in der Schwebe sei,
welcher möglicherweise anderweitige Ansprüche auf diese Sendung zur Gel¬
tung bringen könne, so möge der Antiquar vorläufig mit den Bildern nicht
in die Oeffentlichkeit treten. Mr. Jones erinnert sich des in Florenz em¬
pfangenen Wirth und beschließt,, das Geschäft womöglich durch Ueberrumpelung
in die Hand zu nehmen. Er geht hinaus und findet den Antiquar vollauf
beschäftigt, Spinnweben und Schmuz von dem bereits hervorgeholter Theile
der Gemälde zu entfernen, und mit seinem Factotum heimlich Blicke zu
wechseln, so oft ein Kopf, ein Arm oder ein Bein unter der Staubdecke zum
Vorschein kommt. Mr. Jones nimmt an der Musterung unbeachtet Theil
und meint sich bald zu überzeugen, daß seine Schlauheit ihm hier auf eine
Fährte verhalf, auf welche er nie als Lord gelangt wäre. Der vorhin mür¬
rische Antiquar, durch den Anblick des vielen Werthvollen fröhlicher gelaunt
wird gesprächiger und läßt sich nach und nach bis zu einem solchen Punkte
ausfragen, daß dem Reflectanten nur noch die Aufgabe bleibt, die Rathsam-
keit eines raschen Verkaufs eben unter den bewandten Umständen augenscheiw
lich zu machen. Der Antiquar kann zuletzt nicht leugnen, daß ihm selbst im
Grunde weniger an der VerkaufSvcrzögerung liegen muß, als dem Einsender,
gegen den er übrigens keinerlei Verpflichtungen der Art eingegangen sei. Er
will indessen jedenfalls warten, bis der Lord P. -- er nennt den eigentlichen
Namen des Bostonmannes -- angelangt sei. Derselbe sei Kenner, wie er
höre, und werde binnen Monatsfrist erwartet. Hier kann ihn nun Mr. Jones
mit gutem Recht Bescheid geben. Lord P., versichert er, werde nicht mehr


quitätenhändlern das Pfund Sterling, so meint er, mit öd. angerechnet.
Die Nococostühle in Köln mit künstlichen Wurmstichen kennt er besser als der
Pfriemen selbst sie kennen mag, der sie anbohrte. So hütet er sich denn auch,
als Lord P. bei dem Antiquar zu erscheinen; er spricht das platteste Englisch,
dessen seine Torylippen fähig sind, und führt sich als Mr. Jones aus Boston
und als verzs 8lien1.1^ arriveä ein,

Der Händler behandelt ihn mit entsprechender Unverschämtheit. Da ein
.Wagen mit Kisten soeben abgeladen wird' und seine Leute sich nicht selbst
überlassen bleiben dürfen, so bedauert er, dem Mr. Jones jetzt nichts zeigen
M können. Er sucht den Fremden durch einige lächerliche Forderungen abzu¬
schrecken, und da es ihm nicht gelingt, läßt er den Zudringlichen allein.
Auf seinem Pulte indessen liegt ein weit aufgeschlagener Brief mit Poststem¬
pel aus Bologna — als Einlage nach Bologna gegangen und dort von
einem Correspondenten deS Antiquars auf die Post gegeben. Mr. Jones
sühlt sich zu sehr in seiner amerikanischen Rolle, als daß er sich die Kennt¬
nißnahme des Briefinhaltes versagen könnte. Der Schreiber des Briefs
meldet darin, wie es ihm endlich doch noch gelang, den Nest der aldrovandi-
schen Sammlung zu kaufen; da über noch ein Proceß in der Schwebe sei,
welcher möglicherweise anderweitige Ansprüche auf diese Sendung zur Gel¬
tung bringen könne, so möge der Antiquar vorläufig mit den Bildern nicht
in die Oeffentlichkeit treten. Mr. Jones erinnert sich des in Florenz em¬
pfangenen Wirth und beschließt,, das Geschäft womöglich durch Ueberrumpelung
in die Hand zu nehmen. Er geht hinaus und findet den Antiquar vollauf
beschäftigt, Spinnweben und Schmuz von dem bereits hervorgeholter Theile
der Gemälde zu entfernen, und mit seinem Factotum heimlich Blicke zu
wechseln, so oft ein Kopf, ein Arm oder ein Bein unter der Staubdecke zum
Vorschein kommt. Mr. Jones nimmt an der Musterung unbeachtet Theil
und meint sich bald zu überzeugen, daß seine Schlauheit ihm hier auf eine
Fährte verhalf, auf welche er nie als Lord gelangt wäre. Der vorhin mür¬
rische Antiquar, durch den Anblick des vielen Werthvollen fröhlicher gelaunt
wird gesprächiger und läßt sich nach und nach bis zu einem solchen Punkte
ausfragen, daß dem Reflectanten nur noch die Aufgabe bleibt, die Rathsam-
keit eines raschen Verkaufs eben unter den bewandten Umständen augenscheiw
lich zu machen. Der Antiquar kann zuletzt nicht leugnen, daß ihm selbst im
Grunde weniger an der VerkaufSvcrzögerung liegen muß, als dem Einsender,
gegen den er übrigens keinerlei Verpflichtungen der Art eingegangen sei. Er
will indessen jedenfalls warten, bis der Lord P. — er nennt den eigentlichen
Namen des Bostonmannes — angelangt sei. Derselbe sei Kenner, wie er
höre, und werde binnen Monatsfrist erwartet. Hier kann ihn nun Mr. Jones
mit gutem Recht Bescheid geben. Lord P., versichert er, werde nicht mehr


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Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

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Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103132/45>, abgerufen am 08.05.2024.