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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band.

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allein der Fremde leidet nicht darunter, da daS öffentliche Leben in allen
Theilen ein weit regeres und ein thätigeres ist als hier. Daß daS Leben
und Denken der Baseler doch nicht so ganz im kaufmännischen Rechnen und
Speculiren aufgeht, beweist außer der Universität das schöne Museum mit
seinen bedeutenden Sammlungen, beweist auch die junge baseler Dichterschule,
die ziemlich zahlreich ist und vielen Anklang findet. Wackernagel und Hagen¬
bach sind ohne Zweifel die Väter derselben und, wie Du weißt, Poetennamen
von gutem Klang, wenn man auch, wie mich dünkt, dem erster" in Deutsch¬
land nicht die verdiente Anerkennung gezollt hat. An sie schließen sich Meyer-
Merian, Oser, Abel Burkhart, B. Ueber, der Langathmige u. a. an. Meyer
ist besonders productiv und ein beliebter populärer Literat. Basels Kriegs¬
ruhm ist nicht groß in der Geschichte. Seine erfolgreichsten Waffen waren
immer aus edlem Metall und so sehr es zu allen Zeiten auf den Glauben
hielt, hat es doch nie geglaubt, daß das Gold nur Chimäre sei. Genf, auch
eine Handels- und Industriestadt xar pretörelies, steht historisch ungleich
größer da. Die Baseler sind auch nie so specifische Schweizer geworden wie
etwa die Züricher. Immer befolgten sie eine eigenthümliche Politik, bewahrten
ihren besondern Charakter, hingen vor allem an ihren städtischen Verhält¬
nissen. Sie rechnen sich im gewöhnlichen Leben noch heute nicht so recht zu
den Schweizern, und man hört hier oft noch den Ausdruck "in die Schweiz
gehen". AIS in den dreißiger Jahren der Zwist der Stadt mit der Land¬
schaft auf's neue ausbrach und die Eidgenossenschaft zur Verhütung blutigerer
Conflicte mit 20,000 Mann die aufgeregten Territorien besetzte, als sodann
unter den Auspicien des Bundes die Theilung und Trennung beider Landes¬
theile förmlich vollzogen wurde, hielten die Baselstädter dafür, es sei ihnen
schweres Unrecht geschehen und sie verharrten Jahre lang in ihrer üblen
Stimmung gegen die übrigen Schweizer. Diese wurden freilich den Baselern
auch nicht besonders grün, da die letzteren, die guten Reformirten, in der
Sonderbundsepoche es mit den sieben katholischen Orten und den Jesuiten
hielten. Sehr eontrs ec"ur machte die Stadt den Erecutionsfeldzug mit und
strebte gegen die Bundesreform mit Entschiedenheit an. Inzwischen hat kaum
ein Canton größern Vortheil aus derselben gezogen als Baselstadt, daS na¬
mentlich in der Münzfrage durch seine gewandten Repräsentanten dem ihm
bequemen französischen Geldfuße zum Siege verhalf. Auch die Entwickelung
des schweizerischen Eisenbahnnetzes, das dem neuen Bund hauptsächlich seine
Ermöglichung verdankt, und in dem Basel eine so günstige Station bildet,
kommt ihm wohl zu statten und mag mit zu einer versöhnlicher" Stimmung
geholfen haben. So weit ich die Baseler kenne, halte ich sie jetzt für bessere
Schweizer als je zuvor.




allein der Fremde leidet nicht darunter, da daS öffentliche Leben in allen
Theilen ein weit regeres und ein thätigeres ist als hier. Daß daS Leben
und Denken der Baseler doch nicht so ganz im kaufmännischen Rechnen und
Speculiren aufgeht, beweist außer der Universität das schöne Museum mit
seinen bedeutenden Sammlungen, beweist auch die junge baseler Dichterschule,
die ziemlich zahlreich ist und vielen Anklang findet. Wackernagel und Hagen¬
bach sind ohne Zweifel die Väter derselben und, wie Du weißt, Poetennamen
von gutem Klang, wenn man auch, wie mich dünkt, dem erster» in Deutsch¬
land nicht die verdiente Anerkennung gezollt hat. An sie schließen sich Meyer-
Merian, Oser, Abel Burkhart, B. Ueber, der Langathmige u. a. an. Meyer
ist besonders productiv und ein beliebter populärer Literat. Basels Kriegs¬
ruhm ist nicht groß in der Geschichte. Seine erfolgreichsten Waffen waren
immer aus edlem Metall und so sehr es zu allen Zeiten auf den Glauben
hielt, hat es doch nie geglaubt, daß das Gold nur Chimäre sei. Genf, auch
eine Handels- und Industriestadt xar pretörelies, steht historisch ungleich
größer da. Die Baseler sind auch nie so specifische Schweizer geworden wie
etwa die Züricher. Immer befolgten sie eine eigenthümliche Politik, bewahrten
ihren besondern Charakter, hingen vor allem an ihren städtischen Verhält¬
nissen. Sie rechnen sich im gewöhnlichen Leben noch heute nicht so recht zu
den Schweizern, und man hört hier oft noch den Ausdruck „in die Schweiz
gehen". AIS in den dreißiger Jahren der Zwist der Stadt mit der Land¬
schaft auf's neue ausbrach und die Eidgenossenschaft zur Verhütung blutigerer
Conflicte mit 20,000 Mann die aufgeregten Territorien besetzte, als sodann
unter den Auspicien des Bundes die Theilung und Trennung beider Landes¬
theile förmlich vollzogen wurde, hielten die Baselstädter dafür, es sei ihnen
schweres Unrecht geschehen und sie verharrten Jahre lang in ihrer üblen
Stimmung gegen die übrigen Schweizer. Diese wurden freilich den Baselern
auch nicht besonders grün, da die letzteren, die guten Reformirten, in der
Sonderbundsepoche es mit den sieben katholischen Orten und den Jesuiten
hielten. Sehr eontrs ec»ur machte die Stadt den Erecutionsfeldzug mit und
strebte gegen die Bundesreform mit Entschiedenheit an. Inzwischen hat kaum
ein Canton größern Vortheil aus derselben gezogen als Baselstadt, daS na¬
mentlich in der Münzfrage durch seine gewandten Repräsentanten dem ihm
bequemen französischen Geldfuße zum Siege verhalf. Auch die Entwickelung
des schweizerischen Eisenbahnnetzes, das dem neuen Bund hauptsächlich seine
Ermöglichung verdankt, und in dem Basel eine so günstige Station bildet,
kommt ihm wohl zu statten und mag mit zu einer versöhnlicher" Stimmung
geholfen haben. So weit ich die Baseler kenne, halte ich sie jetzt für bessere
Schweizer als je zuvor.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103666/405>, abgerufen am 31.05.2024.