Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
Das neue deutsche Geld.

Der Münzvertrag zwischen den Zvllvereinstaaten und Oestreich mit Lichten¬
stein, geschlossen am Januar -I8S7, durch die Tagespresse vielfach besprochen
und jetzt durch die Gesetzsammlungen der einzelnen Staaten publicirt, sott hier
durch einen Rückblick auf frühere Zeiten gelühmt werden. Schon rotten die ersten
Silberstücke, welche nach dem neuen Münzfuß geschlagen wurden, von Hand
zu Hand, und wer das schöne Gepräge betrachtet und mit froher Hoffnung in
die Zukunft unseres Geldverkehrs sieht, dem mag dabei auch mancherlei aus
der deutschen Vergangenheit einfallen.

Zunächst erinnere man sich, daß mit den neuen Geldstücken daS uralte
Münzgewicht, die kölnische Mark (-- ^ preußisches Pfund) aufgegeben wor¬
den ist. Seit dem frühsten Mittelalter hatte sie in vielen deutschen Münz¬
stätten, seit 300 Jahren als des heiligen römischen Reiches Gold- und Silber¬
gewicht gegolten. In ihrer Jugend wurde sie noch oft zu dem dünnen Silber¬
blech der Bracteaten zerschlagen, aus ihr wurden in mehr als hundert Münz¬
stätten viele tausend Gesichter deutscher Dynasten mit ihren Wappenthieren,
nützlichen Randbemerkungen und zuweilen mit frommen Sprüchen geprägt, und
schwer zu zählen sind die Namen, welche ihr Geld in den verschiedenen Landschaften
nach und nach zu tragen hatte. Nächst den groben Geldsorten bitten auch die
kleinen heut um eine wohlwollende Erinnerung: Schillinge, Albusse, Rappen,Pätz-
ler, Batzen, Schaafe, Hälbeline, Kopfstücke, Dickbeine, Petermännchen, Blasierte,
Schreckei,berger,Brummer,Düttchen,Stieber, Böhmen,Schnaphähne, Metzblanken,
Groschen, Spltzgroschen, Mariengroschen, Gröschcl, Pfennige, Heller, Kreuzer,
Körtlinge, Dreilinge, Vierer, Sechser, Zwölfer und sehr viele andere. Aus der köl¬
nischen Mark wurden die ersten Silberguldeu und Reichsthaler geschlagen, ihre --
der kölnischen Mark -- Gewichtstheile standen oft regulirt und verglichen in jeder
von den unzähligen Münzstätten deS römischen Reiches. Die Genossenschaft der
Privilegirten Münzer bewahrte sie in verschlossenem Schreine, und die Lehrlinge
der Genossenschaft sahen ehrfurchtsvoll auf die Symbole der geheimnißvollen
Kunst, welche durch eine Menge von abenteuerlichen Formeln und Zeichen,
Gebräuchen und Zuuftgeheimnissen ihre nahe Verwandtschaft mit der Alchymie ver¬
rieth. Unterdeß warf der Heckenmünzer in dem alten Gewölbe eines verfalle-


Grenzbotcn lII.-1867. . '26
Das neue deutsche Geld.

Der Münzvertrag zwischen den Zvllvereinstaaten und Oestreich mit Lichten¬
stein, geschlossen am Januar -I8S7, durch die Tagespresse vielfach besprochen
und jetzt durch die Gesetzsammlungen der einzelnen Staaten publicirt, sott hier
durch einen Rückblick auf frühere Zeiten gelühmt werden. Schon rotten die ersten
Silberstücke, welche nach dem neuen Münzfuß geschlagen wurden, von Hand
zu Hand, und wer das schöne Gepräge betrachtet und mit froher Hoffnung in
die Zukunft unseres Geldverkehrs sieht, dem mag dabei auch mancherlei aus
der deutschen Vergangenheit einfallen.

Zunächst erinnere man sich, daß mit den neuen Geldstücken daS uralte
Münzgewicht, die kölnische Mark (— ^ preußisches Pfund) aufgegeben wor¬
den ist. Seit dem frühsten Mittelalter hatte sie in vielen deutschen Münz¬
stätten, seit 300 Jahren als des heiligen römischen Reiches Gold- und Silber¬
gewicht gegolten. In ihrer Jugend wurde sie noch oft zu dem dünnen Silber¬
blech der Bracteaten zerschlagen, aus ihr wurden in mehr als hundert Münz¬
stätten viele tausend Gesichter deutscher Dynasten mit ihren Wappenthieren,
nützlichen Randbemerkungen und zuweilen mit frommen Sprüchen geprägt, und
schwer zu zählen sind die Namen, welche ihr Geld in den verschiedenen Landschaften
nach und nach zu tragen hatte. Nächst den groben Geldsorten bitten auch die
kleinen heut um eine wohlwollende Erinnerung: Schillinge, Albusse, Rappen,Pätz-
ler, Batzen, Schaafe, Hälbeline, Kopfstücke, Dickbeine, Petermännchen, Blasierte,
Schreckei,berger,Brummer,Düttchen,Stieber, Böhmen,Schnaphähne, Metzblanken,
Groschen, Spltzgroschen, Mariengroschen, Gröschcl, Pfennige, Heller, Kreuzer,
Körtlinge, Dreilinge, Vierer, Sechser, Zwölfer und sehr viele andere. Aus der köl¬
nischen Mark wurden die ersten Silberguldeu und Reichsthaler geschlagen, ihre —
der kölnischen Mark — Gewichtstheile standen oft regulirt und verglichen in jeder
von den unzähligen Münzstätten deS römischen Reiches. Die Genossenschaft der
Privilegirten Münzer bewahrte sie in verschlossenem Schreine, und die Lehrlinge
der Genossenschaft sahen ehrfurchtsvoll auf die Symbole der geheimnißvollen
Kunst, welche durch eine Menge von abenteuerlichen Formeln und Zeichen,
Gebräuchen und Zuuftgeheimnissen ihre nahe Verwandtschaft mit der Alchymie ver¬
rieth. Unterdeß warf der Heckenmünzer in dem alten Gewölbe eines verfalle-


Grenzbotcn lII.-1867. . '26
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0209" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/104410"/>
          </div>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Das neue deutsche Geld.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_562"> Der Münzvertrag zwischen den Zvllvereinstaaten und Oestreich mit Lichten¬<lb/>
stein, geschlossen am Januar -I8S7, durch die Tagespresse vielfach besprochen<lb/>
und jetzt durch die Gesetzsammlungen der einzelnen Staaten publicirt, sott hier<lb/>
durch einen Rückblick auf frühere Zeiten gelühmt werden. Schon rotten die ersten<lb/>
Silberstücke, welche nach dem neuen Münzfuß geschlagen wurden, von Hand<lb/>
zu Hand, und wer das schöne Gepräge betrachtet und mit froher Hoffnung in<lb/>
die Zukunft unseres Geldverkehrs sieht, dem mag dabei auch mancherlei aus<lb/>
der deutschen Vergangenheit einfallen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_563" next="#ID_564"> Zunächst erinnere man sich, daß mit den neuen Geldstücken daS uralte<lb/>
Münzgewicht, die kölnische Mark (&#x2014; ^ preußisches Pfund) aufgegeben wor¬<lb/>
den ist. Seit dem frühsten Mittelalter hatte sie in vielen deutschen Münz¬<lb/>
stätten, seit 300 Jahren als des heiligen römischen Reiches Gold- und Silber¬<lb/>
gewicht gegolten. In ihrer Jugend wurde sie noch oft zu dem dünnen Silber¬<lb/>
blech der Bracteaten zerschlagen, aus ihr wurden in mehr als hundert Münz¬<lb/>
stätten viele tausend Gesichter deutscher Dynasten mit ihren Wappenthieren,<lb/>
nützlichen Randbemerkungen und zuweilen mit frommen Sprüchen geprägt, und<lb/>
schwer zu zählen sind die Namen, welche ihr Geld in den verschiedenen Landschaften<lb/>
nach und nach zu tragen hatte. Nächst den groben Geldsorten bitten auch die<lb/>
kleinen heut um eine wohlwollende Erinnerung: Schillinge, Albusse, Rappen,Pätz-<lb/>
ler, Batzen, Schaafe, Hälbeline, Kopfstücke, Dickbeine, Petermännchen, Blasierte,<lb/>
Schreckei,berger,Brummer,Düttchen,Stieber, Böhmen,Schnaphähne, Metzblanken,<lb/>
Groschen, Spltzgroschen, Mariengroschen, Gröschcl, Pfennige, Heller, Kreuzer,<lb/>
Körtlinge, Dreilinge, Vierer, Sechser, Zwölfer und sehr viele andere. Aus der köl¬<lb/>
nischen Mark wurden die ersten Silberguldeu und Reichsthaler geschlagen, ihre &#x2014;<lb/>
der kölnischen Mark &#x2014; Gewichtstheile standen oft regulirt und verglichen in jeder<lb/>
von den unzähligen Münzstätten deS römischen Reiches. Die Genossenschaft der<lb/>
Privilegirten Münzer bewahrte sie in verschlossenem Schreine, und die Lehrlinge<lb/>
der Genossenschaft sahen ehrfurchtsvoll auf die Symbole der geheimnißvollen<lb/>
Kunst, welche durch eine Menge von abenteuerlichen Formeln und Zeichen,<lb/>
Gebräuchen und Zuuftgeheimnissen ihre nahe Verwandtschaft mit der Alchymie ver¬<lb/>
rieth. Unterdeß warf der Heckenmünzer in dem alten Gewölbe eines verfalle-</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzbotcn lII.-1867. . '26</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0209] Das neue deutsche Geld. Der Münzvertrag zwischen den Zvllvereinstaaten und Oestreich mit Lichten¬ stein, geschlossen am Januar -I8S7, durch die Tagespresse vielfach besprochen und jetzt durch die Gesetzsammlungen der einzelnen Staaten publicirt, sott hier durch einen Rückblick auf frühere Zeiten gelühmt werden. Schon rotten die ersten Silberstücke, welche nach dem neuen Münzfuß geschlagen wurden, von Hand zu Hand, und wer das schöne Gepräge betrachtet und mit froher Hoffnung in die Zukunft unseres Geldverkehrs sieht, dem mag dabei auch mancherlei aus der deutschen Vergangenheit einfallen. Zunächst erinnere man sich, daß mit den neuen Geldstücken daS uralte Münzgewicht, die kölnische Mark (— ^ preußisches Pfund) aufgegeben wor¬ den ist. Seit dem frühsten Mittelalter hatte sie in vielen deutschen Münz¬ stätten, seit 300 Jahren als des heiligen römischen Reiches Gold- und Silber¬ gewicht gegolten. In ihrer Jugend wurde sie noch oft zu dem dünnen Silber¬ blech der Bracteaten zerschlagen, aus ihr wurden in mehr als hundert Münz¬ stätten viele tausend Gesichter deutscher Dynasten mit ihren Wappenthieren, nützlichen Randbemerkungen und zuweilen mit frommen Sprüchen geprägt, und schwer zu zählen sind die Namen, welche ihr Geld in den verschiedenen Landschaften nach und nach zu tragen hatte. Nächst den groben Geldsorten bitten auch die kleinen heut um eine wohlwollende Erinnerung: Schillinge, Albusse, Rappen,Pätz- ler, Batzen, Schaafe, Hälbeline, Kopfstücke, Dickbeine, Petermännchen, Blasierte, Schreckei,berger,Brummer,Düttchen,Stieber, Böhmen,Schnaphähne, Metzblanken, Groschen, Spltzgroschen, Mariengroschen, Gröschcl, Pfennige, Heller, Kreuzer, Körtlinge, Dreilinge, Vierer, Sechser, Zwölfer und sehr viele andere. Aus der köl¬ nischen Mark wurden die ersten Silberguldeu und Reichsthaler geschlagen, ihre — der kölnischen Mark — Gewichtstheile standen oft regulirt und verglichen in jeder von den unzähligen Münzstätten deS römischen Reiches. Die Genossenschaft der Privilegirten Münzer bewahrte sie in verschlossenem Schreine, und die Lehrlinge der Genossenschaft sahen ehrfurchtsvoll auf die Symbole der geheimnißvollen Kunst, welche durch eine Menge von abenteuerlichen Formeln und Zeichen, Gebräuchen und Zuuftgeheimnissen ihre nahe Verwandtschaft mit der Alchymie ver¬ rieth. Unterdeß warf der Heckenmünzer in dem alten Gewölbe eines verfalle- Grenzbotcn lII.-1867. . '26

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/209
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/209>, abgerufen am 17.06.2024.