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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.

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die bedeutenden Geschäftsunkosten sich auf große Waarenmengen vertheilen.
Grade in dieser Tendenz zum Großbetrieb, welche mit dem innersten
Wesen der neuern Industrie verwachsen ist, liegt aber das für die Lage der
Lohnarbeiter ebenso, wie für den Bestand des Kleingewerbes verhängnißvolle,
ja bei dem gegenwärtigen Sachstande entschieden feindselige Element.
Denn um ein Geschäft in diesem großartigen Maßstabe einzurichten und zu lei¬
ten, dazu gehören Voraussetzungen, welche bei jenen nicht zutreffen: einmal
ein bedeutender Grad von Intelligenz, Unternehmungsgeist und Erfahrung,' und
sodann vor allen Dingen ein großes Capital. Daß sich beides bei der großen
Mehrzahl der Handwerker nicht vorfindet, wird nicht erst eines Erweises bedürfen.
So gerathen denn solche Unternehmungen ganz natürlich in die Hände der
Wenigen, welche Besitz und Tüchtigkeit dazu befähigen, und werden thatsäch¬
lich gewissermaßen das Monopol einer durch großes Vermögen und sorgsame
Ausbildung bevorzugten, wenig zahlreichen Classe, oft einzelner Familien, welche
die Ausbeutung solcher industriellen Fundgruben, gleich einer Domäne, auf
mehre Generationen vererben. Welche Folgen dies auf die Stellung der Ar¬
beiter äußern muß, ist leicht zu ermessen. Je weniger dieselben Aussicht haben,
jemals selbstständig zu werden, selbst ein eignes Geschäft begründen zu könne",
je weniger sie also ihren Arbeitsgebern in dieser Hinsicht Concurrenz machen
können, desto mehr sind sie, ihres Brotes halber, von den Unternehmern jener
großen Etablissements, die ihnen allein Beschäftigung geben können, abhängig;
und je geringer die Zahl dieser Unternehmer ihnen gegenüber ist, je unverhält-
nißmäßiger ihre eigne Zahl anwächst, desto mehr drückt dies die Löhne herum
ter. Bekanntlich unterliegt der Werth der Arbeit und demgemäß die Höhe der
Arbeitslöhne auf dem Markte des Verkehrs demselben Gesetz, wie der Werth,
beziehentlich der Preis jeder andern Waare, dem Gesetz von Angebot und
Nachfrage. Je zahlreicher die industriellen Etablissements sind, je mehr
Arbeiter in ihnen gesucht werden, desto besser für die letztern. Denn über¬
steigt die Nachfrage nach Arbeitern Seitens der Unternehmer daS Angebot
solcher, die Beschäftigung suchen, so gehn die Löhne in die Höhe, die Unter¬
nehmer treiben sich mit ihren Lohngeboten hinaus, um nur Arbeiter
zu erhalten, weil die letztern bei mehrfachen Gelegenheiten zum Unterkommen
die Wahl unter den Bedingungen haben. Im umgekehrten Falle dagegen,
wenn daS Angebot von Arbeitern stärker ist als die Nachfrage nach ihnen,
wenn mehr Arbeiter da sind als Beschäftigung finden können, dictiren die
Unternehmer die.Lohnbedingungen um so sicherer, als sie weit eher zeitweiö
von einer Unternehmung abstehn, als die Arbeiter sich der Arbeit entschlagen
können. Somit ist es klar, daß die Erschwerung des Etablissements, welches
die Tendenz der neuern Industrie zum Großbetrieb mit sich führt, weil es die
Zahl der Arbeitgeber beschränkt, schon im Allgemeinen einen Druck auf die


die bedeutenden Geschäftsunkosten sich auf große Waarenmengen vertheilen.
Grade in dieser Tendenz zum Großbetrieb, welche mit dem innersten
Wesen der neuern Industrie verwachsen ist, liegt aber das für die Lage der
Lohnarbeiter ebenso, wie für den Bestand des Kleingewerbes verhängnißvolle,
ja bei dem gegenwärtigen Sachstande entschieden feindselige Element.
Denn um ein Geschäft in diesem großartigen Maßstabe einzurichten und zu lei¬
ten, dazu gehören Voraussetzungen, welche bei jenen nicht zutreffen: einmal
ein bedeutender Grad von Intelligenz, Unternehmungsgeist und Erfahrung,' und
sodann vor allen Dingen ein großes Capital. Daß sich beides bei der großen
Mehrzahl der Handwerker nicht vorfindet, wird nicht erst eines Erweises bedürfen.
So gerathen denn solche Unternehmungen ganz natürlich in die Hände der
Wenigen, welche Besitz und Tüchtigkeit dazu befähigen, und werden thatsäch¬
lich gewissermaßen das Monopol einer durch großes Vermögen und sorgsame
Ausbildung bevorzugten, wenig zahlreichen Classe, oft einzelner Familien, welche
die Ausbeutung solcher industriellen Fundgruben, gleich einer Domäne, auf
mehre Generationen vererben. Welche Folgen dies auf die Stellung der Ar¬
beiter äußern muß, ist leicht zu ermessen. Je weniger dieselben Aussicht haben,
jemals selbstständig zu werden, selbst ein eignes Geschäft begründen zu könne»,
je weniger sie also ihren Arbeitsgebern in dieser Hinsicht Concurrenz machen
können, desto mehr sind sie, ihres Brotes halber, von den Unternehmern jener
großen Etablissements, die ihnen allein Beschäftigung geben können, abhängig;
und je geringer die Zahl dieser Unternehmer ihnen gegenüber ist, je unverhält-
nißmäßiger ihre eigne Zahl anwächst, desto mehr drückt dies die Löhne herum
ter. Bekanntlich unterliegt der Werth der Arbeit und demgemäß die Höhe der
Arbeitslöhne auf dem Markte des Verkehrs demselben Gesetz, wie der Werth,
beziehentlich der Preis jeder andern Waare, dem Gesetz von Angebot und
Nachfrage. Je zahlreicher die industriellen Etablissements sind, je mehr
Arbeiter in ihnen gesucht werden, desto besser für die letztern. Denn über¬
steigt die Nachfrage nach Arbeitern Seitens der Unternehmer daS Angebot
solcher, die Beschäftigung suchen, so gehn die Löhne in die Höhe, die Unter¬
nehmer treiben sich mit ihren Lohngeboten hinaus, um nur Arbeiter
zu erhalten, weil die letztern bei mehrfachen Gelegenheiten zum Unterkommen
die Wahl unter den Bedingungen haben. Im umgekehrten Falle dagegen,
wenn daS Angebot von Arbeitern stärker ist als die Nachfrage nach ihnen,
wenn mehr Arbeiter da sind als Beschäftigung finden können, dictiren die
Unternehmer die.Lohnbedingungen um so sicherer, als sie weit eher zeitweiö
von einer Unternehmung abstehn, als die Arbeiter sich der Arbeit entschlagen
können. Somit ist es klar, daß die Erschwerung des Etablissements, welches
die Tendenz der neuern Industrie zum Großbetrieb mit sich führt, weil es die
Zahl der Arbeitgeber beschränkt, schon im Allgemeinen einen Druck auf die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/224>, abgerufen am 16.06.2024.