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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band.

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E. Keil, und die Broschüre: Vorschußvereine als Volksbanken. Leipzig,
bei demselben offen darlegen, hier in der Kürze folgen, worauf wir zu den
erreichten Resultaten selbst übergehn werden.

Nach Schutzes Ansicht muß grade in Deutschland bei dem ersten
Angriffe der Sache mit einer gewissen Zurückhaltung vorgegangen wer¬
den, weil die Zerstörung der frühern GewerbSorganisation noch nicht voll¬
ständig genug ersolgt, der Platz noch nicht von den alten Trümmern so
weit geräumt ist, um mit völliger Freiheit zum Neubau zu schreiten.
Insbesondere hat man mit dem den Deutschen eigenthümlichen Hange zur Ab¬
sonderung zu kämpfen, der in der Jsolirung die Selbstständigkeit opfern zu
müssen meint, obschon diese letztere der Wahrheit nach nur durch jenen innigen
Anschluß der Einzelnen aneinander gerettet werden kann. Daher thut man
am besten, vorerst mit den wirthschaftlichen und beschränkteren gewerblichen
Verbänden der vorbemerkten Art zu beginnen, welche die Vorbedingungen
eines lohnenden Gewerbebetriebes den Mitgliedern sichern, ohne dieselben im
Gewerbebetriebe selbst vorläufig zu associiren, der vielmehr vo>i jedem Einzel¬
nen wie bisher für seine eigne ausschließliche Rechnung sortgesetzt wird. Erst
wenn man ihnen aus diese Weise die außerordentliche Macht der Association
augenfällig bewiesen, sie gewissermaßen so für die höheren Stufen derselben erst
empfänglich und reif gemacht hat, soll man allmälig zur Bildung großer
gemeinsamer Etablissements mit ihnen vorschreiten, sich aber ja vor unvermit¬
telter und übereilten Versuchen dieser Art hüten, welche bisher meist mißlungen
sind, was jedes Mal die üble Folge hat, daß dadurch der Boden auf längere
Zeit für jede derartige Saat verdorben wird. In diesem Sinne hat Schulze
ein ineinandergreifendes System von Associationen zu organistren versucht,
welches die wichtigsten Beziehungen der arbeitenden Classen umfaßt und überall
auf die von uns früher besprochenen Grundsätze der Solidarität und Selbst¬
hilfe gegründet ist. Zunächst suchte er die Arbeiter aller Branchen in locale
Verbände zu solchen wirthschaftlichen Zwecken zu vereinen, deren vortheilhafte
Verfolgung eine möglichst große Mitgliederzahl bedingt, wie bei den Vereinen
zur Krankenpflege und Anschaffung nothwendiger Lebensbedürfnisse im Großen.
Sodann aber ging sein Bestreben dahin, die Arbeiter einzelner Gewerke, be¬
sonders die kleinen Meister (Schuhmacher, Tischler, Weber u. a.) in specielle,
die sogenannten gewerkschaftlichen Genossenschaften zu vereinigen, welche für
gemeinschaftliche Rechnung die zum Gewerbebetriebe der Einzelnen erforderlichen
Rohstoffe anschaffen und manche andre gemeinsame Anstalten treffen, wie zum
Gebrauch für den Einzelnen zu kostspielige Arbeitsvorrichtungcn und zum Ver¬
kauf ihrer Producte in gemeinschaftlichen Magazinen :c. Hand in Hand damit
gehen aber ganz besonders die Creditverbände, die Vorschußvereine oder Dar-
lehnskassen, welche wieder die Gesammtheit der Arbeiter eines Orts umfassen,


E. Keil, und die Broschüre: Vorschußvereine als Volksbanken. Leipzig,
bei demselben offen darlegen, hier in der Kürze folgen, worauf wir zu den
erreichten Resultaten selbst übergehn werden.

Nach Schutzes Ansicht muß grade in Deutschland bei dem ersten
Angriffe der Sache mit einer gewissen Zurückhaltung vorgegangen wer¬
den, weil die Zerstörung der frühern GewerbSorganisation noch nicht voll¬
ständig genug ersolgt, der Platz noch nicht von den alten Trümmern so
weit geräumt ist, um mit völliger Freiheit zum Neubau zu schreiten.
Insbesondere hat man mit dem den Deutschen eigenthümlichen Hange zur Ab¬
sonderung zu kämpfen, der in der Jsolirung die Selbstständigkeit opfern zu
müssen meint, obschon diese letztere der Wahrheit nach nur durch jenen innigen
Anschluß der Einzelnen aneinander gerettet werden kann. Daher thut man
am besten, vorerst mit den wirthschaftlichen und beschränkteren gewerblichen
Verbänden der vorbemerkten Art zu beginnen, welche die Vorbedingungen
eines lohnenden Gewerbebetriebes den Mitgliedern sichern, ohne dieselben im
Gewerbebetriebe selbst vorläufig zu associiren, der vielmehr vo>i jedem Einzel¬
nen wie bisher für seine eigne ausschließliche Rechnung sortgesetzt wird. Erst
wenn man ihnen aus diese Weise die außerordentliche Macht der Association
augenfällig bewiesen, sie gewissermaßen so für die höheren Stufen derselben erst
empfänglich und reif gemacht hat, soll man allmälig zur Bildung großer
gemeinsamer Etablissements mit ihnen vorschreiten, sich aber ja vor unvermit¬
telter und übereilten Versuchen dieser Art hüten, welche bisher meist mißlungen
sind, was jedes Mal die üble Folge hat, daß dadurch der Boden auf längere
Zeit für jede derartige Saat verdorben wird. In diesem Sinne hat Schulze
ein ineinandergreifendes System von Associationen zu organistren versucht,
welches die wichtigsten Beziehungen der arbeitenden Classen umfaßt und überall
auf die von uns früher besprochenen Grundsätze der Solidarität und Selbst¬
hilfe gegründet ist. Zunächst suchte er die Arbeiter aller Branchen in locale
Verbände zu solchen wirthschaftlichen Zwecken zu vereinen, deren vortheilhafte
Verfolgung eine möglichst große Mitgliederzahl bedingt, wie bei den Vereinen
zur Krankenpflege und Anschaffung nothwendiger Lebensbedürfnisse im Großen.
Sodann aber ging sein Bestreben dahin, die Arbeiter einzelner Gewerke, be¬
sonders die kleinen Meister (Schuhmacher, Tischler, Weber u. a.) in specielle,
die sogenannten gewerkschaftlichen Genossenschaften zu vereinigen, welche für
gemeinschaftliche Rechnung die zum Gewerbebetriebe der Einzelnen erforderlichen
Rohstoffe anschaffen und manche andre gemeinsame Anstalten treffen, wie zum
Gebrauch für den Einzelnen zu kostspielige Arbeitsvorrichtungcn und zum Ver¬
kauf ihrer Producte in gemeinschaftlichen Magazinen :c. Hand in Hand damit
gehen aber ganz besonders die Creditverbände, die Vorschußvereine oder Dar-
lehnskassen, welche wieder die Gesammtheit der Arbeiter eines Orts umfassen,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/132>, abgerufen am 15.06.2024.