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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band.

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Bureau, und, wenn er ausgeht, bis an die Zähne bewaffnet, dargestellt, ein
Bild, das wenn auch nicht für die Küsten des Oceans, doch für die Ufer deö
Mississippi ziemlich richtig ist.

Die Frage, ob hie amerikanische Presse frei ist, klingt nicht so paradox
als man glauben sollte. Die Gesetzgebung freilich legt der Presse keine
Schwierigkeiten in den Weg, sie hat aber in dem Publicum einen höchst
launenhaften und despotischen Herrn. Die amerikanischen Blätter, welche
wenig oder gar keine Abonnenten haben, sondern ihre Nummern täglich verkaufen,
besitzen nicht wie die europäischen Blätter eine Kundschaft, die ihnen minde¬
stens ein Vierteljahr treu bleibt. Wenn die Volksmasse, unzufrieden mit der
Zeitung, dieselbe nicht mehr kauft, so ist es um die Zeitung geschehen: sie
muß also den Launen und Vorurtheilen des Publicums vielfach Rechnung
tragen. Es kommt sogar vor, daß das Volk, wenn es über einen Zeitungs¬
artikel ungehalten ist, die Büreaur deö Journals stürmt und zerstört. Als
die Nicaraguafrage, durch den Clayton-Bulwerschcn Vertrag mehr ein¬
geschläfert als entschieden, die öffentliche Meinung entflammte und zum Kriege
stimmte, beobachtete der National Jntelligencer tiefes Stillschweigen. Dasselbe
war um so auffallender, als jene Zeitung damals zu dem Ministerium der
auswärtigen Angelegenheiten in Beziehungen stand und mehr als ein
anderes Blatt im Stande war, das Publicum über jene schwebende Frage
aufzuklären und eine bestimmte Meinung zu äußern. Von seinen Kollegen
wegen dieses Schweigens befragt, erwiederte der National Jntelligencer: "Es
gibt Gegenstände, über welche eine Redaction die Wahrheit nicht sagen kann,
wenn sie nicht der Gefahr sich aussetzen will, gehängt zu werben." Indem
das neuyorker Journal de Commerce dieses Geständniß registrirte, begleitete
eS dasselbe mit folgender Bemerkung: "Man hat oft bemerkt, und ist dies
vollkommen richtig, daß in Amerika die Meinungsäußerung weniger frei und
die Presse geknechteter ist, als in irgend einem anderen Lande mit liberalen
Institutionen. Die Presse der Vereinigten Staaten hat Zügellosigkeit ohne
Freiheit, sie dient als Organ vielen Verleumdungen, aber sehr wenigen Wahr¬
heiten. Sie hat den Muth zu fälschen und zu entstellen, aber sie hat nicht
die Energie, Meinungen zu äußern, welche gewissen Cliquen unangenehm oder
der Strömung blinder Voruriheile zuwiver sein würden." So urtheilt ein ame¬
rikanisches Blatt über die amerikanische Preßfreiheit.




Verantwortlicher Redacteur: v. Moritz Busch. -- Verlag von F. L, Herbig.
in Leipzig.
Druck von C. E, Elbert in Leipzig.

Bureau, und, wenn er ausgeht, bis an die Zähne bewaffnet, dargestellt, ein
Bild, das wenn auch nicht für die Küsten des Oceans, doch für die Ufer deö
Mississippi ziemlich richtig ist.

Die Frage, ob hie amerikanische Presse frei ist, klingt nicht so paradox
als man glauben sollte. Die Gesetzgebung freilich legt der Presse keine
Schwierigkeiten in den Weg, sie hat aber in dem Publicum einen höchst
launenhaften und despotischen Herrn. Die amerikanischen Blätter, welche
wenig oder gar keine Abonnenten haben, sondern ihre Nummern täglich verkaufen,
besitzen nicht wie die europäischen Blätter eine Kundschaft, die ihnen minde¬
stens ein Vierteljahr treu bleibt. Wenn die Volksmasse, unzufrieden mit der
Zeitung, dieselbe nicht mehr kauft, so ist es um die Zeitung geschehen: sie
muß also den Launen und Vorurtheilen des Publicums vielfach Rechnung
tragen. Es kommt sogar vor, daß das Volk, wenn es über einen Zeitungs¬
artikel ungehalten ist, die Büreaur deö Journals stürmt und zerstört. Als
die Nicaraguafrage, durch den Clayton-Bulwerschcn Vertrag mehr ein¬
geschläfert als entschieden, die öffentliche Meinung entflammte und zum Kriege
stimmte, beobachtete der National Jntelligencer tiefes Stillschweigen. Dasselbe
war um so auffallender, als jene Zeitung damals zu dem Ministerium der
auswärtigen Angelegenheiten in Beziehungen stand und mehr als ein
anderes Blatt im Stande war, das Publicum über jene schwebende Frage
aufzuklären und eine bestimmte Meinung zu äußern. Von seinen Kollegen
wegen dieses Schweigens befragt, erwiederte der National Jntelligencer: „Es
gibt Gegenstände, über welche eine Redaction die Wahrheit nicht sagen kann,
wenn sie nicht der Gefahr sich aussetzen will, gehängt zu werben." Indem
das neuyorker Journal de Commerce dieses Geständniß registrirte, begleitete
eS dasselbe mit folgender Bemerkung: „Man hat oft bemerkt, und ist dies
vollkommen richtig, daß in Amerika die Meinungsäußerung weniger frei und
die Presse geknechteter ist, als in irgend einem anderen Lande mit liberalen
Institutionen. Die Presse der Vereinigten Staaten hat Zügellosigkeit ohne
Freiheit, sie dient als Organ vielen Verleumdungen, aber sehr wenigen Wahr¬
heiten. Sie hat den Muth zu fälschen und zu entstellen, aber sie hat nicht
die Energie, Meinungen zu äußern, welche gewissen Cliquen unangenehm oder
der Strömung blinder Voruriheile zuwiver sein würden." So urtheilt ein ame¬
rikanisches Blatt über die amerikanische Preßfreiheit.




Verantwortlicher Redacteur: v. Moritz Busch. — Verlag von F. L, Herbig.
in Leipzig.
Druck von C. E, Elbert in Leipzig.
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[0168] Bureau, und, wenn er ausgeht, bis an die Zähne bewaffnet, dargestellt, ein Bild, das wenn auch nicht für die Küsten des Oceans, doch für die Ufer deö Mississippi ziemlich richtig ist. Die Frage, ob hie amerikanische Presse frei ist, klingt nicht so paradox als man glauben sollte. Die Gesetzgebung freilich legt der Presse keine Schwierigkeiten in den Weg, sie hat aber in dem Publicum einen höchst launenhaften und despotischen Herrn. Die amerikanischen Blätter, welche wenig oder gar keine Abonnenten haben, sondern ihre Nummern täglich verkaufen, besitzen nicht wie die europäischen Blätter eine Kundschaft, die ihnen minde¬ stens ein Vierteljahr treu bleibt. Wenn die Volksmasse, unzufrieden mit der Zeitung, dieselbe nicht mehr kauft, so ist es um die Zeitung geschehen: sie muß also den Launen und Vorurtheilen des Publicums vielfach Rechnung tragen. Es kommt sogar vor, daß das Volk, wenn es über einen Zeitungs¬ artikel ungehalten ist, die Büreaur deö Journals stürmt und zerstört. Als die Nicaraguafrage, durch den Clayton-Bulwerschcn Vertrag mehr ein¬ geschläfert als entschieden, die öffentliche Meinung entflammte und zum Kriege stimmte, beobachtete der National Jntelligencer tiefes Stillschweigen. Dasselbe war um so auffallender, als jene Zeitung damals zu dem Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten in Beziehungen stand und mehr als ein anderes Blatt im Stande war, das Publicum über jene schwebende Frage aufzuklären und eine bestimmte Meinung zu äußern. Von seinen Kollegen wegen dieses Schweigens befragt, erwiederte der National Jntelligencer: „Es gibt Gegenstände, über welche eine Redaction die Wahrheit nicht sagen kann, wenn sie nicht der Gefahr sich aussetzen will, gehängt zu werben." Indem das neuyorker Journal de Commerce dieses Geständniß registrirte, begleitete eS dasselbe mit folgender Bemerkung: „Man hat oft bemerkt, und ist dies vollkommen richtig, daß in Amerika die Meinungsäußerung weniger frei und die Presse geknechteter ist, als in irgend einem anderen Lande mit liberalen Institutionen. Die Presse der Vereinigten Staaten hat Zügellosigkeit ohne Freiheit, sie dient als Organ vielen Verleumdungen, aber sehr wenigen Wahr¬ heiten. Sie hat den Muth zu fälschen und zu entstellen, aber sie hat nicht die Energie, Meinungen zu äußern, welche gewissen Cliquen unangenehm oder der Strömung blinder Voruriheile zuwiver sein würden." So urtheilt ein ame¬ rikanisches Blatt über die amerikanische Preßfreiheit. Verantwortlicher Redacteur: v. Moritz Busch. — Verlag von F. L, Herbig. in Leipzig. Druck von C. E, Elbert in Leipzig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/168>, abgerufen am 21.05.2024.