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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band.

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Herren und wurden dienstbar; sie konnten der Ruhe genießen, und setzen sich
Mühseligkeiten aller Art, Gefahren der Räuber und Stürmen des Meeres
aus." -- "An den Hochschulen ist gut Hütten bauen, denn da ist Morgen und
Abend gleich, das ganze Jahr ein Tag; fern Langeweile und Ueberdruß.
Die Bibliotheken bilden die angenehmsten Spaziergänge, sie sind die blüten-
und duftreichen akademischen Fluren. Da sind die Bahnen der Peripatetiker,
die Hallen der Stoiker, Platos Akademie; da weilt Aristoteles unter seinen
Schülern. Da werden die Verse der Chaldäer und Araber vernommen, die
Betrachtungen der Jndier und die Gebräuche der Juden erklärt." -- Es ist
um so nothwendiger, daß für diese Studien eine eigne Anstalt gegründet wird,
da sie aus den Häusern der Geistlichen, ihrer bisherigen Träger, verbannt sind.
-- "Ihre Stelle nehmen bald Hunde, bald Vögel, bald das geschmückte Pferd,
bald jenes zweifüßige weibliche Ungethüm ein, welches der Geistliche mehr
fliehen sollte, als Schlange und Basilisk. Statt der Schriften sehen wir bei ihnen
in kostbaren Behältern feine Leinwand, Seidenzeug und Prunkkleider jeder
Art prangen. Da erblicken wir silberne Gefäße, Leiern und Lauten, bunte
Polster, Würfel und Karten, weiche Lotterbctten, geschnäbelte Waschgefäße,
herumgestreute Locken u. s. w. Die Bibliotheken der Geistlichen leiden an
allen Krankheiten, am Rücken und an den Seiten, ihre Serternen löst die
Gicht auf, und niemand bietet zu ihrer Wiederherstellung die Hand. Bald
liegen sie wie Hiob auf Haufen von Staub und Unrath, bald sind sie begraben
wie Lazarus, aber keine Stimme erhebt sich und ruft: Lazarus komm heraus!
Läßt sich aber doch ein alter Codex ungerufen blicken, so schwört der dumme
Petrus, er kenne ihn nicht, und die Dienerschaft schreit: fort, fort ans Kreuz
Mit ihm! Der alte Soldat ehrt doch die Waffen, mit denen er einst gefoch¬
ten hat; aber der unwissende Geistliche veräußert die merkwürdigsten Perga¬
mente an Maler und Kürschner, oder gibt sie Goldarbeitern, um sie zu Be¬
hältern für Armbänder und Halsketten zu verwenden, oder klebt wol auch mit
ihren Blättern Löcher in den Fenstern zu." -- Noch schlimmer steht eS bei
den Klostergeistlichen. -- "Frucht und Vieh, Geld, Speise und Trank, Orgel
und Cither, und Besuche bei den Nonnen, sind jetzt die Studien der Mönche
mit geringen Ausnahmen von solchen, in welchen sich nicht das Ebenbild,
sondern nur die Spur der alten Völker erhallen hat. Vorzüglich sind eS
dreierlei Gegenstünde, welche die Klostergeistlichen von ihren Studien abziehn;
ihr Bauch, ihre Kleider und ihre Häuser. Dahin gehen ihre Sorgen, daß
ihr Tisch vortrefflich besetzt, ihre Kleidung gegen die Regel weichlich und ihr
Haus fürstlich wie ein Schloß aufgeführt sei; so daß sie auf Gott wenig
Vertrauen setzen, von welchem der Psalmist sagt, daß er auch für den Armen
und Bettler sorge, und dem Naben und dem Vieh überflüssig Nahrung zu¬
kommen lasse." So werden die verschiedenen Stände durchgenommen und eS


GrenzbotcnIV. 18S7. 27

Herren und wurden dienstbar; sie konnten der Ruhe genießen, und setzen sich
Mühseligkeiten aller Art, Gefahren der Räuber und Stürmen des Meeres
aus." — „An den Hochschulen ist gut Hütten bauen, denn da ist Morgen und
Abend gleich, das ganze Jahr ein Tag; fern Langeweile und Ueberdruß.
Die Bibliotheken bilden die angenehmsten Spaziergänge, sie sind die blüten-
und duftreichen akademischen Fluren. Da sind die Bahnen der Peripatetiker,
die Hallen der Stoiker, Platos Akademie; da weilt Aristoteles unter seinen
Schülern. Da werden die Verse der Chaldäer und Araber vernommen, die
Betrachtungen der Jndier und die Gebräuche der Juden erklärt." — Es ist
um so nothwendiger, daß für diese Studien eine eigne Anstalt gegründet wird,
da sie aus den Häusern der Geistlichen, ihrer bisherigen Träger, verbannt sind.
— „Ihre Stelle nehmen bald Hunde, bald Vögel, bald das geschmückte Pferd,
bald jenes zweifüßige weibliche Ungethüm ein, welches der Geistliche mehr
fliehen sollte, als Schlange und Basilisk. Statt der Schriften sehen wir bei ihnen
in kostbaren Behältern feine Leinwand, Seidenzeug und Prunkkleider jeder
Art prangen. Da erblicken wir silberne Gefäße, Leiern und Lauten, bunte
Polster, Würfel und Karten, weiche Lotterbctten, geschnäbelte Waschgefäße,
herumgestreute Locken u. s. w. Die Bibliotheken der Geistlichen leiden an
allen Krankheiten, am Rücken und an den Seiten, ihre Serternen löst die
Gicht auf, und niemand bietet zu ihrer Wiederherstellung die Hand. Bald
liegen sie wie Hiob auf Haufen von Staub und Unrath, bald sind sie begraben
wie Lazarus, aber keine Stimme erhebt sich und ruft: Lazarus komm heraus!
Läßt sich aber doch ein alter Codex ungerufen blicken, so schwört der dumme
Petrus, er kenne ihn nicht, und die Dienerschaft schreit: fort, fort ans Kreuz
Mit ihm! Der alte Soldat ehrt doch die Waffen, mit denen er einst gefoch¬
ten hat; aber der unwissende Geistliche veräußert die merkwürdigsten Perga¬
mente an Maler und Kürschner, oder gibt sie Goldarbeitern, um sie zu Be¬
hältern für Armbänder und Halsketten zu verwenden, oder klebt wol auch mit
ihren Blättern Löcher in den Fenstern zu." — Noch schlimmer steht eS bei
den Klostergeistlichen. — „Frucht und Vieh, Geld, Speise und Trank, Orgel
und Cither, und Besuche bei den Nonnen, sind jetzt die Studien der Mönche
mit geringen Ausnahmen von solchen, in welchen sich nicht das Ebenbild,
sondern nur die Spur der alten Völker erhallen hat. Vorzüglich sind eS
dreierlei Gegenstünde, welche die Klostergeistlichen von ihren Studien abziehn;
ihr Bauch, ihre Kleider und ihre Häuser. Dahin gehen ihre Sorgen, daß
ihr Tisch vortrefflich besetzt, ihre Kleidung gegen die Regel weichlich und ihr
Haus fürstlich wie ein Schloß aufgeführt sei; so daß sie auf Gott wenig
Vertrauen setzen, von welchem der Psalmist sagt, daß er auch für den Armen
und Bettler sorge, und dem Naben und dem Vieh überflüssig Nahrung zu¬
kommen lasse." So werden die verschiedenen Stände durchgenommen und eS


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/217>, abgerufen am 22.05.2024.