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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band.

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gerechtigkeit involvirt. An einem Gesellschaftsunternehmen Theil haben mit
der Aussicht, Jahre lang Dividenden in unbeschränkter Hohe zu genießen,
gegenüber einem im Voraus ganz bestimmten Verlust (nämlich nicht mehr als
der Werth der Actie beträgt), erscheint uns als ein so abnormer Grundsatz,
daß man ihn nur mit Rücksicht auf die augenscheinlichste Nützlichkeit anwenden
sollte, und grade diese ist mindestens zweifelhaft, insofern selbst bei den Ver¬
waltungen daS Streben nach möglichst hohem Gewinn nicht durch die Aus¬
sicht auf entsprechenden Verlust zum Nachtheil des gutgläubigen Publicums
gehemmt wird, abgesehen von noch andern nachtheiligen Folgen, die erfah¬
rungsgemäß durch obrigkeitliche Aufsicht am wenigsten vermieden werden. Ueb-
rigens ist auch das Princip der unbeschränkten Haftbarkeit mit großer Vorsicht
in England eingeführt worden, so daß man mehrfach bei Gründung neuer
Gesellschaften gar keine" Gebrauch davon gemacht hat. Der Hauptpunkt, den
man zu Gunsten der beschränkten Haftbarkeit anführt, daß nun auch das
kleine Capital sich mit größerer Sicherheit associiren könne, indem nunmehr ein
Gesellschaftsverlust nicht mehr die bürgerliche Existenz der zahlreichen weniger
begüterten Theilnehmer bedroht, trifft in einem so capitalreichen Lande wie
England schon weniger zu, während man eigentlich nicht sage" kann, daß die
auf dem Continent überall derartig gestattete Betheiligung des kleinern Capi¬
tals sehr segensreich gewirkt, umgekehrt vielmehr zur weitem Verbreitung eines
ungesunden Unternehmungsgeistes beigetragen hat. Der Vf. behandelt in
einem Anhang zu diesem dritten Abschnitt die französische Gesetzgebung in Be¬
treff der sogenannten Kommanditgesellschaften, die er der englischen gegenüber¬
stellt. Der Vf. übersieht hier aber den eigentlich entscheidenden Punkt. Diese
auch nach Deutschland übergesiedelten Kommanditgesellschaften sind im Wesent¬
lichen nichts als eine' Nothwehr des Unternehmungsgeistes gegen die Weit¬
läufigkeiten und Schwierigkeiten des vom Staate beanspruchten und aus¬
geübten Genehmigungörechts zur Bildung eigentlicher Aktiengesellschaften. Da
das Institut der sogenannten stillen Compagnons (Geschäftstheilhaber, deren
Namen in der Geschäftsfirma nicht vorkommen, und welche nur zum Be¬
laufe ihres Einschusses für die Geschäftsschulde" haften) ohnehin schon all¬
gemein üblich war, so verfiel man darauf, eine solche Betheiligung in Form
von Actien zu ermöglichen. Formell geht die Sache nur wenig aus dem
Kreise einer schon üblichen Einrichtung hinaus, während thatsächlich wirkliche
Actiengesellschaften errichtet wurden, mit den beiden Unterschieden, daß der
Staat sie nicht concesstonirte und daß die Gründer und Verwalter mit ihrem
ganzen Vermögen verhaftet waren. Viele der neuen in dieser Weise errich¬
teten Gesellschaften stehen übrigens an innerer Solidität den obrigkeitlich con-
cessionirten nicht nach, indem der Mangel an staatlicher Einwilligung durch
die der Verwaltung drohende größere Gefahr mehr als ersetzt wird. Eine un-


gerechtigkeit involvirt. An einem Gesellschaftsunternehmen Theil haben mit
der Aussicht, Jahre lang Dividenden in unbeschränkter Hohe zu genießen,
gegenüber einem im Voraus ganz bestimmten Verlust (nämlich nicht mehr als
der Werth der Actie beträgt), erscheint uns als ein so abnormer Grundsatz,
daß man ihn nur mit Rücksicht auf die augenscheinlichste Nützlichkeit anwenden
sollte, und grade diese ist mindestens zweifelhaft, insofern selbst bei den Ver¬
waltungen daS Streben nach möglichst hohem Gewinn nicht durch die Aus¬
sicht auf entsprechenden Verlust zum Nachtheil des gutgläubigen Publicums
gehemmt wird, abgesehen von noch andern nachtheiligen Folgen, die erfah¬
rungsgemäß durch obrigkeitliche Aufsicht am wenigsten vermieden werden. Ueb-
rigens ist auch das Princip der unbeschränkten Haftbarkeit mit großer Vorsicht
in England eingeführt worden, so daß man mehrfach bei Gründung neuer
Gesellschaften gar keine» Gebrauch davon gemacht hat. Der Hauptpunkt, den
man zu Gunsten der beschränkten Haftbarkeit anführt, daß nun auch das
kleine Capital sich mit größerer Sicherheit associiren könne, indem nunmehr ein
Gesellschaftsverlust nicht mehr die bürgerliche Existenz der zahlreichen weniger
begüterten Theilnehmer bedroht, trifft in einem so capitalreichen Lande wie
England schon weniger zu, während man eigentlich nicht sage» kann, daß die
auf dem Continent überall derartig gestattete Betheiligung des kleinern Capi¬
tals sehr segensreich gewirkt, umgekehrt vielmehr zur weitem Verbreitung eines
ungesunden Unternehmungsgeistes beigetragen hat. Der Vf. behandelt in
einem Anhang zu diesem dritten Abschnitt die französische Gesetzgebung in Be¬
treff der sogenannten Kommanditgesellschaften, die er der englischen gegenüber¬
stellt. Der Vf. übersieht hier aber den eigentlich entscheidenden Punkt. Diese
auch nach Deutschland übergesiedelten Kommanditgesellschaften sind im Wesent¬
lichen nichts als eine' Nothwehr des Unternehmungsgeistes gegen die Weit¬
läufigkeiten und Schwierigkeiten des vom Staate beanspruchten und aus¬
geübten Genehmigungörechts zur Bildung eigentlicher Aktiengesellschaften. Da
das Institut der sogenannten stillen Compagnons (Geschäftstheilhaber, deren
Namen in der Geschäftsfirma nicht vorkommen, und welche nur zum Be¬
laufe ihres Einschusses für die Geschäftsschulde» haften) ohnehin schon all¬
gemein üblich war, so verfiel man darauf, eine solche Betheiligung in Form
von Actien zu ermöglichen. Formell geht die Sache nur wenig aus dem
Kreise einer schon üblichen Einrichtung hinaus, während thatsächlich wirkliche
Actiengesellschaften errichtet wurden, mit den beiden Unterschieden, daß der
Staat sie nicht concesstonirte und daß die Gründer und Verwalter mit ihrem
ganzen Vermögen verhaftet waren. Viele der neuen in dieser Weise errich¬
teten Gesellschaften stehen übrigens an innerer Solidität den obrigkeitlich con-
cessionirten nicht nach, indem der Mangel an staatlicher Einwilligung durch
die der Verwaltung drohende größere Gefahr mehr als ersetzt wird. Eine un-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/24>, abgerufen am 22.05.2024.