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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band.

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Mitteln versehen hätten. Die Theurung war aber immerhin groß genug, und so
meldeten sich von den Einwohnern der Stadt zahlreiche Freiwillige zur Auf¬
hebung der Blockade. Diese gelang, da die Rebellen keinen allgemein aner¬
kannten Führer hatten. Allein die Belagerer wurden nur zurückgedrängt. Sie
zogen sich in die Provinz Kwaugsi und nach dem Osten von Kwangtung zurück,
wo sie sich bis jetzt behauptet haben. Fast ganz Kwangsi und der Süden der
nördlichen Nachbarprovinz Hunan ist in ihrer Gewalt. In jener Provinz
haben sie fast alle Kreis- und Departementöstädte, ja nach den neuesten Nach¬
richten selbst die Hauptstadt Kweili eingenommen, auch scheinen sich einige
Haufen von ihnen den Taipings am Tungtingsee angeschlossen zu haben.
Mittlerweile war Kanton der Schauplatz einer Reihe von Hinrichtungen, die
zu den gräßlichsten gehören, von denen die Geschichte erzählt. Es wurden
von den kaiserlichen Behörden Preise aus die Habhaftwerdung von Errebellen
gesetzt, und aus allen Orten wurden Massen dieser Unglücklichen einge¬
liefert. Sie wurden ohne Erbarmen zum Tode verurtheilt und in Rotten
von Hunderten enthauptet. Man berechnet, das, seit der Aufhebung der
Blockade von Kanton gegen 70,000 Menschen auf diese Art hingerichtet
worden sind, und die meisten davon kommen ans Kanton selbst.

Manche halten dieses Verfahren, welches sich nur mit den Blutthaten
Dschingiskhans vergleichen läßt, für einen Beweis von Kraft auf Seiten der
kaiserlichen Regierung. Uns scheint es vielmehr ein Zeichen von Schwäche
zu sein. Mit dem Schwerte des Scharfrichters vertheidigt man wankende
Throne nicht. Bei den Gebildeten Chinas müssen diese Metzeleien, we"n
wir uns daS Volk auch noch so abgestumpft gegen blutige Schauspiele denke"
wollten, einen tiefen und dauernden Abscheu hervorrufen, während die bloße
Furcht, auf den leisesten Verdacht hin gleichfalls dem Säbel des Kopfab¬
schneiders überliefert zu werden, eine nicht geringe Zahl sonst friedlicher
müther in das Lager der Rebellen führen wird.

Auch die Taipings haben zwar, wie wir sahen, massenhafte Hinrichtungen
angeordnet. Allein ihre Stellung ist eine andere, sie haben in den Auge"
des chinesischen Volkes immerhin daS für sich, daß sie nur gegen die fremden
Unterdrücker deS Landes, gegen den verhaßten Mandschuadel, so Handel"
welcher, wie alle Chinesen glauben, doch früher oder später ausgerottet wer^
den wird. Gegen ihre chinesischen Landsleute sind sie, auch wenn sie ih"^'
Widerstand leisteten, nach dem Siege nicht strenger als die herrschenden
ten in Europa verfahren, während die Kaiserlichen in dem begründeten Verband)
stehen, Massen von Leuten hingeschlachtet zu haben, die nie an Aufstand ge¬
dacht haben, lediglich um nach Peking berichten zu können, die Zahl
Rebellen sei sehr groß, die Erringung des schließlichen Sieges schwer gewesen-




Mitteln versehen hätten. Die Theurung war aber immerhin groß genug, und so
meldeten sich von den Einwohnern der Stadt zahlreiche Freiwillige zur Auf¬
hebung der Blockade. Diese gelang, da die Rebellen keinen allgemein aner¬
kannten Führer hatten. Allein die Belagerer wurden nur zurückgedrängt. Sie
zogen sich in die Provinz Kwaugsi und nach dem Osten von Kwangtung zurück,
wo sie sich bis jetzt behauptet haben. Fast ganz Kwangsi und der Süden der
nördlichen Nachbarprovinz Hunan ist in ihrer Gewalt. In jener Provinz
haben sie fast alle Kreis- und Departementöstädte, ja nach den neuesten Nach¬
richten selbst die Hauptstadt Kweili eingenommen, auch scheinen sich einige
Haufen von ihnen den Taipings am Tungtingsee angeschlossen zu haben.
Mittlerweile war Kanton der Schauplatz einer Reihe von Hinrichtungen, die
zu den gräßlichsten gehören, von denen die Geschichte erzählt. Es wurden
von den kaiserlichen Behörden Preise aus die Habhaftwerdung von Errebellen
gesetzt, und aus allen Orten wurden Massen dieser Unglücklichen einge¬
liefert. Sie wurden ohne Erbarmen zum Tode verurtheilt und in Rotten
von Hunderten enthauptet. Man berechnet, das, seit der Aufhebung der
Blockade von Kanton gegen 70,000 Menschen auf diese Art hingerichtet
worden sind, und die meisten davon kommen ans Kanton selbst.

Manche halten dieses Verfahren, welches sich nur mit den Blutthaten
Dschingiskhans vergleichen läßt, für einen Beweis von Kraft auf Seiten der
kaiserlichen Regierung. Uns scheint es vielmehr ein Zeichen von Schwäche
zu sein. Mit dem Schwerte des Scharfrichters vertheidigt man wankende
Throne nicht. Bei den Gebildeten Chinas müssen diese Metzeleien, we»n
wir uns daS Volk auch noch so abgestumpft gegen blutige Schauspiele denke»
wollten, einen tiefen und dauernden Abscheu hervorrufen, während die bloße
Furcht, auf den leisesten Verdacht hin gleichfalls dem Säbel des Kopfab¬
schneiders überliefert zu werden, eine nicht geringe Zahl sonst friedlicher
müther in das Lager der Rebellen führen wird.

Auch die Taipings haben zwar, wie wir sahen, massenhafte Hinrichtungen
angeordnet. Allein ihre Stellung ist eine andere, sie haben in den Auge"
des chinesischen Volkes immerhin daS für sich, daß sie nur gegen die fremden
Unterdrücker deS Landes, gegen den verhaßten Mandschuadel, so Handel"
welcher, wie alle Chinesen glauben, doch früher oder später ausgerottet wer^
den wird. Gegen ihre chinesischen Landsleute sind sie, auch wenn sie ih"^'
Widerstand leisteten, nach dem Siege nicht strenger als die herrschenden
ten in Europa verfahren, während die Kaiserlichen in dem begründeten Verband)
stehen, Massen von Leuten hingeschlachtet zu haben, die nie an Aufstand ge¬
dacht haben, lediglich um nach Peking berichten zu können, die Zahl
Rebellen sei sehr groß, die Erringung des schließlichen Sieges schwer gewesen-




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[0282] Mitteln versehen hätten. Die Theurung war aber immerhin groß genug, und so meldeten sich von den Einwohnern der Stadt zahlreiche Freiwillige zur Auf¬ hebung der Blockade. Diese gelang, da die Rebellen keinen allgemein aner¬ kannten Führer hatten. Allein die Belagerer wurden nur zurückgedrängt. Sie zogen sich in die Provinz Kwaugsi und nach dem Osten von Kwangtung zurück, wo sie sich bis jetzt behauptet haben. Fast ganz Kwangsi und der Süden der nördlichen Nachbarprovinz Hunan ist in ihrer Gewalt. In jener Provinz haben sie fast alle Kreis- und Departementöstädte, ja nach den neuesten Nach¬ richten selbst die Hauptstadt Kweili eingenommen, auch scheinen sich einige Haufen von ihnen den Taipings am Tungtingsee angeschlossen zu haben. Mittlerweile war Kanton der Schauplatz einer Reihe von Hinrichtungen, die zu den gräßlichsten gehören, von denen die Geschichte erzählt. Es wurden von den kaiserlichen Behörden Preise aus die Habhaftwerdung von Errebellen gesetzt, und aus allen Orten wurden Massen dieser Unglücklichen einge¬ liefert. Sie wurden ohne Erbarmen zum Tode verurtheilt und in Rotten von Hunderten enthauptet. Man berechnet, das, seit der Aufhebung der Blockade von Kanton gegen 70,000 Menschen auf diese Art hingerichtet worden sind, und die meisten davon kommen ans Kanton selbst. Manche halten dieses Verfahren, welches sich nur mit den Blutthaten Dschingiskhans vergleichen läßt, für einen Beweis von Kraft auf Seiten der kaiserlichen Regierung. Uns scheint es vielmehr ein Zeichen von Schwäche zu sein. Mit dem Schwerte des Scharfrichters vertheidigt man wankende Throne nicht. Bei den Gebildeten Chinas müssen diese Metzeleien, we»n wir uns daS Volk auch noch so abgestumpft gegen blutige Schauspiele denke» wollten, einen tiefen und dauernden Abscheu hervorrufen, während die bloße Furcht, auf den leisesten Verdacht hin gleichfalls dem Säbel des Kopfab¬ schneiders überliefert zu werden, eine nicht geringe Zahl sonst friedlicher müther in das Lager der Rebellen führen wird. Auch die Taipings haben zwar, wie wir sahen, massenhafte Hinrichtungen angeordnet. Allein ihre Stellung ist eine andere, sie haben in den Auge" des chinesischen Volkes immerhin daS für sich, daß sie nur gegen die fremden Unterdrücker deS Landes, gegen den verhaßten Mandschuadel, so Handel" welcher, wie alle Chinesen glauben, doch früher oder später ausgerottet wer^ den wird. Gegen ihre chinesischen Landsleute sind sie, auch wenn sie ih"^' Widerstand leisteten, nach dem Siege nicht strenger als die herrschenden ten in Europa verfahren, während die Kaiserlichen in dem begründeten Verband) stehen, Massen von Leuten hingeschlachtet zu haben, die nie an Aufstand ge¬ dacht haben, lediglich um nach Peking berichten zu können, die Zahl Rebellen sei sehr groß, die Erringung des schließlichen Sieges schwer gewesen-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/282>, abgerufen am 21.05.2024.