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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band.

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Dies geschieht denn auch durch jährliche Berichte der Angestellten, von denen
ein kurzes Nesuniö in die Tagesblätter eingerückt zu, wevden pflegt. Hoffent¬
lich trägt auch dieser Aufsatz dazu bei, die Aufmerksamkeit zu heben. Wie er
auf der einen Seite NichtHamburgern beweisen mag, daß unsere Stadt an Vi-
bliothekschätzen reicher ist als man meint, mag er auch manchem Hamburger
seinen Zweifel an der Verwerthung dieses Schatzes heben.

Nichts zeigt eclatanter das hier vorhandene Bedürfniß als die jährlichen
Berichte über die Benutzung der Bibliothek. Im Jahre 1630 war noch das
Ausleihen der Bücher untersagt; 170-1 wurde dies nach besonders eingeholter
Erlaubniß vom Senat verstattet; -1781 kündigte der damalige Bibliothekar
Professor Schütze öffentlich eine weitere Nutzbarmachung an. Und wie recht¬
fertigt er dabei die Nothwendigkeit einer öffentlichen Bibliothek? -- Die Ge¬
lehrten, sagt er, wollen jetzt besser leben, auch brauchen sie Geld zum Spiel,
Natürlich können sie deshalb nicht mehr aus eigenen Mitteln so große Biblio¬
theken halten wie ehedem: daher muß der Staat ihren Bedürfnissen zur Hilfe
kommen. Eine seltsame Empfehlung! Jetzt documentirt man den wachsenden
Bedarf durch Zahlen. Professor Petersen zeigt, daß in den Jahren um 1838 die
Zahl der jährlich ausgeliehenen Bücher zwischen 1200 und 2000 schwankte,
während der jährliche Bedarf jetzt auf 3000 gestiegen ist, wovon überdies nur
die kleinere Hälfte nach andern Orten geht.

Wenn somit auch edler wie in andern Gebieten die Bedürfnisse mit der
Nachfrage wachsen, und die Erfüllung aller möglichen Wünsche so schnell
'naht ist, wie die Wünsche selbst, so ist es damit in Hamburg nicht anders
"is anderwärts. So trivial auch die Wahrheit ist, daß es nirgend voll¬
kommene Institute gibt, so nöthig scheint es doch, sie sich bisweilen ins Ge¬
dächtniß zurückzurufen. Man mißachtet im Hinblick auf das Wünschens-
Werthe nur gar zu leicht und gar zu oft das vorhandene Gute. Zugegeben,
d"ß Hamburgs Institute von dieser Unvollkommenheit keineswegs frei sind,
wirb man doch die Ueberzeugung gewinnen können, daß Hamburg an seinen
Viblivlheken einen bedeutenden geistigen Schatz besitzt, der auch verwerthet
^>>d. Und daß eS ihn besitzt, das zeugt doch sicherlich dafür, daß Sinn für
geistige Dinge so sehr nicht fehlt, wie man so oft behaupten hört. Daß dies
"Ach im Uebrigen nicht der Fall ist, sollen noch einige folgende Aufsätze be¬
weisen.




Grenzboten. IV. <8!i7.

Dies geschieht denn auch durch jährliche Berichte der Angestellten, von denen
ein kurzes Nesuniö in die Tagesblätter eingerückt zu, wevden pflegt. Hoffent¬
lich trägt auch dieser Aufsatz dazu bei, die Aufmerksamkeit zu heben. Wie er
auf der einen Seite NichtHamburgern beweisen mag, daß unsere Stadt an Vi-
bliothekschätzen reicher ist als man meint, mag er auch manchem Hamburger
seinen Zweifel an der Verwerthung dieses Schatzes heben.

Nichts zeigt eclatanter das hier vorhandene Bedürfniß als die jährlichen
Berichte über die Benutzung der Bibliothek. Im Jahre 1630 war noch das
Ausleihen der Bücher untersagt; 170-1 wurde dies nach besonders eingeholter
Erlaubniß vom Senat verstattet; -1781 kündigte der damalige Bibliothekar
Professor Schütze öffentlich eine weitere Nutzbarmachung an. Und wie recht¬
fertigt er dabei die Nothwendigkeit einer öffentlichen Bibliothek? — Die Ge¬
lehrten, sagt er, wollen jetzt besser leben, auch brauchen sie Geld zum Spiel,
Natürlich können sie deshalb nicht mehr aus eigenen Mitteln so große Biblio¬
theken halten wie ehedem: daher muß der Staat ihren Bedürfnissen zur Hilfe
kommen. Eine seltsame Empfehlung! Jetzt documentirt man den wachsenden
Bedarf durch Zahlen. Professor Petersen zeigt, daß in den Jahren um 1838 die
Zahl der jährlich ausgeliehenen Bücher zwischen 1200 und 2000 schwankte,
während der jährliche Bedarf jetzt auf 3000 gestiegen ist, wovon überdies nur
die kleinere Hälfte nach andern Orten geht.

Wenn somit auch edler wie in andern Gebieten die Bedürfnisse mit der
Nachfrage wachsen, und die Erfüllung aller möglichen Wünsche so schnell
'naht ist, wie die Wünsche selbst, so ist es damit in Hamburg nicht anders
"is anderwärts. So trivial auch die Wahrheit ist, daß es nirgend voll¬
kommene Institute gibt, so nöthig scheint es doch, sie sich bisweilen ins Ge¬
dächtniß zurückzurufen. Man mißachtet im Hinblick auf das Wünschens-
Werthe nur gar zu leicht und gar zu oft das vorhandene Gute. Zugegeben,
d"ß Hamburgs Institute von dieser Unvollkommenheit keineswegs frei sind,
wirb man doch die Ueberzeugung gewinnen können, daß Hamburg an seinen
Viblivlheken einen bedeutenden geistigen Schatz besitzt, der auch verwerthet
^>>d. Und daß eS ihn besitzt, das zeugt doch sicherlich dafür, daß Sinn für
geistige Dinge so sehr nicht fehlt, wie man so oft behaupten hört. Daß dies
"Ach im Uebrigen nicht der Fall ist, sollen noch einige folgende Aufsätze be¬
weisen.




Grenzboten. IV. <8!i7.
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[0313] Dies geschieht denn auch durch jährliche Berichte der Angestellten, von denen ein kurzes Nesuniö in die Tagesblätter eingerückt zu, wevden pflegt. Hoffent¬ lich trägt auch dieser Aufsatz dazu bei, die Aufmerksamkeit zu heben. Wie er auf der einen Seite NichtHamburgern beweisen mag, daß unsere Stadt an Vi- bliothekschätzen reicher ist als man meint, mag er auch manchem Hamburger seinen Zweifel an der Verwerthung dieses Schatzes heben. Nichts zeigt eclatanter das hier vorhandene Bedürfniß als die jährlichen Berichte über die Benutzung der Bibliothek. Im Jahre 1630 war noch das Ausleihen der Bücher untersagt; 170-1 wurde dies nach besonders eingeholter Erlaubniß vom Senat verstattet; -1781 kündigte der damalige Bibliothekar Professor Schütze öffentlich eine weitere Nutzbarmachung an. Und wie recht¬ fertigt er dabei die Nothwendigkeit einer öffentlichen Bibliothek? — Die Ge¬ lehrten, sagt er, wollen jetzt besser leben, auch brauchen sie Geld zum Spiel, Natürlich können sie deshalb nicht mehr aus eigenen Mitteln so große Biblio¬ theken halten wie ehedem: daher muß der Staat ihren Bedürfnissen zur Hilfe kommen. Eine seltsame Empfehlung! Jetzt documentirt man den wachsenden Bedarf durch Zahlen. Professor Petersen zeigt, daß in den Jahren um 1838 die Zahl der jährlich ausgeliehenen Bücher zwischen 1200 und 2000 schwankte, während der jährliche Bedarf jetzt auf 3000 gestiegen ist, wovon überdies nur die kleinere Hälfte nach andern Orten geht. Wenn somit auch edler wie in andern Gebieten die Bedürfnisse mit der Nachfrage wachsen, und die Erfüllung aller möglichen Wünsche so schnell 'naht ist, wie die Wünsche selbst, so ist es damit in Hamburg nicht anders "is anderwärts. So trivial auch die Wahrheit ist, daß es nirgend voll¬ kommene Institute gibt, so nöthig scheint es doch, sie sich bisweilen ins Ge¬ dächtniß zurückzurufen. Man mißachtet im Hinblick auf das Wünschens- Werthe nur gar zu leicht und gar zu oft das vorhandene Gute. Zugegeben, d"ß Hamburgs Institute von dieser Unvollkommenheit keineswegs frei sind, wirb man doch die Ueberzeugung gewinnen können, daß Hamburg an seinen Viblivlheken einen bedeutenden geistigen Schatz besitzt, der auch verwerthet ^>>d. Und daß eS ihn besitzt, das zeugt doch sicherlich dafür, daß Sinn für geistige Dinge so sehr nicht fehlt, wie man so oft behaupten hört. Daß dies "Ach im Uebrigen nicht der Fall ist, sollen noch einige folgende Aufsätze be¬ weisen. Grenzboten. IV. <8!i7.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/313>, abgerufen am 22.05.2024.