Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

anderer Meinung, obgleich der Abgeordnete Baring behauptete, daß die Auf¬
hebung des Verbots der Seideneinfuhr Hunderttausende von Arbeitern brotlos
machen werde, obgleich ein anderer Abgeordneter die Freihändler herz- und
erbarmungslose Theoretiker nannte und ausrief, daß Satan selbst weniger als
sie das Glück der Menschheit hasse. Das Parlament fand, daß man Seide
ebenso gut im Norden alö im Süden deS Canals fabriciren könne und
führte auf Antrag Huökissonö einen Schutzzoll auf Seide von 30 Procent
ein, der unter Sir Robert Peel auf -15 Procent herabgesetzt wurde.

Hat die britische Seidenindustrie unter diesem Zoll abgenommen? Sir
Robert Peel gibt in seiner berühmten Parlamcutörede vom -16. Februar -1846
hierauf folgende Antwort: In den zehn Jahren von -1813, bis -1823 betrug
die Quantität der Rohseide, welche die britischen Fabriken verbrauchten,
jährlich im Durchschnitt 880,500 Kilogramm; in den folgenden zehn Jahren
betrug sie jährlich -1,800,000 Kilogramm, in den zehn Jahren von -1833 bis
1843 2,358,700 Kilogramm. Im Jahre -1844 stieg sie auf 2,8-15,000 Kik.
1856 betrug sie 3,73-1,000 Kik. und -1854 sogar 3,875,000 Kik. Seit Auf¬
hebung des Einsuhrverbots hat also der Verbrauch der Rohseide sich mehr
als vervierfacht. Seit dieser Zeit haben die englischen Seidenfabriken sogar
Massen ihrer Fabrikate ausgeführt. Diese Ausfuhr betrug schon -1842
690,000 Pfund Sterling und -1856 2,967,000 Pf. Se. Das Merkwürdigste
dabei ist, daß England seit der Reform seinem Rivalen Frankreich eine gewisse
Quantität Seide geliefert hat. Aus der Uebersicht deS französischen Handels
für -1856 ergib" sich, daß England in diesem Jahre für 78-1,352 Pf. Se. fabricirter
Silbe nach Frankreich eingeführt hat. So groß war der Aufschwung der
englischen Seidcnindustrie unter der Herrschaft eines mäßigen Schutzzolls
Und unter dem treibenden Sporn der ausländischen Concurrenz, daß im
November -1852 27 Seidenfabrikeu in Manchester bei dem Parlament daraus
antrugen, daß jeder Schutzzoll auf Seide aufgehoben werde. Sie betrachteten
^bst den mäßigen Schutzzoll von -15 Procent als eine Ursache der Mi߬
achtung ihrer Industrie auf dem Weltmarkt und sie forderten daher die Ab¬
fassung des Schutzzolls und zwar nicht theil- oder stufenweise, sondern
gänzlich und sofort. Ein seltsamer Gegensatz zu den gegenwärtigen Anstren-
gungnl der Schutzzöllner in Frankreich, welche die Regierung drängen, die
hohen Tarifsätze aufrecht zu erhalten, welche für die Consumuten so drückend
u"d dem wohlfeilen Leben, einem der ersten Erfordernisse unserer Zeit, so
"achtseitig sind.

Unter den geschilderten Verhältnissen stieg zugleich die Einfuhr aus¬
ländischer Seidenzeuge in England. Diese Einfuhr betrug -1842 -123,600 Kilo¬
gramm, 1856 332,500 Kilogramm zu einem Werthe von -1,73-1,000 Pf. Se.
Diese Einfuhr ausländischer Seidenzeuge veranlaßt und bezahlt die Ausfuhr


39* >

anderer Meinung, obgleich der Abgeordnete Baring behauptete, daß die Auf¬
hebung des Verbots der Seideneinfuhr Hunderttausende von Arbeitern brotlos
machen werde, obgleich ein anderer Abgeordneter die Freihändler herz- und
erbarmungslose Theoretiker nannte und ausrief, daß Satan selbst weniger als
sie das Glück der Menschheit hasse. Das Parlament fand, daß man Seide
ebenso gut im Norden alö im Süden deS Canals fabriciren könne und
führte auf Antrag Huökissonö einen Schutzzoll auf Seide von 30 Procent
ein, der unter Sir Robert Peel auf -15 Procent herabgesetzt wurde.

Hat die britische Seidenindustrie unter diesem Zoll abgenommen? Sir
Robert Peel gibt in seiner berühmten Parlamcutörede vom -16. Februar -1846
hierauf folgende Antwort: In den zehn Jahren von -1813, bis -1823 betrug
die Quantität der Rohseide, welche die britischen Fabriken verbrauchten,
jährlich im Durchschnitt 880,500 Kilogramm; in den folgenden zehn Jahren
betrug sie jährlich -1,800,000 Kilogramm, in den zehn Jahren von -1833 bis
1843 2,358,700 Kilogramm. Im Jahre -1844 stieg sie auf 2,8-15,000 Kik.
1856 betrug sie 3,73-1,000 Kik. und -1854 sogar 3,875,000 Kik. Seit Auf¬
hebung des Einsuhrverbots hat also der Verbrauch der Rohseide sich mehr
als vervierfacht. Seit dieser Zeit haben die englischen Seidenfabriken sogar
Massen ihrer Fabrikate ausgeführt. Diese Ausfuhr betrug schon -1842
690,000 Pfund Sterling und -1856 2,967,000 Pf. Se. Das Merkwürdigste
dabei ist, daß England seit der Reform seinem Rivalen Frankreich eine gewisse
Quantität Seide geliefert hat. Aus der Uebersicht deS französischen Handels
für -1856 ergib« sich, daß England in diesem Jahre für 78-1,352 Pf. Se. fabricirter
Silbe nach Frankreich eingeführt hat. So groß war der Aufschwung der
englischen Seidcnindustrie unter der Herrschaft eines mäßigen Schutzzolls
Und unter dem treibenden Sporn der ausländischen Concurrenz, daß im
November -1852 27 Seidenfabrikeu in Manchester bei dem Parlament daraus
antrugen, daß jeder Schutzzoll auf Seide aufgehoben werde. Sie betrachteten
^bst den mäßigen Schutzzoll von -15 Procent als eine Ursache der Mi߬
achtung ihrer Industrie auf dem Weltmarkt und sie forderten daher die Ab¬
fassung des Schutzzolls und zwar nicht theil- oder stufenweise, sondern
gänzlich und sofort. Ein seltsamer Gegensatz zu den gegenwärtigen Anstren-
gungnl der Schutzzöllner in Frankreich, welche die Regierung drängen, die
hohen Tarifsätze aufrecht zu erhalten, welche für die Consumuten so drückend
u»d dem wohlfeilen Leben, einem der ersten Erfordernisse unserer Zeit, so
»achtseitig sind.

Unter den geschilderten Verhältnissen stieg zugleich die Einfuhr aus¬
ländischer Seidenzeuge in England. Diese Einfuhr betrug -1842 -123,600 Kilo¬
gramm, 1856 332,500 Kilogramm zu einem Werthe von -1,73-1,000 Pf. Se.
Diese Einfuhr ausländischer Seidenzeuge veranlaßt und bezahlt die Ausfuhr


39* >
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0315" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/105050"/>
          <p xml:id="ID_894" prev="#ID_893"> anderer Meinung, obgleich der Abgeordnete Baring behauptete, daß die Auf¬<lb/>
hebung des Verbots der Seideneinfuhr Hunderttausende von Arbeitern brotlos<lb/>
machen werde, obgleich ein anderer Abgeordneter die Freihändler herz- und<lb/>
erbarmungslose Theoretiker nannte und ausrief, daß Satan selbst weniger als<lb/>
sie das Glück der Menschheit hasse. Das Parlament fand, daß man Seide<lb/>
ebenso gut im Norden alö im Süden deS Canals fabriciren könne und<lb/>
führte auf Antrag Huökissonö einen Schutzzoll auf Seide von 30 Procent<lb/>
ein, der unter Sir Robert Peel auf -15 Procent herabgesetzt wurde.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_895"> Hat die britische Seidenindustrie unter diesem Zoll abgenommen? Sir<lb/>
Robert Peel gibt in seiner berühmten Parlamcutörede vom -16. Februar -1846<lb/>
hierauf folgende Antwort: In den zehn Jahren von -1813, bis -1823 betrug<lb/>
die Quantität der Rohseide, welche die britischen Fabriken verbrauchten,<lb/>
jährlich im Durchschnitt 880,500 Kilogramm; in den folgenden zehn Jahren<lb/>
betrug sie jährlich -1,800,000 Kilogramm, in den zehn Jahren von -1833 bis<lb/>
1843 2,358,700 Kilogramm. Im Jahre -1844 stieg sie auf 2,8-15,000 Kik.<lb/>
1856 betrug sie 3,73-1,000 Kik. und -1854 sogar 3,875,000 Kik. Seit Auf¬<lb/>
hebung des Einsuhrverbots hat also der Verbrauch der Rohseide sich mehr<lb/>
als vervierfacht. Seit dieser Zeit haben die englischen Seidenfabriken sogar<lb/>
Massen ihrer Fabrikate ausgeführt. Diese Ausfuhr betrug schon -1842<lb/>
690,000 Pfund Sterling und -1856 2,967,000 Pf. Se. Das Merkwürdigste<lb/>
dabei ist, daß England seit der Reform seinem Rivalen Frankreich eine gewisse<lb/>
Quantität Seide geliefert hat. Aus der Uebersicht deS französischen Handels<lb/>
für -1856 ergib« sich, daß England in diesem Jahre für 78-1,352 Pf. Se. fabricirter<lb/>
Silbe nach Frankreich eingeführt hat. So groß war der Aufschwung der<lb/>
englischen Seidcnindustrie unter der Herrschaft eines mäßigen Schutzzolls<lb/>
Und unter dem treibenden Sporn der ausländischen Concurrenz, daß im<lb/>
November -1852 27 Seidenfabrikeu in Manchester bei dem Parlament daraus<lb/>
antrugen, daß jeder Schutzzoll auf Seide aufgehoben werde. Sie betrachteten<lb/>
^bst den mäßigen Schutzzoll von -15 Procent als eine Ursache der Mi߬<lb/>
achtung ihrer Industrie auf dem Weltmarkt und sie forderten daher die Ab¬<lb/>
fassung des Schutzzolls und zwar nicht theil- oder stufenweise, sondern<lb/>
gänzlich und sofort. Ein seltsamer Gegensatz zu den gegenwärtigen Anstren-<lb/>
gungnl der Schutzzöllner in Frankreich, welche die Regierung drängen, die<lb/>
hohen Tarifsätze aufrecht zu erhalten, welche für die Consumuten so drückend<lb/>
u»d dem wohlfeilen Leben, einem der ersten Erfordernisse unserer Zeit, so<lb/>
»achtseitig sind.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_896" next="#ID_897"> Unter den geschilderten Verhältnissen stieg zugleich die Einfuhr aus¬<lb/>
ländischer Seidenzeuge in England. Diese Einfuhr betrug -1842 -123,600 Kilo¬<lb/>
gramm, 1856 332,500 Kilogramm zu einem Werthe von -1,73-1,000 Pf. Se.<lb/>
Diese Einfuhr ausländischer Seidenzeuge veranlaßt und bezahlt die Ausfuhr</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> 39* &gt;</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0315] anderer Meinung, obgleich der Abgeordnete Baring behauptete, daß die Auf¬ hebung des Verbots der Seideneinfuhr Hunderttausende von Arbeitern brotlos machen werde, obgleich ein anderer Abgeordneter die Freihändler herz- und erbarmungslose Theoretiker nannte und ausrief, daß Satan selbst weniger als sie das Glück der Menschheit hasse. Das Parlament fand, daß man Seide ebenso gut im Norden alö im Süden deS Canals fabriciren könne und führte auf Antrag Huökissonö einen Schutzzoll auf Seide von 30 Procent ein, der unter Sir Robert Peel auf -15 Procent herabgesetzt wurde. Hat die britische Seidenindustrie unter diesem Zoll abgenommen? Sir Robert Peel gibt in seiner berühmten Parlamcutörede vom -16. Februar -1846 hierauf folgende Antwort: In den zehn Jahren von -1813, bis -1823 betrug die Quantität der Rohseide, welche die britischen Fabriken verbrauchten, jährlich im Durchschnitt 880,500 Kilogramm; in den folgenden zehn Jahren betrug sie jährlich -1,800,000 Kilogramm, in den zehn Jahren von -1833 bis 1843 2,358,700 Kilogramm. Im Jahre -1844 stieg sie auf 2,8-15,000 Kik. 1856 betrug sie 3,73-1,000 Kik. und -1854 sogar 3,875,000 Kik. Seit Auf¬ hebung des Einsuhrverbots hat also der Verbrauch der Rohseide sich mehr als vervierfacht. Seit dieser Zeit haben die englischen Seidenfabriken sogar Massen ihrer Fabrikate ausgeführt. Diese Ausfuhr betrug schon -1842 690,000 Pfund Sterling und -1856 2,967,000 Pf. Se. Das Merkwürdigste dabei ist, daß England seit der Reform seinem Rivalen Frankreich eine gewisse Quantität Seide geliefert hat. Aus der Uebersicht deS französischen Handels für -1856 ergib« sich, daß England in diesem Jahre für 78-1,352 Pf. Se. fabricirter Silbe nach Frankreich eingeführt hat. So groß war der Aufschwung der englischen Seidcnindustrie unter der Herrschaft eines mäßigen Schutzzolls Und unter dem treibenden Sporn der ausländischen Concurrenz, daß im November -1852 27 Seidenfabrikeu in Manchester bei dem Parlament daraus antrugen, daß jeder Schutzzoll auf Seide aufgehoben werde. Sie betrachteten ^bst den mäßigen Schutzzoll von -15 Procent als eine Ursache der Mi߬ achtung ihrer Industrie auf dem Weltmarkt und sie forderten daher die Ab¬ fassung des Schutzzolls und zwar nicht theil- oder stufenweise, sondern gänzlich und sofort. Ein seltsamer Gegensatz zu den gegenwärtigen Anstren- gungnl der Schutzzöllner in Frankreich, welche die Regierung drängen, die hohen Tarifsätze aufrecht zu erhalten, welche für die Consumuten so drückend u»d dem wohlfeilen Leben, einem der ersten Erfordernisse unserer Zeit, so »achtseitig sind. Unter den geschilderten Verhältnissen stieg zugleich die Einfuhr aus¬ ländischer Seidenzeuge in England. Diese Einfuhr betrug -1842 -123,600 Kilo¬ gramm, 1856 332,500 Kilogramm zu einem Werthe von -1,73-1,000 Pf. Se. Diese Einfuhr ausländischer Seidenzeuge veranlaßt und bezahlt die Ausfuhr 39* >

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/315
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/315>, abgerufen am 21.05.2024.