Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Lesesaal, zwei bedeutende zu Vorlesungen und Concerten verwendete, geschmack¬
volle Hörsäle und einen Bibliotheksraum enthält. Die Zahl der hier auf¬
liegenden hiesigen und auswärtigen, politischen und merkantilischen Zeitungen,
wissenschaftlichen und belletristischen Journale, Handelsberichte, Schiffskisten
u. s. w. beträgt im Ganzen 284. Für Zeitungen und Journale wurden im
Jahre -1856 verausgabt 2211 Thlr., für Handelsblätter 608 Thr., für den
stets mit den Neuigkeiten der Belletristik, und in gewissen Grenzen selbst der
Wissenschaft versorgten Büchertisch 1211 Thlr. Wenn ich erwähne, daß unter
anderem auch Schellings Werke, Köppens Religion deS Buddha, BahrtS
Reisen, Hänßers deutsche Geschichte u. s. w. zu den jüngsten Slcquisitioncn ge¬
hören, so erkennt man, daß jene, Grenzen nicht zu eng gezogen sind. Die
daraus hervorgegangen" Bibliothek ist in der kurzen Zeit ihres Bestehens
bereits auf 8500 Bände angewachsen. Zur Unterhaltung des Ganzen steuern
jetzt etwa 1300 Mitglieder bei. Besonders durch die im Winter 18S1 zuerst
veranstalteten Vorlesungen an mehren Abenden der Woche, zu denen seit
der Etablnung im neuen Gebäude auch Damen Zutritt haben, ist die Theil¬
nahme am Institute bedeutend gesteigert. Im Anfang traten nur 600 Mit¬
glieder dem Unternehmen bei, aber schon im ersten Winter des Bestehens hob
sich rie Zahl auf 1200, und nach dem zweiten Winter zählte die Lesehalle
1500 Mitglieder. Leider ist die Theilnahme an diesem trefflichen Institute
durch manche Vorurtheile getrübt worden. Weil das ganze Unternehmen von
einer Fvaction der Linken aus der Constituante ausging, wurde die Sache viel
zu sehr als politische Parteisache angesehen. Später brachten Meinungs¬
verschiedenheiten über den Neubau eines eigenen Hauses einen bedauerlichen
Riß in die junge Gesellschaft. Endlich gibt es uuter uns Leute, die darcM
Anstoß nehmen, daß viele Juden in die Lesehalle gehen. Daß trotz dieser
Vorurtheile das Institut dennoch in erfreulicher Thätigkeit besteht, zeigt
wol, wie sehr es einem vorhandenen Bedürfniß entspricht.

18ii richtete die Buchhandlung Perthes, Besser und Manate ein
Leseinstitut ein, welches namentlich auch die wichtigeren wissenschaftlichen
Blätter enthielt. ES mußte 1849 wegen Mangel an Theilnahme eingehen.
Die Lesehalle hat Viele über diesen Verlust getröstet; indessen sind mit dem¬
selben wesentliche Annehmlichkeiten verschwunden. Manche wissenschaftliche
Blätter sind seitdem nur noch im Privatbesitz aufzufinden. Vor allem aber
fehlt den Gelehrten ein Local, wo die Zeitschriften der verschiedenen Facultäten
gleich nach ihrem Erscheinen zur Einsicht eine Zeit lang aufliegen. Der
Sammelpunkt ist verschwunden, waS früher vereint war, ist zersplittert; die
Theologen lasse" ihre Zeitschriften unter sich circuliren, die Naturforscher die
ihrigen, und die Philologen haben auch einen Kreis für sich- Zwar kommen
diese Zeitschriften nach halbjährlicher Rundreise insgesammt auf der Stadt-


33'

Lesesaal, zwei bedeutende zu Vorlesungen und Concerten verwendete, geschmack¬
volle Hörsäle und einen Bibliotheksraum enthält. Die Zahl der hier auf¬
liegenden hiesigen und auswärtigen, politischen und merkantilischen Zeitungen,
wissenschaftlichen und belletristischen Journale, Handelsberichte, Schiffskisten
u. s. w. beträgt im Ganzen 284. Für Zeitungen und Journale wurden im
Jahre -1856 verausgabt 2211 Thlr., für Handelsblätter 608 Thr., für den
stets mit den Neuigkeiten der Belletristik, und in gewissen Grenzen selbst der
Wissenschaft versorgten Büchertisch 1211 Thlr. Wenn ich erwähne, daß unter
anderem auch Schellings Werke, Köppens Religion deS Buddha, BahrtS
Reisen, Hänßers deutsche Geschichte u. s. w. zu den jüngsten Slcquisitioncn ge¬
hören, so erkennt man, daß jene, Grenzen nicht zu eng gezogen sind. Die
daraus hervorgegangen« Bibliothek ist in der kurzen Zeit ihres Bestehens
bereits auf 8500 Bände angewachsen. Zur Unterhaltung des Ganzen steuern
jetzt etwa 1300 Mitglieder bei. Besonders durch die im Winter 18S1 zuerst
veranstalteten Vorlesungen an mehren Abenden der Woche, zu denen seit
der Etablnung im neuen Gebäude auch Damen Zutritt haben, ist die Theil¬
nahme am Institute bedeutend gesteigert. Im Anfang traten nur 600 Mit¬
glieder dem Unternehmen bei, aber schon im ersten Winter des Bestehens hob
sich rie Zahl auf 1200, und nach dem zweiten Winter zählte die Lesehalle
1500 Mitglieder. Leider ist die Theilnahme an diesem trefflichen Institute
durch manche Vorurtheile getrübt worden. Weil das ganze Unternehmen von
einer Fvaction der Linken aus der Constituante ausging, wurde die Sache viel
zu sehr als politische Parteisache angesehen. Später brachten Meinungs¬
verschiedenheiten über den Neubau eines eigenen Hauses einen bedauerlichen
Riß in die junge Gesellschaft. Endlich gibt es uuter uns Leute, die darcM
Anstoß nehmen, daß viele Juden in die Lesehalle gehen. Daß trotz dieser
Vorurtheile das Institut dennoch in erfreulicher Thätigkeit besteht, zeigt
wol, wie sehr es einem vorhandenen Bedürfniß entspricht.

18ii richtete die Buchhandlung Perthes, Besser und Manate ein
Leseinstitut ein, welches namentlich auch die wichtigeren wissenschaftlichen
Blätter enthielt. ES mußte 1849 wegen Mangel an Theilnahme eingehen.
Die Lesehalle hat Viele über diesen Verlust getröstet; indessen sind mit dem¬
selben wesentliche Annehmlichkeiten verschwunden. Manche wissenschaftliche
Blätter sind seitdem nur noch im Privatbesitz aufzufinden. Vor allem aber
fehlt den Gelehrten ein Local, wo die Zeitschriften der verschiedenen Facultäten
gleich nach ihrem Erscheinen zur Einsicht eine Zeit lang aufliegen. Der
Sammelpunkt ist verschwunden, waS früher vereint war, ist zersplittert; die
Theologen lasse« ihre Zeitschriften unter sich circuliren, die Naturforscher die
ihrigen, und die Philologen haben auch einen Kreis für sich- Zwar kommen
diese Zeitschriften nach halbjährlicher Rundreise insgesammt auf der Stadt-


33'
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0427" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/105162"/>
            <p xml:id="ID_1169" prev="#ID_1168"> Lesesaal, zwei bedeutende zu Vorlesungen und Concerten verwendete, geschmack¬<lb/>
volle Hörsäle und einen Bibliotheksraum enthält. Die Zahl der hier auf¬<lb/>
liegenden hiesigen und auswärtigen, politischen und merkantilischen Zeitungen,<lb/>
wissenschaftlichen und belletristischen Journale, Handelsberichte, Schiffskisten<lb/>
u. s. w. beträgt im Ganzen 284. Für Zeitungen und Journale wurden im<lb/>
Jahre -1856 verausgabt 2211 Thlr., für Handelsblätter 608 Thr., für den<lb/>
stets mit den Neuigkeiten der Belletristik, und in gewissen Grenzen selbst der<lb/>
Wissenschaft versorgten Büchertisch 1211 Thlr. Wenn ich erwähne, daß unter<lb/>
anderem auch Schellings Werke, Köppens Religion deS Buddha, BahrtS<lb/>
Reisen, Hänßers deutsche Geschichte u. s. w. zu den jüngsten Slcquisitioncn ge¬<lb/>
hören, so erkennt man, daß jene, Grenzen nicht zu eng gezogen sind. Die<lb/>
daraus hervorgegangen« Bibliothek ist in der kurzen Zeit ihres Bestehens<lb/>
bereits auf 8500 Bände angewachsen. Zur Unterhaltung des Ganzen steuern<lb/>
jetzt etwa 1300 Mitglieder bei. Besonders durch die im Winter 18S1 zuerst<lb/>
veranstalteten Vorlesungen an mehren Abenden der Woche, zu denen seit<lb/>
der Etablnung im neuen Gebäude auch Damen Zutritt haben, ist die Theil¬<lb/>
nahme am Institute bedeutend gesteigert. Im Anfang traten nur 600 Mit¬<lb/>
glieder dem Unternehmen bei, aber schon im ersten Winter des Bestehens hob<lb/>
sich rie Zahl auf 1200, und nach dem zweiten Winter zählte die Lesehalle<lb/>
1500 Mitglieder. Leider ist die Theilnahme an diesem trefflichen Institute<lb/>
durch manche Vorurtheile getrübt worden. Weil das ganze Unternehmen von<lb/>
einer Fvaction der Linken aus der Constituante ausging, wurde die Sache viel<lb/>
zu sehr als politische Parteisache angesehen. Später brachten Meinungs¬<lb/>
verschiedenheiten über den Neubau eines eigenen Hauses einen bedauerlichen<lb/>
Riß in die junge Gesellschaft. Endlich gibt es uuter uns Leute, die darcM<lb/>
Anstoß nehmen, daß viele Juden in die Lesehalle gehen. Daß trotz dieser<lb/>
Vorurtheile das Institut dennoch in erfreulicher Thätigkeit besteht, zeigt<lb/>
wol, wie sehr es einem vorhandenen Bedürfniß entspricht.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1170" next="#ID_1171"> 18ii richtete die Buchhandlung Perthes, Besser und Manate ein<lb/>
Leseinstitut ein, welches namentlich auch die wichtigeren wissenschaftlichen<lb/>
Blätter enthielt. ES mußte 1849 wegen Mangel an Theilnahme eingehen.<lb/>
Die Lesehalle hat Viele über diesen Verlust getröstet; indessen sind mit dem¬<lb/>
selben wesentliche Annehmlichkeiten verschwunden. Manche wissenschaftliche<lb/>
Blätter sind seitdem nur noch im Privatbesitz aufzufinden. Vor allem aber<lb/>
fehlt den Gelehrten ein Local, wo die Zeitschriften der verschiedenen Facultäten<lb/>
gleich nach ihrem Erscheinen zur Einsicht eine Zeit lang aufliegen. Der<lb/>
Sammelpunkt ist verschwunden, waS früher vereint war, ist zersplittert; die<lb/>
Theologen lasse« ihre Zeitschriften unter sich circuliren, die Naturforscher die<lb/>
ihrigen, und die Philologen haben auch einen Kreis für sich- Zwar kommen<lb/>
diese Zeitschriften nach halbjährlicher Rundreise insgesammt auf der Stadt-</p><lb/>
            <fw type="sig" place="bottom"> 33'</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0427] Lesesaal, zwei bedeutende zu Vorlesungen und Concerten verwendete, geschmack¬ volle Hörsäle und einen Bibliotheksraum enthält. Die Zahl der hier auf¬ liegenden hiesigen und auswärtigen, politischen und merkantilischen Zeitungen, wissenschaftlichen und belletristischen Journale, Handelsberichte, Schiffskisten u. s. w. beträgt im Ganzen 284. Für Zeitungen und Journale wurden im Jahre -1856 verausgabt 2211 Thlr., für Handelsblätter 608 Thr., für den stets mit den Neuigkeiten der Belletristik, und in gewissen Grenzen selbst der Wissenschaft versorgten Büchertisch 1211 Thlr. Wenn ich erwähne, daß unter anderem auch Schellings Werke, Köppens Religion deS Buddha, BahrtS Reisen, Hänßers deutsche Geschichte u. s. w. zu den jüngsten Slcquisitioncn ge¬ hören, so erkennt man, daß jene, Grenzen nicht zu eng gezogen sind. Die daraus hervorgegangen« Bibliothek ist in der kurzen Zeit ihres Bestehens bereits auf 8500 Bände angewachsen. Zur Unterhaltung des Ganzen steuern jetzt etwa 1300 Mitglieder bei. Besonders durch die im Winter 18S1 zuerst veranstalteten Vorlesungen an mehren Abenden der Woche, zu denen seit der Etablnung im neuen Gebäude auch Damen Zutritt haben, ist die Theil¬ nahme am Institute bedeutend gesteigert. Im Anfang traten nur 600 Mit¬ glieder dem Unternehmen bei, aber schon im ersten Winter des Bestehens hob sich rie Zahl auf 1200, und nach dem zweiten Winter zählte die Lesehalle 1500 Mitglieder. Leider ist die Theilnahme an diesem trefflichen Institute durch manche Vorurtheile getrübt worden. Weil das ganze Unternehmen von einer Fvaction der Linken aus der Constituante ausging, wurde die Sache viel zu sehr als politische Parteisache angesehen. Später brachten Meinungs¬ verschiedenheiten über den Neubau eines eigenen Hauses einen bedauerlichen Riß in die junge Gesellschaft. Endlich gibt es uuter uns Leute, die darcM Anstoß nehmen, daß viele Juden in die Lesehalle gehen. Daß trotz dieser Vorurtheile das Institut dennoch in erfreulicher Thätigkeit besteht, zeigt wol, wie sehr es einem vorhandenen Bedürfniß entspricht. 18ii richtete die Buchhandlung Perthes, Besser und Manate ein Leseinstitut ein, welches namentlich auch die wichtigeren wissenschaftlichen Blätter enthielt. ES mußte 1849 wegen Mangel an Theilnahme eingehen. Die Lesehalle hat Viele über diesen Verlust getröstet; indessen sind mit dem¬ selben wesentliche Annehmlichkeiten verschwunden. Manche wissenschaftliche Blätter sind seitdem nur noch im Privatbesitz aufzufinden. Vor allem aber fehlt den Gelehrten ein Local, wo die Zeitschriften der verschiedenen Facultäten gleich nach ihrem Erscheinen zur Einsicht eine Zeit lang aufliegen. Der Sammelpunkt ist verschwunden, waS früher vereint war, ist zersplittert; die Theologen lasse« ihre Zeitschriften unter sich circuliren, die Naturforscher die ihrigen, und die Philologen haben auch einen Kreis für sich- Zwar kommen diese Zeitschriften nach halbjährlicher Rundreise insgesammt auf der Stadt- 33'

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/427
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/427>, abgerufen am 22.05.2024.