Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Demokraten siegten, meinen, daß es zu keinem Einschreiten der Regierung
gegen die Sekte kommen würde. Die am Ruder befindliche Partei bekennt
sich zu dem Grundsatze des Gcwährenlassens mehr als Manchem gerathen scheint.
Indeß der Hochmuth der Mormonen überschritt zuletzt alle Grenzen, die bis¬
her beobachtete vorsichtige Haltung wurde aufgegeben, und offen mit Gewalt¬
schritten gedroht. So verlangte die öffentliche Meinung endlich allenthalben,
daß die Zustände in Utah in Einklang mit den Gesetzen der Union gebracht
würden, und da auf friedlichem Wege nichts zu erreichen war, wurde zuletzt
Gewalt gebraucht.

Man hat sich bei Betrachtung dieser Vorgänge vorzüglich vor einem Mi߬
verständnis) zu hüten. Es ist dies kein Feldzug gegen die Religion der
Mormonen, und nicht die Vielweiberei der Sekte ist es, gegen die eingeschrit¬
ten werden soll. Es handelt sich vielmehr nur um das Vorherrschen des prie¬
sterliche" Elements in der mormonischen Theodemokratie, um Herstellung 'der
gesetzlichen Gleichberechtigung aller im Territorium, um Abschaffung des Ter-
rorismus, der von den eifrigen Mormonen über die laueren und über die "heid¬
nischen", d. h. inchimormvnischen Bewohner deö Landes geübt wird. Die
Sekte soll ferner nicht mehr den Befehlen der Centralregierung, der gegenüber
das Land als bloßes Gebiet nicht souverän ist, Trotz bieten, den Aussprüchen
der von dieser Regierung eingesetzten Richter nicht mehr den Gehorsam ver¬
sagen. Andere Zwecke kann die Erpedition gegen sie nicht haben. Die
Mormonen bilden in dem von ihnen zuerst colonisirten Gebiet Utah die
Mehrzahl und infolge dessen ist alle politische Gewalt in ihren Händen. Dies
haben die Häupter der Sekte benutzt, um die strengste" Maßregeln gegen Ab¬
fall von der "Kirche" durchzusetze", und da der Abfall besonders i" Betreff
deS Gebots der Vielweiberei (es ist seit einigen Jabren nicht mehr bloße Er¬
laubniß) häufig zu weide" drohte, so richtete sich der Zorn der Obern vor¬
züglich nach dieser Seite, und es ist wiederholt vorgekommen, daß Abtrünnige
mit Confiscation ihres Eigenthums, ja ihres Lebens bestraft wurden. Die
Ehe wird von den Amerikanern alö rein bürgerlicher Vertrag aufgefaßt; aber
grade deshalb soll kein Bürger des Staats durch anderer Leute religiöse Mei¬
nung genöthigt werden, eine Ehe einzugehen oder zu brechen, und wenn auch
zugegeben werden muß, daß diese Angelegenheit Sache der Localbehörden von
Utah ist und zunächst nicht vor das Forum des Vereinigten-Staaten-
Gerichtshofs gehört, so ist doch die Thatsache, daß die Häupter der Mormone",
aus denen jede Localbehörde deö Territoriums hervorgeht, die Centralbehörde
in Washington nicht mehr anerkennen, daß sie die nach Utah gesandten Rich¬
ter an der Ausübung ihrer Pflichten, mit der sie die Uebergriffe der Polyga-
misten gehindert haben würden, erst indirect und zuletzt direct und gewaltsam


65*

Demokraten siegten, meinen, daß es zu keinem Einschreiten der Regierung
gegen die Sekte kommen würde. Die am Ruder befindliche Partei bekennt
sich zu dem Grundsatze des Gcwährenlassens mehr als Manchem gerathen scheint.
Indeß der Hochmuth der Mormonen überschritt zuletzt alle Grenzen, die bis¬
her beobachtete vorsichtige Haltung wurde aufgegeben, und offen mit Gewalt¬
schritten gedroht. So verlangte die öffentliche Meinung endlich allenthalben,
daß die Zustände in Utah in Einklang mit den Gesetzen der Union gebracht
würden, und da auf friedlichem Wege nichts zu erreichen war, wurde zuletzt
Gewalt gebraucht.

Man hat sich bei Betrachtung dieser Vorgänge vorzüglich vor einem Mi߬
verständnis) zu hüten. Es ist dies kein Feldzug gegen die Religion der
Mormonen, und nicht die Vielweiberei der Sekte ist es, gegen die eingeschrit¬
ten werden soll. Es handelt sich vielmehr nur um das Vorherrschen des prie¬
sterliche» Elements in der mormonischen Theodemokratie, um Herstellung 'der
gesetzlichen Gleichberechtigung aller im Territorium, um Abschaffung des Ter-
rorismus, der von den eifrigen Mormonen über die laueren und über die „heid¬
nischen", d. h. inchimormvnischen Bewohner deö Landes geübt wird. Die
Sekte soll ferner nicht mehr den Befehlen der Centralregierung, der gegenüber
das Land als bloßes Gebiet nicht souverän ist, Trotz bieten, den Aussprüchen
der von dieser Regierung eingesetzten Richter nicht mehr den Gehorsam ver¬
sagen. Andere Zwecke kann die Erpedition gegen sie nicht haben. Die
Mormonen bilden in dem von ihnen zuerst colonisirten Gebiet Utah die
Mehrzahl und infolge dessen ist alle politische Gewalt in ihren Händen. Dies
haben die Häupter der Sekte benutzt, um die strengste» Maßregeln gegen Ab¬
fall von der „Kirche" durchzusetze», und da der Abfall besonders i» Betreff
deS Gebots der Vielweiberei (es ist seit einigen Jabren nicht mehr bloße Er¬
laubniß) häufig zu weide» drohte, so richtete sich der Zorn der Obern vor¬
züglich nach dieser Seite, und es ist wiederholt vorgekommen, daß Abtrünnige
mit Confiscation ihres Eigenthums, ja ihres Lebens bestraft wurden. Die
Ehe wird von den Amerikanern alö rein bürgerlicher Vertrag aufgefaßt; aber
grade deshalb soll kein Bürger des Staats durch anderer Leute religiöse Mei¬
nung genöthigt werden, eine Ehe einzugehen oder zu brechen, und wenn auch
zugegeben werden muß, daß diese Angelegenheit Sache der Localbehörden von
Utah ist und zunächst nicht vor das Forum des Vereinigten-Staaten-
Gerichtshofs gehört, so ist doch die Thatsache, daß die Häupter der Mormone»,
aus denen jede Localbehörde deö Territoriums hervorgeht, die Centralbehörde
in Washington nicht mehr anerkennen, daß sie die nach Utah gesandten Rich¬
ter an der Ausübung ihrer Pflichten, mit der sie die Uebergriffe der Polyga-
misten gehindert haben würden, erst indirect und zuletzt direct und gewaltsam


65*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0443" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/105178"/>
          <p xml:id="ID_1206" prev="#ID_1205"> Demokraten siegten, meinen, daß es zu keinem Einschreiten der Regierung<lb/>
gegen die Sekte kommen würde. Die am Ruder befindliche Partei bekennt<lb/>
sich zu dem Grundsatze des Gcwährenlassens mehr als Manchem gerathen scheint.<lb/>
Indeß der Hochmuth der Mormonen überschritt zuletzt alle Grenzen, die bis¬<lb/>
her beobachtete vorsichtige Haltung wurde aufgegeben, und offen mit Gewalt¬<lb/>
schritten gedroht. So verlangte die öffentliche Meinung endlich allenthalben,<lb/>
daß die Zustände in Utah in Einklang mit den Gesetzen der Union gebracht<lb/>
würden, und da auf friedlichem Wege nichts zu erreichen war, wurde zuletzt<lb/>
Gewalt gebraucht.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1207" next="#ID_1208"> Man hat sich bei Betrachtung dieser Vorgänge vorzüglich vor einem Mi߬<lb/>
verständnis) zu hüten. Es ist dies kein Feldzug gegen die Religion der<lb/>
Mormonen, und nicht die Vielweiberei der Sekte ist es, gegen die eingeschrit¬<lb/>
ten werden soll. Es handelt sich vielmehr nur um das Vorherrschen des prie¬<lb/>
sterliche» Elements in der mormonischen Theodemokratie, um Herstellung 'der<lb/>
gesetzlichen Gleichberechtigung aller im Territorium, um Abschaffung des Ter-<lb/>
rorismus, der von den eifrigen Mormonen über die laueren und über die &#x201E;heid¬<lb/>
nischen", d. h. inchimormvnischen Bewohner deö Landes geübt wird. Die<lb/>
Sekte soll ferner nicht mehr den Befehlen der Centralregierung, der gegenüber<lb/>
das Land als bloßes Gebiet nicht souverän ist, Trotz bieten, den Aussprüchen<lb/>
der von dieser Regierung eingesetzten Richter nicht mehr den Gehorsam ver¬<lb/>
sagen. Andere Zwecke kann die Erpedition gegen sie nicht haben. Die<lb/>
Mormonen bilden in dem von ihnen zuerst colonisirten Gebiet Utah die<lb/>
Mehrzahl und infolge dessen ist alle politische Gewalt in ihren Händen. Dies<lb/>
haben die Häupter der Sekte benutzt, um die strengste» Maßregeln gegen Ab¬<lb/>
fall von der &#x201E;Kirche" durchzusetze», und da der Abfall besonders i» Betreff<lb/>
deS Gebots der Vielweiberei (es ist seit einigen Jabren nicht mehr bloße Er¬<lb/>
laubniß) häufig zu weide» drohte, so richtete sich der Zorn der Obern vor¬<lb/>
züglich nach dieser Seite, und es ist wiederholt vorgekommen, daß Abtrünnige<lb/>
mit Confiscation ihres Eigenthums, ja ihres Lebens bestraft wurden. Die<lb/>
Ehe wird von den Amerikanern alö rein bürgerlicher Vertrag aufgefaßt; aber<lb/>
grade deshalb soll kein Bürger des Staats durch anderer Leute religiöse Mei¬<lb/>
nung genöthigt werden, eine Ehe einzugehen oder zu brechen, und wenn auch<lb/>
zugegeben werden muß, daß diese Angelegenheit Sache der Localbehörden von<lb/>
Utah ist und zunächst nicht vor das Forum des Vereinigten-Staaten-<lb/>
Gerichtshofs gehört, so ist doch die Thatsache, daß die Häupter der Mormone»,<lb/>
aus denen jede Localbehörde deö Territoriums hervorgeht, die Centralbehörde<lb/>
in Washington nicht mehr anerkennen, daß sie die nach Utah gesandten Rich¬<lb/>
ter an der Ausübung ihrer Pflichten, mit der sie die Uebergriffe der Polyga-<lb/>
misten gehindert haben würden, erst indirect und zuletzt direct und gewaltsam</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> 65*</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0443] Demokraten siegten, meinen, daß es zu keinem Einschreiten der Regierung gegen die Sekte kommen würde. Die am Ruder befindliche Partei bekennt sich zu dem Grundsatze des Gcwährenlassens mehr als Manchem gerathen scheint. Indeß der Hochmuth der Mormonen überschritt zuletzt alle Grenzen, die bis¬ her beobachtete vorsichtige Haltung wurde aufgegeben, und offen mit Gewalt¬ schritten gedroht. So verlangte die öffentliche Meinung endlich allenthalben, daß die Zustände in Utah in Einklang mit den Gesetzen der Union gebracht würden, und da auf friedlichem Wege nichts zu erreichen war, wurde zuletzt Gewalt gebraucht. Man hat sich bei Betrachtung dieser Vorgänge vorzüglich vor einem Mi߬ verständnis) zu hüten. Es ist dies kein Feldzug gegen die Religion der Mormonen, und nicht die Vielweiberei der Sekte ist es, gegen die eingeschrit¬ ten werden soll. Es handelt sich vielmehr nur um das Vorherrschen des prie¬ sterliche» Elements in der mormonischen Theodemokratie, um Herstellung 'der gesetzlichen Gleichberechtigung aller im Territorium, um Abschaffung des Ter- rorismus, der von den eifrigen Mormonen über die laueren und über die „heid¬ nischen", d. h. inchimormvnischen Bewohner deö Landes geübt wird. Die Sekte soll ferner nicht mehr den Befehlen der Centralregierung, der gegenüber das Land als bloßes Gebiet nicht souverän ist, Trotz bieten, den Aussprüchen der von dieser Regierung eingesetzten Richter nicht mehr den Gehorsam ver¬ sagen. Andere Zwecke kann die Erpedition gegen sie nicht haben. Die Mormonen bilden in dem von ihnen zuerst colonisirten Gebiet Utah die Mehrzahl und infolge dessen ist alle politische Gewalt in ihren Händen. Dies haben die Häupter der Sekte benutzt, um die strengste» Maßregeln gegen Ab¬ fall von der „Kirche" durchzusetze», und da der Abfall besonders i» Betreff deS Gebots der Vielweiberei (es ist seit einigen Jabren nicht mehr bloße Er¬ laubniß) häufig zu weide» drohte, so richtete sich der Zorn der Obern vor¬ züglich nach dieser Seite, und es ist wiederholt vorgekommen, daß Abtrünnige mit Confiscation ihres Eigenthums, ja ihres Lebens bestraft wurden. Die Ehe wird von den Amerikanern alö rein bürgerlicher Vertrag aufgefaßt; aber grade deshalb soll kein Bürger des Staats durch anderer Leute religiöse Mei¬ nung genöthigt werden, eine Ehe einzugehen oder zu brechen, und wenn auch zugegeben werden muß, daß diese Angelegenheit Sache der Localbehörden von Utah ist und zunächst nicht vor das Forum des Vereinigten-Staaten- Gerichtshofs gehört, so ist doch die Thatsache, daß die Häupter der Mormone», aus denen jede Localbehörde deö Territoriums hervorgeht, die Centralbehörde in Washington nicht mehr anerkennen, daß sie die nach Utah gesandten Rich¬ ter an der Ausübung ihrer Pflichten, mit der sie die Uebergriffe der Polyga- misten gehindert haben würden, erst indirect und zuletzt direct und gewaltsam 65*

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/443
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104734/443>, abgerufen am 22.05.2024.